Bauprojekte geraten immer wieder in die Schlagzeilen, weil Planung und Kostenberechnungen nicht eingehalten werden. Warum das so ist, damit beschäftigen sich neben Bauherren auch der Bund der Steuerzahler Deutschland sowie das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr.
Baustelle trotz Neueröffnung im Mainfranken Theater
Ein Fall ist das Mainfranken Theater in Würzburg, das eigentlich schon längst saniert sein sollte. Die Eröffnung war für 2022 geplant. Die Bauarbeiten der Würzburger Kulturstätte werden auch 2024 weitergehen. 103 statt der veranschlagten 70,6 Millionen Euro hat der Neubau bereits verschlungen, Tendenz steigend. Wann die Sanierung komplett abgeschlossen sein wird und wie hoch die Gesamtkosten ausfallen werden, dazu wollte Geschäftsführer Dirk Terwey keine Angaben machen.
Vergangenen Samstag eröffnete das Würzburger Mainfranken Theater mit dem sogenannten "Kleinen Haus" immerhin schon einen Teil seines Neubaus. Ab sofort steht es für den Publikumsverkehr wieder zur Verfügung. Das neue Theater-Restaurant im Erdgeschoss soll darüber hinaus auch abseits der Vorstellungszeiten Kundschaft anziehen.
Unvorhersehbare Kosten durch Corona und Architekten-Insolvenz
"Wir verbuddeln ja nicht einfach die Millionen aus Schlechtigkeit oder aus bösem Willen", betont Dirk Terwey, Geschäftsführer des Mainfranken Theaters, und nahm damit auch Bezug auf die Bauprojekte des Augsburger Staatstheaters und des Coburger Landestheaters.
Planmäßig verliefen die Sanierungsarbeiten in Würzburg nicht. Neben der Corona-Pandemie, die das Bauvorhaben ausbremste, meldete das beauftragte Architekturbüro im Frühjahr 2022 Insolvenz an. Jetzt ist das Schweinfurter Architekturbüro FMP Design Engineering GmbH für den Bau und die Sanierung des Mainfranken Theaters verantwortlich. In der Konsequenz verursachten beide Ereignisse Bauverzögerungen und damit massive Mehrkosten.
Auch personelle Folgen hat die Bauzeitverlängerung verursacht. So beklagt Intendant Markus Trabusch einen Abgang von Schauspielern und Tänzern während der Arbeiten am Neubau: "Wenn Sie immer wieder vor den Sommerferien erzählen, dass man im Herbst eröffnet, das glauben die Menschen dann irgendwann nicht mehr."
Würzburger Kulturreferent sieht Kostensteigerung kritisch
Achim Könnecke, der Leiter des Würzburger Referats für Kultur und Tourismus, sieht die Bauhistorie des Mainfranken Theaters kritisch: "Die Kostenentwicklung der vergangenen fünf Jahre ist erschreckend", sagte er zu BR24. "Es tröstet auch nur wenig, dass sie vergleichbar ist mit ähnlichen Entwicklungen bei vielen anderen Theatersanierungen. Alle leiden unter extremen Baukostensteigerungen, wie Deutschland sie durch die Covid-Pandemie und den Krieg gegen die Ukraine ewig nicht gekannt hat", so Könnecke weiter. Er hofft aber, "dass die Preisentwicklung parallel zur allgemeinen Inflation wieder zur Ruhe kommt".
Gleichzeitig lobt Könnecke die Bedeutung des Mainfranken Theaters als "größte Kultureinrichtung in der ganzen Region mit einer großen Tradition" – und er lobt auch die Weiterentwicklung durch die Bauarbeiten. "Das neue Theater verspricht schon durch seine beeindruckende Glasfassade, durch die man nicht nur ins Foyer, sondern auch in den Tanz-Probensaal schauen kann, eine neue Offenheit", so der Kulturreferent. Er wünscht sich ein Haus, das sich "intensiv mit unserem kulturellem Erbe, aber auch mit unserer immer diverseren Stadtgesellschaft und Region auseinandersetzt" und das ein Ort der Begegnung ist. Könnecke ist zuversichtlich, "dass nachfolgende Generationen dankbar sein werden".
Bauministerium: Mehrkosten nicht die Regel, aber auch nicht ungewöhnlich
Bauprojekte wie das Mainfranken Theater in Würzburg, die das veranschlagte Budget überschreiten, sind dem Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr nicht fremd. Auf BR24-Anfrage teilte das Ministerium jedoch mit: "Die überwiegende Zahl der Bauprojekte des Freistaats Bayern werden sowohl im Kosten- als auch im Zeitrahmen durchgeführt."
Das Ministerium erklärte außerdem, dass es aufgrund einer Vielzahl von Ursachen immer wieder zu Preissteigerungen kommen könne, "die auch nicht immer direkt mit dem jeweiligen Projekt zusammenhängen". Gemeint seien beispielsweise Fachkräftemangel, die Krise der Baubranche oder Lieferschwierigkeiten.
Theater in Augsburg und Coburg im Schwarzbuch
Dem Bund der Steuerzahler Deutschland stoßen Mehrkosten im Millionenbereich bei öffentlich finanzierten Projekten sauer auf. Gesammelt sind die größten Millionengräber im sogenannten Schwarzbuch. In die aktuelle Ausgabe haben es mit dem Coburger Landestheater und dem Augsburger Staatstheater zwei prominente Millionengräber aus Bayern geschafft.
2016 noch auf 59 Millionen geschätzt, liegen die aktuellen Kosten in Coburg bei 360 Millionen Euro. Das Augsburger Staatstheater rechnet statt den veranschlagten 186 Millionen derzeit mit 340 Millionen Euro an Sanierungskosten.
Deutliche Kritik vom Bund der Steuerzahler
Solche Preisexplosionen werfen beim Bund der Steuerzahler immer wieder Fragen auf. Maria Ritch vom Landesverband Bayern vermutet hinter finanziellen Fehlplanungen: Es sei einfacher, das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auszugeben, als das eigene. Sie nennt dieses vermeintliche Phänomen die "Es-ist-ja-nicht-mein-Geld-Mentalität".
Weitere Kostensteigerungen in Würzburg zu erwarten
Das Mainfranken Theater Würzburg ist derzeit nicht Teil des Schwarzbuchs. Schätzungen zufolge werden die Bauarbeiten noch bis mindestens 2026 andauern. Das derzeitige Budget von 103 Millionen Euro ist bei einer Bauverlängerung über mehrere Jahre aber wohl nicht einzuhalten.
Auch der Würzburger Kulturreferent Achim Könnecke rechnet mit einer weiteren Steigerung. Das neue Architektur-Büro würde aktuell "neue Zeit- und Kostenpläne für die Sanierung des Großen Hauses" errechnen. "Klar ist: Es wird länger dauern und mehr kosten als bisher geplant. Alles weitere wäre jetzt aber reine Spekulation. Wir setzen auf eine solide Planung mit verlässlichen Zahlen", so Könnecke zu BR24.
Bauministerium: Mehrkosten bei Projekten möglichst gering halten
Das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr nannte auf BR24-Anfrage den "in geeigneten Fällen praktizierten Einsatz alternativer Realisierungsmodelle" als mögliche Strategie, um Mehrkosten möglichst gering zu halten. Zudem seien bei Bauprojekten "immer eine Risikovorsorge und Preissteigerungsindex enthalten", die zum Inflationsausgleich dienen sollen.
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