Das virtuelle Münchner Olympiastadion ist so detailliert dargestellt, dass jedes einzelne Kabel erkennbar ist. Und die Lastfahrzeuge des Abfallwirtschaftsamtes rücken nur dann aus, wenn die mit Sensoren versehenen Altkleider-Container auch wirklich voll sind. Das sind nur zwei Beispiele für den sogenannten "Digitalen Zwilling" der bayerischen Landeshauptstadt.
Die riesigen Datensätze werden mit Drohnen, Sensoren, Augmented oder Virtual Reality erhoben, berechnet, verarbeitet und gespeichert. Auch damit will München bis 2030 klimaneutral werden. Die neuesten Projekte des "Digitalen Zwillings" wurden am Freitag präsentiert.
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Mit einer Spezial-Drohne jedes Kabel im Olympiastadion erkennen
Erste Etage im Kreativquartier in München. Florian Bernhard vom Münchner Kommunalreferat zeigt an einem großen Bildschirm Drohnenbilder vom Olympiastadion. Die Spezial-Drohne, eine "Topcon Falcon 8+", hat er mit seinen Kollegen daneben aufgebaut.
Zu sehen sind auf dem Bildschirm virtuelle Bilder aus dem Stadion, die immer detaillierter werden, je näher die Kamera heranfliegt. Das Besondere daran: Im Gegensatz zu herkömmlichen Drohnen-Bildern von oben gibt es mit dem Spezialgerät auch Einblicke unter das Zeltdach. Die Kamera flitzt direkt zwischen den Stuhlreihen umher. Mit diesen Detailinformationen kann jedes Kabel erkannt werden, was beispielsweise auch wichtig bei der Planung von Großereignissen sein kann. Es ist also ein detailgenaues, virtuelles Abbild eines besonderen Münchner Ortes – ein sogenannter "Digitaler Zwilling" des Olympiastadions.
Die Daten dienen als Ergänzung zu den turnusmäßigen stadtweiten Befliegungen. Auch andere Orte und Objekte der Landeshauptstadt werden in die Datengrundlage integriert. Das Olympiastadion war durch die besondere Architektur jedoch besonders komplex. Rund einen Monat hat die virtuelle Darstellung gedauert, erklärt Kommunalreferentin Kristina Frank. Eineinhalb Wochen davon hat alleine der Computer gebraucht, um den riesigen Datensatz auszuwerten und zu berechnen.
"Also es ist doch ein relativ aufwändiges Vorhaben, aber das Olympiastadion ist auch schon mit das Komplizierteste gewesen, was die Stadt zu bieten hat." Kristina Frank, Kommunalreferentin der Stadt München
Smarte Altkleider-Sammlung: Lkw rücken nur aus, wenn Container voll sind
Ein paar Meter weiter stellt ein weiterer Mitarbeiter des Kommunalreferats, Jonas Weiher, ein anderes Projekt des "Digitalen Zwillings" vor: smarte Altkleider-Container.
Damit die Stadt München in spätestens acht Jahren klimaneutral wird, sollen auch die Lkw-Fahrten im Stadtgebiet reduziert werden. In einem Pilotprojekt wurden deshalb Altkleider-Container mit einem elektrischen Füllstands-Anzeiger ausgestattet. Die Sensoren übertragen die Informationen an eine Datenplattform. Auf Grundlage dieser Angaben wird dann die Route zur Entleerung der Container geplant. Die Lkw fahren die Sammelplätze also nur an, wenn die Container wirklich voll sind.
Bei einer regulären Freitagstour mussten bisher zur Entleerung aller Container in München zwei Lkw starten, erklärt Weiher. Dank der Sensoren in den Containern und einer entsprechenden Priorisierung fährt jetzt nur noch ein Fahrzeug und legt obendrein deutlich weniger Kilometer zurück. Somit könne langfristig auch Personal und Arbeitszeit eingespart werden.
Die Sensoren in den Altkleider-Containern sind dabei nur ein Pilotbeispiel. Interessant werde es erst, ergänzt Kommunalreferentin Kristina Frank, wenn damit vielleicht bald herkömmliche Haushaltsmülltonnen ausgestattet werden können. Da wäre die Zeitersparnis sogar noch größer, da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Entleerung der Haushaltsmülltonen aussteigen müssen. Die Lkw würden dann künftig also nur anfahren, wenn die Tonnen mindestens halbvoll sind.
Bilder: Übersicht der regulären Freitagsrunde bei der Altkleider-Entleerung (1. Bild) vs. Übersicht der smarten Runde mit digitalen Füllstands-Sensoren (2. Bild)
Mit "Virtual Reality" Planungsszenarien realistisch erlebbar machen
Die verschiedenen Daten des "Digitalen Zwillings" helfen nicht nur, die Umwelt zu schonen oder wichtige Gebäude und Orte der Stadt virtuell abzubilden. Sie machen es auch möglich, Planungsszenarien möglichst realistisch darzustellen. Diese können auch mit Hilfe von Virtual Reality erstellt und aktuellen Situationen gegenübergestellt werden. Das Kommunalreferat verspricht sich davon, dass Bürgerinnen und Bürger damit besser in die Entscheidungen der Stadtverwaltung eingebunden werden können.
Beim Münchner Radentscheid wurde dieses Vorgehen einer 3D-Visualierung schon einmal ausprobiert. Die Stadt München hat sich damit für den Fahrradpreis 2022 beworben und unter 128 eingereichten Bewerbungen den 2. Platz belegt. Ausgezeichnet wurde konkret eine Infoveranstaltung zur Wegeführung in der Boschetsrieder Straße. Die Straßenszene wurde erstmals mit 3D-Visualisierungen auf Basis des "Digitalen Zwillings" erstellt. Neben situativen Grafiken kamen auch drohnenähnliche Überflug-Szenarien zum Einsatz (siehe folgendes Video).
Digitale Stadtplanung: Markante Gebäude, graue Klötzchen - und ganz viele Bäume
Voraussetzung für 3D-Visualisierungen dieser Art ist eine umfassende Datengrundlage. Dann erst wird entschieden, was dargestellt wird und mit welcher Genauigkeit. Zum Beispiel, ob die Gebäude eher realistisch oder als graue Klötzchen erscheinen sollen. In der Verkehrsplanung wird meist mit dezenten Grafikelementen gearbeitet, damit sie nicht vom eigentlichen Hauptthema ablenken – im unten angefügten Beispiel die Neugestaltung der Boschetsrieder Straße. Ausnahmen sind markante Gebäude, die gute Orientierungspunkte darstellen sollen oder für die Diskussion hilfreich sind. Im Beispielbild unten gilt das für die Grundschule direkt an der Straße.
Verkehrsschilder wurden in dem Fall nicht mit aufgenommen, da sie beim Betrachten mit einer VR-Brille eher ablenken, erklärt das Kommunalreferat. Die Bäume wiederum sollten realistisch sein. Denn die Botschaft, dass neben der Umgestaltung des Straßenraums auch Neupflanzungen stattfinden, seien den Bürgerinnen und Bürgern besonders wichtig.
Daten des "Digitalen Zwillings" in vielen Bereichen einsetzbar
"Der Digitale Zwilling ist Herz und Hirn der Smart City München", sagt Kommunalreferentin Kristina Frank bei der Präsentation der virtuellen Projekte. Das Besondere an der umfangreichen und vielseitigen Datengrundlage sei auch, dass diese "Was-wäre-wenn-Szenarien" auf Basis des "Digitalen Zwillings" in vielen Bereichen der Stadtverwaltung einsetzbar seien: bei der Stadtplanung, bei Mobilitätskonzepten, auf Münchens Weg zur geplanten Klimaneutralität 2030 oder bei der Planung von Großveranstaltungen.
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