Manhattan auf der Theresienwiese.
Bildrechte: © Mathieu Wellner.
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Manhattan auf der Theresienwiese.

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München wie Manhattan? – Gedankenexperiment zur Wohnzukunft

München wie Manhattan? – Gedankenexperiment zur Wohnzukunft

München wird bis 2035 noch einmal um 300.000 Einwohner wachsen und München bekommt mehr Hochhäuser. Darin waren sich beim BR-Studiogespräch die Münchner Stadtbaurätin Elisabeth Merk und der Architekturtheoretiker Mathieu Wellner einig.

Von
Anton Rauch
Kristina Thiele
Anja Wolf

Freie Flächen bebauen. München macht das seit Jahrzehnten – so entstanden das Hasenbergl und Neuperlach, die Messestadt und jetzt Freiham. Außerdem wird nachverdichtet. Im BR-Studio Oberbayern gab es ein spannendes Gedankenexperiment: Was wäre, wenn man die Theresienwiese bebaut, also die Festwiese fürs Oktoberfest. Den größten Teil des Jahres steht dieses städtische Grundstück nämlich leer.

Wohnblocks unter der Bavaria - Gedankenexperiment

Die Dichte von Schwabing oder eher von Manhattan unterhalb der Bavaria: Der Architekturtheoretiker Mathieu Wellner hat das durchgespielt. Auch wenn er betont, das sei natürlich eine Schnapsidee, Gedankenexperimente müssten aber erlaubt sein – er will damit vor allem eine Diskussion anstoßen. Dabei geht es aus Wellners Sicht nicht nur ums Wohnen:

"Stellen Sie sich vor, wenn alle Neubaugebiete nur Wohnraum wären, dann hätten wir sowohl in Freiham oder Daglfing oder auch an anderen Stellen, die bebaut werden könnten, reine Wohnstädte, reine Schlafstädte, und die Mobilitätsprobleme wären noch schlimmer, als sie jetzt schon ist. Aber ich will in keiner Wohnstadt leben. Ich will in der Stadt leben.." Matthieu Wellner

Wellners Lösung: eine Art Schwabing für die Theresienwiese – mit vierstöckigen massiven Gebäuden und hoher Dichte. Nach Ansicht der Münchner Stadtbaurätin Beate Merk würde das aber gar nicht reichen. Wenn sie das Gedankenexperiment mitmacht, kommt sie aber zu einem anderen Schluss: für sie käme nur eine Art genossenschaftliches Manhattan in Frage. Allerdings betont sie: München braucht Freiflächen wie die Theresienwiese, den Englischen Garten, Sportflächen oder den Grüngürtel.

Dreiviertel der Einwohner Münchens wohnen zur Miete

Die Rekordmieten und die Steigerungen machen das Wohnen in München für viele langsam unbezahlbar. Die Stadt versucht, mit verschiedenen Maßnahmen gegenzusteuern, so Elisabeth Merk:

"Beispielsweise die sozialgerechte Bodennutzung ermöglicht uns ja, dass wir 30 Prozent geförderten Wohnungsbau plus zehn Prozent gedämpften Mietwohnungsbau generieren. Das sind immerhin 40 Prozent, wenn ein Privater auf seinen eigenen Flächen etwas entwickelt. Wenn die Stadt das selber tut, wie jetzt bei den Kasernenflächen oder anderen Liegenschaften, die der Stadt gehören, haben wir 50 Prozent dieses München-Modells plus dann einen konzeptionellen Mietwohnungsbau und davon dann wieder Teilmengen bis zu 40 Prozent für den genossenschaftlichen Wohnungsbau.“ Elisabeth Merk

Münchner Versäumnisse der Vergangenheit

Architekturkritiker Mathieu Wellner ist das alles viel zu wenig. Er kritisiert Fehler der Vergangenheit: So habe München anders als Wien früher nur wenige Wohnungen auf eigenem Grund gebaut und Chancen ausgelassen, wie zum Beispiel, als die Wohnungen der Neuen Heimat verkauft wurden. Er sieht weitere Versäumnisse in der jüngeren Vergangenheit: Zum Beispiel hätte man auf den Neubaugebieten entlang der Bahngleise vom Hauptbahnhof bis Pasing oder auch in der Messestadt Riem wesentlich großstädtischer bauen können.

Stadtbaurätin Elisabeth Merk setzt dem entgegen: Es bewegt sich doch etwas. Auch an Orten, wo lange Wohnungen undenkbar waren, entsteht jetzt Neues: Über Supermarktparkplätzen oder sogar Straßen. Elisabeth Merk berichtet, früher sei sie für solche Ideen noch ausgelacht worden.

„Heute kommt keiner mehr, ohne zu sagen: Frau Merk. da machen wir ein schönes Projekt und packen Wohnungen drauf.“

300.000 Zusätzliche Einwohner in den nächsten 15 Jahren erwartet

Ohne neue Wohngebiete wird es nicht gehen. Vor allem am nördlichen Stadtrand sollen neue Stadtteile entstehen. Allein im Nordosten geht es um Wohnraum für 10.000 bis 30.000 Menschen. Hier plant die Stadt eine sogenannte städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM)

Diese SEM ist aber nicht leicht vermittelbar, weil mit ihr die Grundstückspreise eingefroren werden und es theoretisch ja sogar die Option gibt, dass die Stadt Grundstücke enteignet und Eigentümer entschädigt. Laut Stadt hofft man aber auf einvernehmliche Lösungen.

Ein anderes umstrittenes Stichwort lautet Nachverdichtung. Also in bestehenden Vierteln Gebäude hinzufügen.

Da könnte noch was gehen, auch in Vierteln wie Neuperlach oder der noch recht neuen Messestadt Riem, sagt die Stadtbaurätin. Sie kündigt auch an, dass in den Vierteln, die noch kommen sollen, „viel kompakter gebaut werden muss.“

Wolkenkratzer auf die Achse Richtung Messe und Richtung Garching?

"Ich rede mich jetzt um Kopf und Kragen! Ich sag mal, die Achse nach Riem ist für mich eine hochspannende - also vom Vogelweide-Platz, wo die Hochhäuser gerade gebaut werden, Süddeutscher Verlag, bis zur Messestadt. Da ist, finde ich, Luft nach oben und das sind auch spannende Räume, die man umstrukturieren kann.Die zweite Achse, die ich hochspannend betrachte, ist die Achse nach Garching. Da haben wir schon eine U-Bahn. Und der Frankfurter Ring, wo wir gerade eine Seilbahn projektieren: Was wird das heißen für eine weitere Entwicklung der Stadt? Und dann denke ich, müssen wir manche Bereiche im Grüngürtel und in den Isarauen und in diesen grünen Korridoren auch aktiv verteidigen und sagen, da wird jetzt mal nichts gebaut, weil wir brauchen auch diese Entlastungsräume.“

Die Zukunft im Münchner Stadtbild sieht also deutlich anders aus als heute. Bisher sind Hochhäuser eher die Ausnahme.

Seit dem Bürgerentscheid vor 15 Jahren wird innerhalb des Mittleren Rings kein Haus gebaut, das höher ist als die Türme der Frauenkirche. Das wird sich wohl ändern.