Wer schon mal im Münchner Bahnhofsviertel unterwegs war, weiß um die Enge, die in so gut wie allen Straßen herrscht: Entnervte Autofahrer stehen im Dauerstau, Fahrradfahrer schlängeln sich zwischen den PKWs hindurch, E-Roller zischen über den Bürgersteig und Fußgänger drängen sich an den Tischen und Stühlen der Cafés vorbei.
Freiräume, wo normalerweise Autos parken
Genau hier hat es sich die Initiative "Freiraum-Viertel" zur Aufgabe gemacht, den begrenzten Raum neu zu verteilen – weniger Platz für die Autos soll es geben, und dafür mehr für Fahrradfahrer, Fußgänger und Anwohner. Das Mittel der Wahl für dieses Vorhaben: Parklets. Das sind kleine Podeste aus Holz, die die Gruppe am Straßenrand aufbaut – dort, wo normalerweise Autos parken.
Es gebe verschiedene Typen von Parklets, erklärt Thomas Wiest, einer der Mitorganisatoren des Freiraum-Viertels. "Wir haben Event-Parklets, Mobilitätsparklets, auf denen Leute ihre Fahrräder abstellen können, und auch kleinere Informationsstände, wo wir die Menschen für das Thema Stadtentwicklung sensibilisieren wollen", sagt er. Hinzukommen Parklets mit Sitzgelegenheiten und Hochbeeten mit frischen Kräutern, Blumen und Bäumchen.
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Platz zum Mittagessen, Kaffeetrinken oder Backgammon-Spielen
Das Projekt "Freiraum-Viertel" entstand 2019, seit 2021 sind die Freiwilligen im Münchner Bahnhofsviertel tätig. Das Klimaschutzreferat, das Mobilitätsreferat und der Bezirksausschuss II der Stadt München unterstützen die Initiative finanziell. Damit die Freiwilligen sich besser organisieren können, haben sie sich mittlerweile zu einer gemeinnützigen Unternehmergesellschaft (gUG) zusammengeschlossen.
Parklets belegen knappen Parkraum
Wer an einem sonnigen Tag durch die Landwehrstraße spaziert, der sieht Menschen auf den Parklets sitzen, Kaffee trinken, zu Mittag essen oder Backgammon spielen. Aber nicht alle sind restlos überzeugt von dem Konzept: "Es stehen zu viele Parklets in der Straße", sagt etwa Shammo Khushdebi, Mitarbeiter eines Kiosks in der Landwehrstraße. Obwohl er die Sitzgelegenheiten gerne nutzt, um zu Mittag zu essen, findet er: Sie nähmen ohnehin schon knappe Parkplätze weg und stellten ein Problem für den Lieferverkehr dar.
"Sicherlich ist bei uns auch nicht alles Einhorn und Regenbogen", gibt auch Christian Wiest vom Freiraum-Viertel zu. Während sie die Parklets aufbauten, seien auch mal Passanten vorbeigekommen, die mit Unverständnis auf die Arbeit der Freiwilligen reagiert hätten, erinnert er sich. Ein Problem sei auch der Müll, der manchmal auf den Parklets zurückbleibe, erzählt Mitstreiter Georg Leipold. "Aber wir haben in diesem Jahr Mülltonnen aufgestellt, um dem zu begegnen", sagt er.
"Mit Geschäftstreibenden und Anwohnenden gesprochen"
Überhaupt stellt sich die Frage, ob das Bahnhofsviertel mit seiner ganz eigenen Dynamik und Kultur der richtige Ort für so ein Projekt ist. Hätte es nicht auch das Glockenbach-Viertel oder die Maxvorstadt sein können? Den Vorwurf, man würde ein Konzept einfach über ein Stadtviertel darüberstülpen, will Mitinitiator Georg Leipold aber nicht gelten lassen: "Wir haben mit Geschäftstreibenden und Anwohnenden gesprochen", sagt Leipold. Das Konzept sei gemeinsam mit der Community vor Ort entstanden. "Das ist nicht allein auf unserem Mist gewachsen."
- Zum Artikel: "Noch in diesem Jahr: Münchner Tal wird zur Fußgängerzone"
Auch eine Lösung für andere Stadtviertel?
Und wenn die Freiwilligen beobachten, wie die Anwohner auf die neu geschaffenen Freiraum-Flächen reagieren, ist das Bestätigung genug. "Es ist einfach cool zu sehen, wie sich die Leute die Parklets aneignen", sagt Georg Leipold. Seine langfristige Vision: die Landwehrstraße mit ihren Parklets irgendwann in die Hände der Stadt zu geben und dieselbe Idee auch in andere Münchner Viertel weiterzutragen.