Wo normalerweise Tag und Nacht Maschinen hämmern und dröhnen, ist es gespentisch still. Weit und breit kein Arbeiter, keine Tunnelbaumaschine, die Tiroler Tunnelbaufirma hat ihre Infrastruktur größtenteils bereits abgebaut. Die Röhren im Kramertunnel, der Garmisch vom Durchgangsverkehr Richtung Zugspitze und Ehrwald in Tirol entlasten soll, sind verwaist. Doch das soll sich schnell wieder ändern, wenn es nach dem Staatlichen Bauamt Weilheim geht.
Suche nach neuem Tunnelbauer hat oberste Priorität
Derzeit können sich Firmen auf die Ausschreibung bewerben, und zeitnah soll dann der Tunnelbau weitergehen. Raphael Zuber, der Abteilungsleiter für Großbauprojekte beim Staatlichen Bauamt Weilheim, verspricht eine schnelle Vergabe und hofft, dass die Arbeiten Anfang kommenden Jahres weitergehen. Die 3,6 Kilometer lange Tunnelröhre ist bereits komplett mit Beton verkleidet, nur im Rettungsstollen fehlen noch rund 750 Meter.
Wie Zuber dem BR sagte, konnte eine Einigung mit der ehemaligen Baufirma bezüglich der Übernahme des Schalungswagen und weiterer Gerätschaften getroffen werden. So könne der Ausbau nahtlos weitergehen.
Erst 2027 soll Verkehr durch den Kramertunnel rollen
Am Zeitplan des 3,6 Kilometer langen Tunnelprojekts könne nicht mehr festgehalten werden, bestätigte Zuber auf BR-Nachfrage. War anfangs die Verkehrsfreigabe für Bayerns längsten Straßentunnel für 2025 geplant, ist es jetzt 2027. Denn nach der Tunnelverkleidung kommen noch viele weitere Arbeitsschritte. Allein der Einbau der komplexen Tunneltechnik wird gut eineinhalb Jahre dauern, dann muss der Tunnel noch asphaltiert werden, und ein umfassender Probebetrieb und Abnahmen sind verpflichtend.
Auch die Kostenkalkulation ist um rund 100 Millionen Euro auf jetzt 360 Millionen Euro gestiegen, so Zuber. Neben dem Baustopp und höheren Materialkosten spielten auch Fachkräftemangel und der Ukrainekrieg eine Rolle.
Kramertunnelbau steht unter keinem guten Stern
Der Kramertunnel ist ein von vielen Bürgern sehnsüchtig erwartetes und von anderen scharf kritisiertes Großprojekt zur Ortsumfahrung von Garmisch-Partenkirchen. Bereits seit 1970 beschäftigt sich das Staatliche Straßenbauamt mit der Realisierung des Tunnels, wurde aber unter anderem durch die Klage des Bund Naturschutz (BN) wegen Lärmbelastung und Gefährdung seltener Tierarten ausgebremst.
2011 gab es dann Probleme beim Bau des Erkundungsstollens. Lockeres Gestein und eindringendes Wasser machten den Vortrieb unmöglich. Obwohl nur noch wenige Hundert Meter für den Erkundungsstollen nötig waren, kam es zu einem Baustopp und einer weiteren Klage von Umweltschützern.
Um weiterzumachen, musste der Wasserspiegel vorübergehend abgesenkt werden. Die Behörden betrieben einen großen Aufwand, um die empfindliche Moorvegetation zu schützen. So wurde mit kilometerlangen Rohren eine künstliche Bewässerung eingerichtet. Alle Arbeiten seien umweltfachlich begleitet und überwacht worden, schreibt das Staatliche Bauamt Weilheim auf seiner Online-Seite zum Kramertunnelbau.
Kostenfalle Kramertunnel
Nach Darstellung des BN sank der Grundwasserspiegel am Berg durch die Arbeiten deutlich ab, wodurch überregional bedeutsame Feuchtbiotope zu erheblichen Anteilen trockengefallen und europäisch geschützte Biotopkomplexe zerstört worden seien. Der Verband klagte Sanierungsmaßnahmen ein. Der Fall wurde erst vor Kurzem vor Gericht entschieden. Der Freistaat Bayern muss die Umweltschäden beheben und Moore renaturieren, die durch den Bau des Kramertunnels großflächig trockengefallen sind.
Axel Doering und Andreas Keller vom Bund Naturschutz in Garmisch-Partenkirchen sehen sich in ihrem jahrzehntelangen Kampf bestätigt. Sie sprechen von einem "tunnelbautechnischen Blindflug" und warnen seit Langem vor einer Kostenfalle. Ursprünglich waren für den Kramertunnel 104 Millionen Euro veranschlagt, sagt Keller. Beim Baustart 2010 seien es schon 133 Millionen Euro gewesen. Dann, nach dem ersten Baustopp und der Wiederaufnahme der Arbeiten, 264 Millionen Euro – und jetzt seien es auf einmal 360 Millionen Euro.
Weitere Tunnelprojekte verschieben sich
Und es gibt noch einen weiteren Wermutstropfen für das verkehrsbelastete Loisachtal: Zwar liefen die Planungen am Wank- und am Auerbergtunnel mit Nachdruck weiter, heißt es vom Bauamt in Weilheim. Doch auch hier kommt es zu Verzögerungen. So verschiebt sich der Tunnelausbruch im Auerbergtunnel von 2024 auf 2025 – die Fertigstellung soll jetzt auch erst 2029 sein. Fehlende Arbeitskräfte seien hier das größte Problem.
Auch beim Wanktunnel wird es noch länger dauern. Für die Ortsumfahrung von Partenkirchen wurden im vergangenen Jahr die Erkundungsbohrungen gestartet. In diesen Wochen ging die geologische Erkundung zu Ende. Die Ergebnisse werden jetzt ausgewertet und in eine Ausschreibung mit eingearbeitet. Die Fertigstellung für den 3,5 Kilometer langen Tunnel war im Idealfall für 2030 geplant. Doch unter den derzeitigen Umständen rund um die Tunnelprojekte im Loisachtal erscheint der Termin eher unrealistisch.
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