Die Kontaktdaten der Bayerischen Anlaufstelle sind auf der Website "Bayern gegen Gewalt" (externer Link) zu finden – dazu jede Menge Links zu weiteren Websites. Bereits hier setzt die Kritik von Richard Kick an, Sprecher des Betroffenenbeirats im Erzbistum München und Freising.
Kritik aus der Sicht der Betroffenen
Denn Betroffene würden hier allen Mut zusammennehmen, anrufen und dann nur wieder mit einer weiteren Telefonnummer abgespeist werden. "Dann geht niemand ans Telefon, es wird auf Geschäftszeiten verwiesen, und so weiter, und so weiter, und spätestens da hat sie der Mut wieder verlassen, und sie sind wieder in der Versenkung verschwunden."
259 Menschen haben in den vergangenen zwölf Monaten bei der Lotsenstelle angerufen, also im Schnitt ein Anruf pro Werktag. Ein Drittel waren direkt Betroffene, zwei Drittel Familienangehörige, Fachberatungsstellen und beispielsweise Betroffene anderer Taten. Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) ist zufrieden: "Die Rückmeldungen, die ich persönlich bekomme und auch die Anlaufstelle, sind, dass sie froh sind, dass es eine Stelle gibt, bei der man ganz unkompliziert anrufen kann, den Vorgang schildern kann, die Betroffenheit schildern kann und dann die entsprechende Hilfeleistung bekommt."
Juristen fordern Aufarbeitungsgesetz auf Landesebene
Richard Kick, im Kindesalter von einem Kaplan jahrelang missbraucht, hatte die Lotsenstelle stets von der Staatsregierung gefordert. Aber seitdem sei nichts weiter passiert, sagt der Vertreter der Betroffenen. Das Wichtigste sei aber, dass man den Betroffenen zuhöre und ihre Expertise nutze, "um zu justieren. Das, was schon da ist, und Neues zu schaffen, was unbedingt und zwingend erforderlich ist." Solche Stellen gebe es noch nicht im Sozialministerium, moniert Kick.
Betroffene fordern, dass alle Hilfe im Sozialministerium gebündelt wird. Unterstützung bekommen sie dabei inzwischen auch von Juristen. Susanne Nothafft von der Katholischen Stiftungshochschule München hält die Website der Lotsenstelle ebenfalls für nicht zielführend und plädiert für ein eigenes Gesetz. "Wenn Sie auf die Seite gehen, landen Sie bei allen möglichen Beratungsstellen, die in ihrem Feld gut sind und fachlich sprachfähig, aber in der Regel nicht für jetzt Erwachsene, die Gewalterfahrungen in institutionellen Strukturen als Kinder oder Jugendliche erlebt haben. Ich glaube, wir kommen ohne ein Landesaufarbeitungsgesetz an der Stelle nicht weiter."
Nothafft verweist auf nicht weniger als das Völkerrecht als juristische Grundlage. Die Sozialministerin wehrt ab: "Entscheidend ist, dass die jeweiligen betroffenen Institutionen wie beispielsweise Kirchen oder auch Sport selbst ihre Aufarbeitung betreiben. Es kann nicht staatliche Aufgabe sein, aber das, was wir tun können, machen wir im Sinne der Unterstützung und der Hilfeleistung." Richard Kick aber will weiterkämpfen für mehr staatliches Engagement.
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