Die Industrie im bayerischen Chemiedreieck ist ein Energiefresser und verbraucht fast ein Zehntel des Stroms im Freistaat. Ist Markus Söders Ankündigung, das alles CO2-frei umzubauen innerhalb von nicht einmal 20 Jahren, überhaupt zu schaffen?
Nötig: viel Energie, möglichst günstig
Eine Halle bei einem der größten Betriebe der Region, bei Wacker in Burghausen, mit etwa 20 Öfen aus Stahl, jeder mit einem kleinen runden Fenster, aus dem oranges Licht scheint: Glühende Stäbe, an denen sich Polysilizium anlagert, wichtigster Bestandteil von Halbleiterchips und Solarzellen. Arbeitskräfte kommen hier nur zum Kontrollieren vorbei, vor allem braucht es hier viel Energie, möglichst günstig.
Ein Drittel des Stroms kommt aus dem eigenen Gaskraftwerk
"15 Prozent unseres Stroms kommen aus dem Wasserkraftwerk an der Alz, 35 Prozent aus unserem eigenen Gaskraftwerk, und die restlichen 50 aus dem öffentlichen Netz", sagt Peter von Zumbusch, Werksleiter bei Wacker in Burghausen.
Stromverbrauch könnte "massiv" steigen
Um CO2-frei zu werden, dürfte das Unternehmen nur noch grünen Strom kaufen und müsste sein Gas zum Beispiel durch Wasserstoff ersetzen. Doch um den zu produzieren, bräuchte es Unmengen zusätzlichen Öko-Strom, erklärt Bernhard Langhammer, Sprecher des bayerischen Chemiedreiecks: "Das wird dazu führen, dass der Strombedarf nicht nur etwas steigt, sondern massiv." In der chemischen Industrie könne der Strombedarf dabei bis zum Zehnfachen steigen, befürchten manche Experten. Dabei brauchen die knapp 20 Unternehmen im Kreis Altötting schon jetzt fünf Terrawattstunden Strom pro Jahr, zum Vergleich: Ganz München braucht sieben Terrawattstunden Strom. Und die Staatsregierung will ja sogar ganz Bayern bis 2040 klimaneutral bekommen.
Das bräuchte Bayern für Klimaneutralität bis 2040
Laut Bayerischer Energie- und Wasserwirtschaft bräuchte es dafür ab sofort bis 2040 jede Woche
- Zwei neue Windräder
- Sechs Schiffscontainer mit Batteriespeichern
- 180 Fußballfelder voller Photovoltaikanlagen und
- 2.200 umweltfreundliche Heizungen.
Und dazu fordern andere Experten Hochspannungsleitungen und eine Pipeline für grünen Strom und Wasserstoff aus dem windreichen Norden.
Ifo-Expertin: Wir müssen 2022 durchstarten
Diese Klimaziele sind äußerst ambitioniert, findet Energieexpertin Karen Pittel vom Ifo-Institut: "Ich will jetzt nicht sagen, wir müssen morgen anfangen, aber wenn wir nicht in diesem Jahr durchstarten, dann wird's fast unmöglich." Alle müssten mitmachen, auch im Landkreis Altötting. Aber sind auch alle bereit dazu?
Wer sich umhört, wie die Leute so denken, stößt immer noch auf Ablehnung der Windräder, weil sie "die Landschaft verschandeln", aber auch auf Skepsis gegenüber dem Atomausstieg. Auf das Chemiedreieck verzichten will ohnehin keiner.
Umweltfreundlicher als die Produktion in China
Für die Chemie-Lobbyisten ist am wichtigsten, dass der Strom nicht zu teuer wird. Umweltfreundlicher als die Konkurrenz seien sie ohnehin schon, sagt Werksleiter Peter von Zumbusch: "Unser Beitrag ist, dass wir unsere Prozesse wesentlich effizienter fahren als unsere Wettbewerber, was dazu führt, dass wir etwa die Hälfte der CO2-Emmissionen pro Kilogramm Polysilizium haben im Vergleich zu den kohlestrombasierten Wettbewerbern in China."
Polysilizium aus Burghausen, künftig komplett C02-frei produziert? Die Chemieindustrie ist bereit mitzumachen, aber nicht um jeden Preis.
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