Es herrscht Aufregung bei den Schülerinnen und Schülern im Karolinengymnasium in Rosenheim, denn gleich steht ein Treffen mit Maria Noichl an, der Spitzenkandidatin der Bayern-SPD für die Europawahl. Sie ist zu Besuch in ihrem Wahlkreis Rosenheim. "Ich hoffe, dass die Anliegen, die wir haben, dass die Gehör finden" meint Schülerin Clara. Und ihre Mitschülerin Farah ergänzt: "Ich finde es einfach gut, wenn sie selber darüber reflektiert und sieht, was wir uns überlegt haben. Es ist einfach wichtig, dass auch jemand sieht, was wir so machen." Clara und Farah gehen beide in die zehnte Klasse. Sie wollen Noichl politische Forderungen mit nach Brüssel geben, die sie im März in einem ganz besonderen Jugendparlament erarbeitet haben: dem Youth Parliament to the Alpine Convention, kurz YPAC.
Alpines Jugendparlament in Rosenheim
Das Jugendparlament zur Alpenkonvention, oder auch Alpenparlament, setzt sich aus insgesamt zehn Schulen zusammen. Sie alle liegen in europäischen Staaten entlang der Alpen. Neben den zwei deutschen Schulen aus Rosenheim und Sonthofen sind beispielsweise auch Schulen aus Italien, Österreich und Slowenien dabei. Das Alpenparlament gibt es seit fast 20 Jahren. Schüler Valentin gefällt vor allem der europäische Gedanke: "Es macht sehr Spaß, der Austausch mit Jugendlichen aus anderen Ländern und auch die Erfahrungen auf Englisch."
Insgesamt 90 Jugendparlamente in Bayern
In Bayern gibt es insgesamt über 90 Kinder- und Jugendparlamente. Mal sind sie bei der Kommune angesiedelt, mal an Schulen. Wie oft sie sich treffen und welche Themen besprochen werden, variiert. Dabei sind Jugendparlamente nur eine Möglichkeit, um sich als junger Mensch zu beteiligen. Juliana Krolop von der Akademie für Kinder- und Jugendparlamente in Bayern erklärt, dass auch Jugendtreffs, Schülervertretungen, Jugendbeiräte oder kurzzeitige Projekte, bei denen Jugendliche für einen begrenzten Zeitraum zusammenkommen, um sich einem spezifischen Thema zu widmen, die Teilnehmer an demokratische Strukturen heranführen können:
"Junge Menschen, die sich aktiv einbringen, erfahren ganz oft, dass ihre Anliegen wahrgenommen und weitergetragen werden. Nur so können sie lernen, aktiv mitzugestalten – und das braucht ja Demokratie: Menschen, die aktiv unsere Gesellschaft mitgestalten." Juliana Krolop, Akademie für Kinder- und Jugendparlamente in Bayern
Treffen mit Jungvertretern der Parteien
Jugendlichen einen einfacheren Zugang zu Politik ermöglichen und gleichzeitig eigene Themen vorbringen, dieses Konzept verfolgt auch der Ring politischer Jugend Rosenheim, kurz RPJ. Gemeinsam mit dem Stadtjugendring und dem Evangelischen Jugendwerk Rosenheim veranstaltet er zur anstehenden Europawahl einen Diskussionsabend mit jungen Parteivertretern von CSU, Freien Wählern, SPD, Grünen und FDP. Weil die Europawahl die erste Wahl überhaupt sei, bei der Jugendliche in Bayern ab 16 wählen dürfen, sei so eine Veranstaltung enorm wichtig, meint Matthias Eggerl vom RPJ: "Gerade die Europawahl ist für mich eigentlich die schwierigste Wahl, weil so wenig greifbar ist. Genau deswegen machen wir das Angebot an die Jugendlichen, sich zu informieren über die EU, aber auch über die Parteiprogramme." In ganz Bayern dürfen bei der Europawahl am 9. Juni mehr als 220.000 16- und 17-Jährige zum ersten Mal wählen.
Die Themen setzen die rund 40 anwesenden Jugendlichen, darunter viele Erstwähler, an diesem Abend selbst. Sie befragen die Parteien, wie sie sich eine europäische Verteidigungsunion vorstellen, was für oder gegen einen europäischen Mindestlohn spricht und was die Parteien gegen den Rechtsruck in der Jugend tun wollen. Wählen wollen hier am 9. Juni die meisten: "Ich bin stolz auf das Wahlrecht. Es ist nicht nur ein Wahlrecht, sondern eine Wahlpflicht meiner Meinung nach" meint Teilnehmer Jakob. Und Antonia ergänzt: "Es ist immer leicht gesagt: 'Informiert euch, trefft gute Entscheidungen.' Aber man muss es eben auch selber machen."
Entscheidungsträger in der Pflicht
Für Juliana Krolop von der Akademie für Kinder- und Jugendparlamente sind solche Beteiligungsformate genau der richtige Einstieg in die jugendpolitische Arbeit. Gerade auf Seiten der Entscheidungsträger in Schulen und Kommunen sollte es darum gehen, Beteiligungsangebote zu schaffen: "Macht abzugeben und Räume für Jugendliche zu schaffen, wäre total wichtig." Krolop empfiehlt, das grundsätzliche Interesse von Jugendlichen an ihrem Heimatort oder der Region zu nutzen: "Da kommt es dann von ganz allein, dass Jugendliche in einem nächsten Schritt eine Jugendvertretung aufbauen. Und das läuft dann auch ganz anders, als wenn das von der Kommune oder von Fachkräften vorgegeben wird."
Engagement für die Heimatregion
Zurück bei den Rosenheimer Parlamentsmitgliedern sind es die Alpen, die thematisch dominieren. Bei ihren jährlichen Treffen geht es um Wasserknappheit, Massentourismus, aber auch um den Zugang zu Bildung für Kinder in der Alpenregion. Der SPD-Politikerin Noichl unterbreiten die Rosenheimer Schülerinnen und Schüler an diesem Tag verschiedene Forderungen, wie die Schaffung von länderübergreifenden Naturschutzzonen, die Einführung eines Labels für Produkte der Alpenregion und einheitliche Regelungen für die zukünftige Erschließung der Alpen. Letzteres wird bisher lokal geregelt, in Bayern beispielsweise durch den Alpenplan.
Noichl hört aufmerksam zu, macht sich Notizen, stellt Nachfragen und verspricht nach dem einstündigen Gespräch, die Forderungen in ihre Arbeit einfließen zu lassen. "Ich bin sehr zufrieden. Es hat sich angefühlt, als ob sie uns auch wirklich respektiert, als ob sie es gut findet, was wir machen", meint Farah nach dem Gespräch. Mitschülerin Clara hofft, dass Noichl die Themen auch in Brüssel ansprechen wird: "Ich denke, sie hat sich auf jeden Fall einiges gemerkt und wird es dann auch mitnehmen." Treffen wie das mit Maria Noichl wollen die Rosenheimer Jugendlichen in Zukunft auch mit Vertretern anderer Parteien machen. Damit ihre Themen weiterhin in der Politik Gehör finden.
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