Der junge Schiedsrichter Marino Zimmermann im Gespräch mit seinem Betreuer Klaus Olszowi
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Marino Zimmermann (14) vom TV Dettelbach ist der jüngste Handballschiedsrichter in Bayern

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Marino Zimmermann ist jüngster Handballschiedsrichter Bayerns

Hände in den Hosentaschen, Haare tief in die Stirn frisiert. Marino Zimmermann sieht aus wie der typische 14-Jährige. Sein Engagement sieht man ihm kaum an: Er ist der jüngste Handballschiedsrichter Bayerns. Der Anpfiff zu einer großen Karriere?

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Es kommt nicht oft vor, dass bei einem Handballspiel dem Schiedsrichter die Daumen gedrückt werden. Was eigentlich vermieden werden sollte, war am vergangenen Samstag beim D-Jugendspiel zwischen Gerolzhofen und Bergrheinfeld der Ausnahmefall: Der Schiedsrichter stand im Mittelpunkt. Es war das erste offizielle Spiel für Marino Zimmermann aus Großlangheim, dem jüngsten Handballschiedsrichter in Bayern.

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Mit 14 Jahren jüngster Handballschiedsrichter in Bayern

Den 31. Oktober 2023 konnte Marino kaum erwarten. Sein 14. Geburtstag. Seine Schiedsrichterprüfung hatte er da längst bestanden – einzig die Zeitnehmer-Schulung durfte er nicht früher ablegen. Seit ein paar Wochen ist es nun offiziell: Marino darf Ligaspiele leiten. Theoretisch dürfte er auch Erwachsene Mannschaften in der Bezirksliga pfeifen, der Bayerische Handball Verband (BHV) will die jungen Schiedsrichter aber behutsam einführen. Für den Anfang wird Marino deswegen für Partien eingeteilt, bei denen die Spieler jünger sind als er. Nachdem er im September schon ein Freundschaftsspiel geleitet hatte, bei dem auch Dominik Klein, Handballweltmeister von 2007, auf der Platte stand, gilt das D-Jugendspiel am 2. Dezember als sein erstes offizielles Spiel.

Tiefenentspannt beim Debut – Handball-Familie durch und durch

Ein Kamerateam des Bayerischen Rundfunks hat Marino am Tag seines offiziellen Schiedsrichterdebuts begleitet. Von Aufregung im Vorfeld keine Spur. Betont entspannt sitzt er mit dem Smartphone auf der Couch, während Mama Alexandra deutlich angespannter wirkt. Auch die Tochter ist Schiedsrichterin, außerdem spielt Marino auch noch selbst Handball beim TV Dettelbach. Viel Fahrerei, die Wochenenden gehören dem Handball. Beide Kinder sind unter 18 Jahre und sind auf das Familientaxi angewiesen. "Mein Mann und ich teilen uns auf", sagt Alexandra schulterzuckend. Bei aller Anstrengung überwiegt aber der Stolz. Der Schiedsrichterjob sei charakterbildend und fördere die Selbstständigkeit.

Und Marino selbst? Ihm scheint die ganze Aufregung nicht nahezugehen. "Ich bleibe eigentlich ganz gechillt, die anderen sind mir egal", meint er stoisch. Ob Handball, Fußball oder irgendeine andere Mannschaftssportart – es gibt kaum ein Spiel, bei dem Schiedsrichter nicht Opfer von Beleidigungen werden. Aber auch das will Marino ausblenden und sich nur auf das Spiel und die Mannschaften konzentrieren, viel "mit den Spielern reden und auch zuhören, wenn sie der Meinung sind, ich hätte etwas falsch gesehen." Noch zwei Stunden bis zum Anpfiff.

Handballschiedsrichter schaut in Turnhalle auf einen Laptop mit Spieldaten
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Besprechung mit den Zeitnehmerinnen beim D-Jugendspiel zwischen Gerolzhofen und Bergrheinfeld

Nachwuchsförderung vom Verband angepasst

An der Halle in Gerolzhofen wartet schon Klaus Olszowi, der Schiedsrichterbetreuer von Marino Zimmermann. Jeder Jungschiedsrichter bekommt vom BHV einen Erfahrenen an die Seite gestellt. Es ist eine Maßnahme der neuen Nachwuchsförderung. Der Deutsche Handballbund hat Mitte 2020 eine neue Schiedsrichter-Grundausbildung inszeniert, nachdem die Schiedsrichterzahlen immer weiter zurückgegangen sind: Durch eine Mischung aus gestaffelten Online- und Präsenzkursen mit gefilmten Anschauungsbeispielen soll die Ausbildung flexibler und moderner gestaltet werden.

Klaus Olszowi geht mit Marino vor dem Spiel noch einmal den Ablauf durch: technische Besprechung mit den Mannschaftsverantwortlichen, Feldbegehung mit Überprüfung der Tornetze und Rücksprache mit dem sogenannten Kampfgericht, also die beiden Personen, die die Anzeigetafel für die Halle bedienen und den Spielverlauf in Echtzeit in das Onlinesystem des BHV übertragen. Alle Beteiligten könnten die Eltern von Marino sein – Scheu zeigt das Nachwuchstalent keine. Er hält sich an das vorgegebene Ablaufprotokoll. Punkt 16:30 Uhr – Marino pfeift sein erstes Spiel als offizieller Schiedsrichter an.

Schiedsrichtermangel in Bayern

Auch wenn das Spiel für Laien unstrukturiert und hektisch wirken mag – Marino löst sein Versprechen ein und bleibt gelassen. Unaufgeregt begleitet er die beiden Jugendmannschaften durch die Partie. Auf der Zuschauertribüne ruft jemand etwas in Richtung Schiedsrichter. In jedem anderen Spiel ein Vorfall, der zig Mal vorkommt – an diesem Samstag aber sucht Wolfgang Benzinger direkt das aufklärende Gespräch. Benzinger ist seit 50 Jahren Schiedsrichter und Bezirksschiedsrichterwart im Bezirk Unterfranken. Er hält große Stücke auf Marino und hofft, dass er lange dabeibleibt.

Zusammen mit Marino haben 40 Teilnehmer den Schiedsrichterschein gemacht. In Unterfranken gibt es aktuell keinen Schiedsrichtermangel, was aber auch an den zurückgehenden Mannschaftszahlen liegt. Seit es außerdem individuelle Betreuer, wie in Marinos Fall Klaus Olszowi vom TV Dettelbach gibt, brechen deutlich weniger Nachwuchsschiedsrichter in Unterfranken ihre noch junge Karriere ab, so Benzinger. In Bayern sehe es nicht so gut aus, da hoffe man jetzt auf den Effekt der neuen Schiedsrichtergrundausbildung.

Geldstrafen und Punktabzug – Verband appelliert an Vereine

Der akute Mangel hat dazu geführt, dass Bayern im Sommer 2023 das hessische Strafsystem übernommen hat. Grundlage ist eine Soll-Ist-Quote: Jeder Verein verursacht eine Anzahl an Spielen. Gleichzeitig muss jeder Verein eigene Schiedsrichter stellen, die im Verhältnis zu den verursachten Spielen auch eine gewissen Anzahl an Partien pfeifen müssen. Erfüllt ein Verein in drei aufeinanderfolgenden Jahren sein Schiedsrichter-Soll nicht, gibt es neben einer Geldstrafe (15 Euro pro nicht gepfiffenes Spiel im ersten Jahr, 25 Euro im zweiten Jahr, 50 Euro im dritten Jahr) auch Punktabzug für die hochklassigste Mannschaft im Erwachsenenbereich des Vereins.

In Hessen hat dieses extreme Vorgehen schon positive Wirkung gezeigt. Wolfgang Benzinger findet es traurig, dass derart harte Maßnahmen ergriffen werden, aber scheinbar gehe es nicht anders. Er appelliert an die Vereine, mehr Mitglieder für den Schiedsrichterjob zu begeistern. Ein Pilotprojekt "Kinderspielleiter" in Unterfranken soll dabei unterstützen. Kinder sollen ohne Schein "ersteinmal nur pfeifen, Richtung anzeigen und Entscheidungen treffen", so Benzinger. Damit soll Interesse für eine spätere Schiedsrichterausbildung geweckt werden. Und für den Nachwuchs sei der Schiri-Job ohnehin auch ein netter Nebenverdienst: Pro Spiel gibt es nicht ganz 25 Euro. Von Marino Zimmermanns Leistung beim Debut ist er begeistert: "Sehr souverän, sehr überzeugend. Das ist sensationell und wir können nur hoffen, dass er lange dabeibleibt."

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Nachwuchsschiedsrichter Marino Zimmermann in Aktion

Gelungener Start der Schiedsrichterkarriere von Marino Zimmermann

Nach 50 Minuten dröhnt die Sirene der Anzeigetafel durch die Halle. War es eine gelungene Premiere von Marino Zimmermann? Auch Betreuer Klaus Olszowi ist sehr zufrieden mit seinem Schützling. Sehr kommunikativ und unaufgeregt habe er Marino erlebt. Der Debütant selbst tritt unmittelbar nach dem Schlusspfiff – wie sollte es auch anders sein – abgeklärt und auch etwas selbstkritisch vor die Kamera. "Ich bin zufrieden. Ein, zwei Entscheidungen bespreche ich jetzt noch mit Klaus, aber sonst würde ich sagen, war es ganz gut." Es war das erste Spiel von vielen, die Marino Zimmermann vom TV Dettelbach noch leiten wird. Vielleicht nicht immer zur Freude aller Spieler und Zuschauer, aber sicher zur Freude des BHV und seines Vereins.

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