"Der Stern heißt Prokyon und gehört zum Sternbild 'Kleiner Hund'. Er leuchtet kräftig, hell und blau. Das liegt daran, dass er nah an der Erde ist." Sabine Frank steht am Ortsrand von Oberelsbach in der Rhön. Mit einem Laserpointer zeigt die Koordinatorin des Sternenparks Rhön in den stockdunklen Nachthimmel, auf einzelne funkelnde Sterne und Sternbilder.
Sternenführung in Oberelsbach: Menschen schätzen die Nacht
Frank hat zu einer Sternenführung eingeladen. Gut 15 Menschen sind gekommen und blicken fasziniert in den Himmel. "Diese Fülle an Sternen, die man sieht – die einfach erst sichtbar werden durch die reduzierte Lichtemission", staunt ein junger Mann. Ein älterer Mann freut sich über die Dunkelheit in der Rhön: "Der Mensch braucht ja die Dunkelheit, um sich zu erholen. Ich finde es ganz schlecht, wenn alles beleuchtet ist."
Einer von wenigen Sternenparks in Deutschland
Der Meinung war auch Frank vor vielen Jahren. Sie hat dafür gekämpft, dass das Biosphärenreservat Rhön ein Sternenpark wird - ausgezeichnet von der "International Dark-Sky Association" im Sommer 2014, vor genau zehn Jahren. Damals war das eine kleine Sensation. Diesen Titel bekommen nämlich nur Gebiete mit einer "besonders schützenswerten und nahezu natürlichen Nacht-Landschaft". Neben der Rhön sind das in Deutschland nur noch Regionen in den Alpen, in Brandenburg und in der Eifel.
Über 40 Rhön-Kommunen schützen die Nacht inzwischen
Das Ziel des Sternenparks: Die Nacht schützen und so wenig Lichtverschmutzung wie möglich verursachen. Die Region am Dreiländereck von Bayern, Hessen und Thüringen ist ohnehin nicht so dicht besiedelt, hat keine Großstädte. Und immer mehr Kommunen machen mit im Sternenpark, inzwischen über 40. In Unterfranken sind das neben Oberelsbach zum Beispiel Bischofsheim am Fuß des Kreuzbergs, Fladungen oder Bad Brückenau.
Vorgaben: Licht nach unten gerichtet, warme Lichtfarbe
Die Kommunen verpflichteten sich freiwillig, die Beleuchtungsrichtlinien des Sternenparks umzusetzen, erklärt Frank. "Wenn sie Beleuchtung benötigen oder umrüsten, halten sie sich an die Vorgaben. Lichtlenkung nach unten und eine angemessene Lichtmenge, um Reflektionen zu vermeiden. Es geht auch um die Farbe des Lichts. Sie sollte einen geringen Blau-Anteil haben – eher orange und wärmer sein", so Frank weiter. Dieses Licht sei angenehmer und weniger schädlich, zum Beispiel für Insekten. Wenn das Licht nach unten gerichtet ist, streut es weniger in den Nachthimmel. Zum Vergleich: Über Städten bildet sich nachts eine Art Lichtkuppel, weil Licht in den Himmel streut.
Als erste Kommune im Sternenpark hat Oberelsbach seine Straßenbeleuchtung umgestellt. Über 500 Lampen seien das damals gewesen, erinnert sich Bauhof-Leiter Michael Sperl. So spare Oberelsbach gut 80 Prozent Energiekosten ein. Es könnte sogar noch dunkler sein, so die Idee Franks. Doch die Kommune will den Menschen auch ein Gefühl von Sicherheit geben. Es sei eine Gratwanderung zwischen den Ideen des Sternenparks und der Sicherheit.
Tiere leiden unter Lichtverschmutzung
Schaut man sich nachts helle Straßenlaternen an, so sieht man viele Insekten in der Nähe. Das Problem: Insekten halten das Licht von Laternen für den Mond – und kreisen und kreisen. Millionen von ihnen sterben jede Nacht an Erschöpfung, sagt Frank.
Auch andere Tiere hätten mit der Lichtverschmutzung zu kämpfen, kritisiert Steffen Jodl vom Bund Naturschutz in Würzburg. Fledermäuse seien zum Beispiel nachtaktiv und würden Insekten jagen. Sie finden keine Nahrung mehr, wenn immer mehr Insekten sterben. "Der Igel meidet solche ausgeleuchteten Bereiche. Die Blaumeise fängt früher an, Eier zu legen – dass die Jungen dann zur Welt kommen, wenn die Nahrungsgrundlage noch nicht da ist", erklärt der Naturschützer. Ganze Schwärme von Zugvögeln seien schon gegen hell erleuchtete Hochhäuser gekracht und verendet.
Auch Pflanzen würden auf Licht reagieren, so Jodl. Sie werfen ihr Laub im Herbst später ab, was zu Frostschäden führen kann.
Fast alles ist beleuchtet: Beispiel Würzburg
Problematisch ist das viele Licht vor allem in größeren Städten wie Würzburg. An der Alten Mainbrücke beispielsweise treffen sich die Menschen abends auf ein Glas Silvaner. Sie stehen im Schein der Laternen, blicken auf den Main, auf den Dom und die anderen Kirchen, auf die Festung Marienberg oberhalb. Alle ist angestrahlt. Ohne Licht sei es kaum vorstellbar, sagen die Menschen: "Das kennt man nicht. Die Stadt ist immer hell", sagt eine Frau. Ein Mann würde sich wünschen, dass es etwas dunkler wäre. Eine jüngere Frau fände komplette Dunkelheit nachts in Würzburg nicht gut: "Ich bin eine selbstbewusste Frau, aber im Dunkeln nachts in einer Stadt ist unangenehm."
Stadtwerke Würzburg: Komplette Dunkelheit nicht möglich
Komplette Dunkelheit sei in der Stadt auch nicht möglich, sagt Bernd Hammer von den Stadtwerken Würzburg. Er ist unter anderem für die öffentliche Beleuchtung in Würzburg zuständig – und arbeitet in diesem Bereich eng mit der Stadt zusammen. "Eine Kommune muss im Rahmen der wirtschaftlichen Mittel die öffentlichen Straßen und Wege beleuchten", so Hammer. "Das ist bei uns in Bayern verankert im Bayerischen Straßen- und Wegegesetz. Da geht es um Schadensabwehr – dass niemand durch Unfälle oder Einbrüche zu Schaden kommt."
Weniger Licht geht: Fast komplette Straßenbeleuchtung umgestellt
Aber: Weniger Licht ist möglich. Würzburg rüstet deshalb seit vielen Jahren die Straßenbeleuchtung auf energiesparende LED um. Das Licht der Straßenlaternen ist nach unten gerichtet und hat eine etwas wärmere Farbe. "Seit 2014 hat man dann mit mehreren hundert und mehreren tausend pro Jahr umgestellt. Heute haben wir bei insgesamt 16.500 Leuchten nur noch 700, die keine LED-Leuchten sind."
Mit den energiesparenden Leuchten spart die Stadt sowohl CO₂ als auch Geld – und setzt ein Zeichen gegen Lichtverschmutzung.
Menschen forderten Beleuchtung von Sehenswürdigkeit ein
Sehenswürdigkeiten, wie die Festung Marienberg oder das Rathaus, seien schon seit Jahren nicht mehr die ganze Nacht beleuchtet – sondern nur noch bis 22.00 oder 23.00 Uhr. Da habe auch das neue Artenschutz-Gesetz eine Rolle gespielt, so Hammer. In der Zeit der Energiekrise und wegen entsprechender Vorgaben waren solche Gebäude zwischenzeitlich nicht mehr beleuchtet. Doch die Bevölkerung habe das eingefordert. Die beleuchtete Festung würde als Wahrzeichen "dazugehören", berichtet Hammer von Gesprächen mit Menschen aus Würzburg. Aktuell plant die Stadt, die Beleuchtung der Festung ebenfalls auf LED umzustellen.
Auch Privatleute können etwas gegen Lichtverschmutzung tun
Für Sabine Frank vom Sternenpark Rhön ist in Sachen Lichtverschmutzung aber noch Luft nach oben: "Die Menschen sollten sich bei ihrem Haus überlegen, wie viel Licht sie brauchen. In manchen Fällen ist die Straßenlaterne vor dem Haus schon hell genug. Und wenn es Hauslampen gibt, das Licht bitte nach unten ausrichten und kein hellweißes Licht."
Auch Solarstecker im Garten sieht sie kritisch: Igel würden nachts zum Beispiel immer um das Licht herumlaufen. Dadurch würde sich ihr Lebensraum einschränken. Ihr Appell: Solarstecker lieber am Hauseingang aufstellen, wo es ohnehin heller ist.
Muss das Licht wirklich die ganze Nacht leuchten?
Außerdem sollte man über den eigenen Anspruch nachdenken, so Frank. Etwa, ob es notwendig sei, dass bei den wenigen Malen im Jahr, wenn man nach 23.00 Uhr zu Fuß nach Hause komme, wirklich die ganze Nacht das Licht leuchten müsse.
Sie könnte sich gut vorstellen, sag, Frank, die Beleuchtung in kleineren Orten und auch in Städten nachts auszuschalten. Nacht seien ohnehin nur wenige Menschen zu Fuß unterwegs – und die meisten hätten ein Smartphone mit Taschenlampe dabei, um sich den Weg zu leuchten.
- Zur Sendung DokThema: Lichtverschmutzung: Die dunkle Seite des Lichts
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