Menschen, die unheilbar krank sind, die wissen, dass sie vielleicht nur noch einige Monate oder Wochen zu leben haben: Ihnen will der Arbeiter-Samariter-Bund einen letzten Wunsch erfüllen. Mit einem für Krankentransporte ausgestatteten Fahrzeug bringen ehrenamtliche Mitarbeiter sie an Orte, die die todkranken Menschen ohne fremde Hilfe nicht mehr erreichen könnten. Auch der an Krebs erkrankten Siglinde Lindauer wurde dieses Geschenk gemacht.
Außergewöhnlicher Tag für Hospiz-Bewohnerin
Siglinde Lindauer lebt seit zwei Monaten im Hospiz in schwäbischen Illertissen. Sie ist unheilbar krank. Ihr Wunsch: mit ihrer Freundin ein letztes Mal nach Füssen ins Festspielhaus. Um gemeinsam das zu erleben, was sich die zwei Frauen schon lange vorgenommen hatten, was ihre Krankheit aber nicht mehr erlaubt hatte. Dass der Musicalbesuch jetzt doch noch zu Stande kommt, darauf freue sie sich am allermeisten, sagt Siglinde Lindauer kurz vor der Fahrt.
Morphium unterdrückt die Schmerzen
Die 68-Jährige hat Bauspeicheldrüsenkrebs. Ihre Schmerzen kann sie nur noch mit Morphium aushalten, das sie auch bei dieser Reise bekommt. Die Fahrt verbringt Siglinde Lindauer im Liegen, um möglichst viel Kraft für den Tag zu tanken. Das ehrenamtliche Team des Arbeiter-Samariter-Bundes begleitet sie.
Großer Tag mit dem Wünschewagen in Füssen
Nach gut eineinhalb Stunden kommt der Wünschewagen in Füssen an. Im Gepäck sind Medikamente, um im Notfall handeln zu können. Doch alle hoffen, dass sie bei diesem Besuch im Musical nicht gebraucht werden – an dem vielleicht letzten großen Tag im Leben von Siglinde Lindauer, der für sie "einfach ein Highlight" ist. "Ich bin total geflasht," sagt sie in Füssen. Kurz nachdem Lindauer und ihre beste Freundin im Saal Platz genommen haben, geht es auch schon los – das Musical "Die Schöne und das Biest". Noch einmal raus und das Leben spüren, das ist das, was Lindauer wollte. Ihre Augen leuchten.
Kleiner Empfang nach dem Musical
Nach gut zwei Stunden endet das Musical und es folgt noch eine Überraschung für Siglinde Lindauer. Am Ausgang des Saals warten Darsteller, um sie zu empfangen. "Also eigentlich kann ich gar nichts mehr sagen. Wahnsinn, dass man sowas noch erleben darf. Der Traum, der geplatzt ist, als ich krank geworden bin und dass ich ihn noch voll erleben darf irgendwie. Ich muss morgen nachfragen, ob ich wirklich weg war heute" sagt Lindauer.
Wünschewagen lässt noch einmal lachen
Doch zweifeln wird sie nicht müssen an ihrem Besuch: Die Fotos, die während des Tages entstanden sind, werden auf der Rückfahrt ausgedruckt und landen in einem kleinen, persönlichen Album – als Erinnerung an das Erlebnis mit dem Wünschewagen. Zurück in Illertissen schaut Lindauer die Fotos mit ihrer Freundin an und sagt: "Vor allem bin ich von mir selber überwältigt, wie ich lachen kann."
Mehr als 180 Fahrten in vier Jahren
Der Wünschewagen Allgäu/Schwaben erfüllt seit November 2018 letzte Herzenswünsche. 183 Wünsche konnten die Ehrenamtlichen seitdem erfüllen, sagt Sonja Hujo vom Team des Wünschewagens. Bei fast genauso vielen Wunschanfragen habe es nicht geklappt – weil der Fahrgast vorher verstorben sei, oder weil sich der Zustand derart verschlechtert habe, dass die Fahrt nicht mehr möglich war. Kontaktdaten für Fragen und auch ein Online-Formular für Wünsche-Anfragen gibt auf der Website wuenschewagen.de. Auch für Oberbayern und für Franken und die Oberpfalz betreibt der Arbeiter-Samariter-Bund einen Wünschewagen.
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