Eine Woche nach einer angezeigten Vergewaltigung am Tag in einem Regensburger Park in der Nähe des Hauptbahnhofs gibt es noch keine neuen Erkenntnisse zum Tathergang oder den beiden mutmaßlichen Tätern. Die Kriminalpolizei Regensburg ermittelt noch und wertet weiterhin Videomaterial aus. Zum Zeugenaufruf sind bisher keine wesentlichen Hinweise eingegangen, hieß es von einem Sprecher des Polizeipräsidiums Oberpfalz.
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Weiterer sexueller Übergriff abends am Hauptbahnhof
Mittlerweile gab es zudem einen weiteren Vorfall: Im Regensburger Bahnhofsumfeld soll es am gestrigen Donnerstagabend erneut zu einem Sexualdelikt gekommen sein. Eine 29-jährige Frau gibt an, von zwei Männern vergewaltigt worden zu sein. Die beiden Männer sollen ohne ihr Einverständnis sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen und Bargeld sowie Geldkarte entwendet haben. Zwei Passanten hatten anschließend Hilferufe vernommen und einen Notruf abgesetzt. Eine Polizeistreife konnte die mutmaßlichen Täter vor Ort nicht festsetzen. Mithilfe der Videoüberwachung ermittelten die Beamten die beiden Männer aber wenig später. Laut Polizei soll es sich bei den Tatverdächtigen um zwei tunesische Staatsangehörige aus einer Regensburger Asylunterkunft handeln. Die beiden befinden sich mittlerweile in Untersuchungshaft.
Polizei spricht von "Brennpunkt"
In Regensburg ist derweil eine Diskussion um das Sicherheitsgefühl im Bahnhofsumfeld entbrannt: Die Kriminalität habe im Regensburger Bahnhofsviertel in den vergangenen beiden Jahren zugenommen, so die Polizei. Besonders direkt neben dem angezeigten Tatort im Bereich des Fürst-Anselm-Parks und des sogenannten "Schwammerls", eines kleinen Stehcafés in Fliegenpilzoptik, habe sich die Anzahl der Sexual-, Raub-, Körperverletzungs- und Betäubungsmittelstraftaten im vergangenen halben Jahr deutlich erhöht. Die Polizei spricht von einem "Brennpunkt".
Diese Entwicklung hat auch Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl der Regensburger Bürger. Und das an einem Ort, an dem täglich viele Regensburger vorbeilaufen. Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD) hatte bereits im Dezember von einer "deutlichen Eskalation" gesprochen.
Prävention an Schule in der Nähe
Die Regensburger St. Marien-Schule bietet auch deswegen seit 2020 Selbstverteidigungskurse für ihre Schülerinnen an. Die reine Mädchen-Schule liegt direkt neben dem Park, in dem die 27-jährige Frau am vergangenen Freitag vergewaltigt worden sein soll. Schulleiter Hans Lindner steht in regelmäßigem Kontakt mit der Polizei, die immer wieder zu Präventionsbesuchen vorbeikommt. Die Schule selbst wird rund um die Uhr zudem videoüberwacht.
Bisher sei es allerdings zu keinem Vorfall mit Blick auf die Schülerinnen gekommen, sagte Lindner dem BR. Trotzdem würden sie den Park eher meiden und andere Wege gehen - gerade wenn es dunkel ist. So handhaben es mehrere Regensburger, mit denen der BR im Park sprechen konnte. Stadt und Polizei sagen: Sie haben das Problem identifiziert. Doch Kritiker entgegnen: Noch sei nicht genug unternommen worden.
Täter wählen nicht ganz offensichtliche Orte in der Öffentlichkeit
Die genauen Handlungsorte im öffentlichen Raum, an denen sexualisierte Gewalt oder Vergewaltigungen stattfinden, wählten Täter so, dass sie nicht ganz offensichtlich sind - eine Unterführung etwa, zwischen Autos oder im Gebüsch - sagt Susanne Werner von der Opferhilfe Oberfranken. Dort engagiert sie sich schon seit über zehn Jahren ehrenamtlich und berät immer wieder auch Frauen und Mädchen, die an öffentlichen Plätzen Opfer von Vergewaltigungen wurden.
Auch bei der mutmaßlichen Vergewaltigung am vergangenen Freitag in Regensburg soll das Opfer in ein Gebüsch gezerrt worden sein - tagsüber, am frühen Nachmittag. Die Polizei sucht derzeit nach Zeugen der Tat. Susanne Werner beobachtet in ihren Beratungen als Opferschützerin aber: "In unserer Gesellschaft wird da auch gerne drüber weggeguckt oder weggeschaut, um nicht selber irgendwo in irgendwas hineingezogen zu werden."
Vergewaltigungen mehrheitlich im privaten Raum
In Bayern ist die Zahl an Vergewaltigungen laut Kriminalstatistik der Polizei von 1.031 im Jahr 2018 auf 1.478 in 2022 angestiegen. Fast 96 Prozent der Vergewaltigungsopfer in 2022 waren weiblich. Zu welcher Tageszeit die Taten stattgefunden haben, wurde nicht in der Statistik aufgeführt. Etwa ein Viertel wurde im öffentlichen Raum gemeldet. Die Mehrheit der Vergewaltigungen findet also im privaten Raum statt.
Das bestätigt Werner auch für ihre Beratungen. Begonnen mit dem Ehrenamt hat sie damit aus eigener Betroffenheit. Das helfe ihr heute, sich in die Frauen und Mädchen hineinzuversetzen, die sie berät. Ihrer Erfahrung nach reagieren Opfer von Vergewaltigungen unterschiedlich: "In der Regel ist es dieses Erstarren in dieser Situation, einfach starr liegen bleiben. Manche haben diesen Fluchtreflex, aber leider sehr, sehr wenige, der ist dann einfach nicht da. Das Opfer ist dann nicht mehr in der Lage, irgendwie was zu machen." Eine Handlungsunfähigkeit, die bei einem Tatvorgang im öffentlichen Raum zum Beispiel auch verhindere, um Hilfe zu rufen.
Mehr Sicherheitsmaßnahmen durch Polizei und Stadt
Werner sieht verstärkte Sicherheitsmaßnahmen wie mehr Polizeipräsenz, Videoüberwachung und hellere Beleuchtung als eine gute Maßnahme. Das Empfinden einer Grundangst sei bei vielen in solchen Bereichen trotzdem da.
Im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz zur Kriminalität im Regensburger Bahnhofsumfeld hatten Polizei und Stadt bereits im Dezember angekündigt, das Bahnhofsumfeld sicherer machen zu wollen. Bisher sind das allerdings Absichtserklärungen.
Im Umfeld des Hauptbahnhofs sind zwar bereits mehr Streifen im Einsatz. Auch das Ordnungsamt ist häufiger vor Ort. Zukünftig will die Polizei auch die Videoüberwachung ausweiten, die Stadt Regensburg will wiederum für eine bessere Beleuchtung der Parks sorgen. Mehr Kameras und Licht gibt es allerdings noch nicht. Derzeit würden noch technische und rechtliche Belange geprüft, heißt es.
Polizei: Gewalt gegen Frauen tendenziell rückläufig
Auf eine Anfrage des BR zum Thema Femizide und Gewalt an Frauen antwortet das Polizeipräsidium Oberpfalz: "Im Jahr 2022 wurden im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Oberpfalz insgesamt neun Tötungsdelikte registriert, bei welchen eine weibliche Geschädigte vorhanden war und eine Beziehung zwischen dem Täter und Opfer bestand. Von den neun Taten handelte es sich um zwei vollendete Delikte und sieben Versuche. Für 2023 wird es in diesem Bereich vermutlich zu einem Rückgang kommen." Allerdings würden die Zahlen der polizeilichen Kriminalitätsstatistik für das Jahr 2023 erst im März veröffentlicht. Aus diesem Grund sei eine detaillierte beziehungsweise zahlenbasierte Rückmeldung für das Jahr 2023 noch nicht möglich.
Im Bereich der Gewalt gegen Frauen allgemein wurden im Jahr 2022 insgesamt 582 Delikte mit einer weiblichen Geschädigten registriert. Die Tendenz für das Jahr 2023 lässt ebenfalls einen Rückgang vermuten, heißt es.
Die meisten größeren Städte haben "Problemviertel"
In den meisten größeren bayerischen Städten gibt es Bereiche oder Stadtteile, in denen die Kriminalität höher und die Sicherheit schlechter ist als anderswo. Ob das jedoch "No-Go-Areas" sind, ist fraglich, da die Sicherheit in Deutschland laut Global Peace Index im weltweiten Vergleich insgesamt recht hoch ist.
In Nürnberg sind der Bahnhofsvorplatz und die Königstorpassage in Verruf - allerdings auch kameraüberwacht, sowie das Rotlichtviertel im Stadtzentrum. Allerdings nicht unbedingt wegen vermehrter Vergewaltigungsfälle, sondern eher wegen Drogendelikten, kleineren Diebstählen sowie Bettlern und Schnorrern. Banden-Gegenden oder Gegenden mit hohem Ausländeranteil, in denen es vermehrt zu Vergewaltigungen kam, gibt es laut Polizei Mittelfranken nicht.
In München gilt der alte botanische Garten als sogenannter Brennpunkt, in Rosenheim der Salingarten. In Würzburg gab es 2021 am Barbarossaplatz eine brutale Messerattacke mit drei Toten. Dort gibt es mittlerweile Videoüberwachung.
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