Im Winter fallen sie besonders auf: die immergrünen Mistelballen mit den weiß-schimmernden Beeren. Auch am Untermain haben sie sich zuletzt rasend schnell ausgebreitet. Der Lebensraum Streuobstwiese, ein Hotspot der Biodiversität, ist dadurch allerdings in Gefahr.
Die Streuobstagentur Schlaraffenburger und der Aschaffenburger Landschaftspflegeverband haben der sogenannten Halbschmarotzerpflanze nun gemeinsam den Kampf angesagt. "Misteln bekämpfen – Streuobst erhalten", so der Titel des Kooperationsprojekts, das über die Dauer von vier Jahren zu 90 Prozent vom bayerischen Umweltministerium im Rahmen des Streuobstpaktes gefördert wird.
In den Apfelbäumen oberhalb von Mömbris im Landkreis Aschaffenburg kommen daher Hand- und Motorsägen zum Einsatz, dutzende Äste mit grünen Misteln und kleinen, weißen Beeren landen im Gras. Von Weihnachtsstimmung kann auf der Anhöhe keine Rede sein.
40 Prozent der Obstbäume von Misteln befallen
Vor rund 100 Jahren hat die Streuobstkultur am Untermain begonnen. Das Obst der Apfel-, Birnen- und Kirschbäume war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Heute liegen viele Flächen brach, werden kaum oder gar nicht mehr gepflegt. Und so konnte sich die Mistel ungehindert ausbreiten.
Die Mistel liebt warmes Klima und wandert immer mehr nach Norden und auch in höhere Lagen. Durch Vögel werden ihre kleinen, weißen, klebrigen Beeren verbreitet. Der Samen dringt in den Ast ein, die Mistel ist im Baum. Sie gehört zu den sogenannten Halbschmarotzern. Das heißt, dass sie zwar selbst Photosynthese betreibt, ihrem Wirtsbaum aber Wasser und Nährstoffe entzieht. Dazu bohrt sie sich mit speziellen Senkerwurzeln in die Wasserleitungen der Bäume. Misteln sind so fest mit den Ästen verbunden, dass man sie nur durch das Absägen des Astes entfernen kann.
"Wir haben im Landkreis Aschaffenburg ungefähr 120.000 Obstbäume und es gibt Landkreisgemeinden, da haben wir bis zu 40 Prozent Befall", berichtet Alexander Vorbeck von der Streuobstagentur Schlaraffenburger. Vorbeck geht davon aus, dass es insgesamt rund 30.000 Mistelbäume im Landkreis gibt.
Mistel bedroht Artenvielfalt der Streuobstwiesen
"Die Mistel steht nicht unter Naturschutz, das wissen viele nicht", betont Tobias Hörmann vom Landschaftspflegeverband. Freilich wolle und könne man die Mistel gar nicht ausrotten. Sie müsse jedoch dringend eingedämmt werden, um die Kulturlandschaft Streuobstwiese zu erhalten: "Sonst verlieren wir diesen Hotspot der Biodiversität", warnt Hörmann. Rund 2.000 Pflanzen- und Tierarten wie etwa der Siebenschläfer, Spechte und auch der seltene Steinkauz seien hier heimisch.
Freiwillige Helfer unerlässlich im Kampf gegen die Mistel
Je jünger und vitaler ein Baum ist, umso besser kann dieser sich gegen die Misteln wehren. "Wenn ihm früh geholfen wird, kann der Kampf gegen die Mistel auch gewonnen werden", erklärt Alexander Vorbeck.
Schlaraffenburger und der Landschaftspflegeverband hoffen auf möglichst viele freiwillige Helfer im Kampf gegen die Mistel, die sich im besten Fall als Baumwart ausbilden lassen und darüber einen fachmännischen Baumschnitt erlernen. Denn ohne die Hilfe privater Streuobstwiesenbesitzer könne der Kampf gegen die Mistel nicht gewonnen werden.
Dieser Artikel ist erstmals am 17.12.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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