"Ich bin quasi in den ersten Waldkindergarten gegangen", sagt die 1975 im niederbayerischen Passau geborene Ursula Schuster, also zu einer Zeit, als es solche Kindergärten noch gar nicht gab. Denn ihr Vater war Förster im Neuburger Wald bei Passau, den er naturnah bewirtschaftete. Die kleine Tochter nahm er schon mit drei, vier Jahren mit in den Wald. Er erklärte ihr alles, ließ sie jahrelang gern mit dabei sein und helfen. Das hat sie geprägt.
"Mein Papa war Förster und von daher habe ich eine tiefe emotionale Verbindung zum Wald von Kindesbeinen an." Ursula Schuster, neue Nationalparkleiterin.
Sie hatte überlegt, Forstwirtschaft zu studieren, entschied sich dann aber für Landschaftsökologie, studierte in Weihenstephan und im schwedischen Uppsala. Das erste Praktikum vor dem Studium absolvierte sie im Nationalpark Bayerischer Wald, der sie "immer schon fasziniert hat", wie sie sagt.
Vom toten Wald zum "größten Naturschutzexperiment Mitteleuropas"
Aber als sie als Jugendliche auf dem Berggipfel vom Lusen stand und die großflächig abgestorbenen Fichtenwälder dort sah, war das ein Schock. Nach Orkanstürmen war der Borkenkäfer eingefallen. In den achtziger Jahren kam es im sogenannten "Altpark" zum ersten großen Fichtensterben. "Das hat mir einen Stich versetzt. Man überlegt auch: Was macht das mit der Bevölkerung? Die Idee des Nationalparks stand damals, das kann man nicht verhehlen, ja auch kurz auf der Kippe."
Doch es kamen wieder viel junger Wald und üppiges Grün nach. "Was sich hier an Naturschutz und Waldentwicklung später gezeigt hat", sagt Ursula Schuster, das sei ein Vorzeigeprojekt gewesen, oder – wie es einer ihrer Professoren immer betont hat: "Das größte Naturschutzexperiment Mitteleuropas".
Landschaftsplanerin und Behördenlaufbahn
Ursula Schuster wurde nach dem Studium erst einmal Landschaftsplanerin, hat einen Unterfranken geheiratet, mit dem sie zusammen studiert hat. Er wurde Landschaftsarchitekt. Die beiden haben eine Tochter, die inzwischen erwachsen ist. Ursula Schuster wechselte 2007 in den öffentlichen Dienst.
Ihre Stationen waren die Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege in Laufen, das Bayerische Umweltministerium und die Bayerische Staatskanzlei. All das habe sie fachlich gut vorbereitet auf ihre jetzige Aufgabe im Nationalpark, denn da stecke ebenfalls viel Verwaltungsarbeit drin. Sie ist dort auch Chefin von 230 Beschäftigten, so viele also, wie ein mittelständisches Unternehmen hat. Die 48-Jährige ist außerdem die erste Frau auf diesem Posten. Aber ob nun "Mann oder Frau", das spiele heutzutage keine Rolle mehr, findet sie. Viel wichtiger: Der Nationalpark ist ihr Traumjob.
Mit Bevölkerung und Waldbauern reden
Sie hat schon erste Bürgerwanderungen gemacht, plant auch weitere, in denen sie mit den Teilnehmern jeweils drei Stunden lang genau durch die Waldstücke geht, die momentan vom Fichtensterben betroffen sind. Am und um den Berg Falkenstein bei Zwiesel wütete 2023 der Borkenkäfer besonders heftig, ließ Tausende von Bäumen absterben. Für viele Einheimische sind diese Waldbilder momentan schwer auszuhalten. Ursula Schuster will den Menschen möglichst gut erklären, was hier passiert und was sich später vielleicht wieder als junger neuer Wald entwickelt.
"Wir werden hier sicher keine Steppe bekommen. Das kann ich versprechen. Ich bin sicher, dass sich der Falkenstein wieder bewalden wird." Ursula Schuster, neue Nationalparkleiterin.
Er wird anders aussehen als in den vergangenen 100 Jahre, sagt sie auch, aber es werde sich wieder ein "schöner Berg-Mischwald" entwickeln. Wahrscheinlich mit viel Buche, weil die schon jetzt häufig vorkomme am Falkenstein, aber auch mit Tannen und Fichten. Schuster will die Ängste und Sorgen in der Region weiter ernst nehmen, einfach "immer dranbleiben an der Bevölkerung", betont sie. Sie will auch ein gutes Verhältnis aufbauen zu den angrenzenden Waldbauern, die dem Park vorwerfen, zu wenig gegen die Ausbreitung des Borkenkäfers zu unternehmen.
2023: neue Rekordmenge an Borkenkäfer-Holz
134.000 Festmeter Borkenkäferholz wurden heuer im Nationalparkgebiet gefällt. Das ist mehr als doppelt so viel wie 2022, wo es nur 60.000 Festmeter waren. Umgeschlagen werden befallene Bäume nur in den Randzonen, um angrenzende Privatwälder zu schützen, und an Straßen wegen der Verkehrssicherheit. Wie schon 2023 will der Nationalpark nur einen Teil der betroffenen Baumstämme aus dem Wald hinausbringen und verkaufen.
Etwa 45 Prozent sollen nur entrindet werden, um die Käferlarven abzutöten, und dann im Wald liegen bleiben. Das soll die Preise auf dem Holzmarkt von weiterem "billigen Käferholz" entlasten. Das Liegenlassen toter Stämme und ihre natürliche Zersetzung im Wald sollen aber auch seltene Totholzarten von Insekten bis Pilzen im Park fördern.
- Zum Artikel: Nationalpark: Borkenkäferbekämpfung auch im Tier-Freigelände
Besucher können sich auf neue Attraktionen freuen
Neue Besuchereinrichtungen entstehen momentan vor allem im Nationalpark-Erweiterungsgebiet bei Finsterau. Das neue Nationalpark-Café dort soll ab August 2024 fertig sein. Mit dem Bau der neuen "Aussichtsplattform Lusenblick" will man 2024 anfangen. Auch weitere barrierearme Wanderwege, auf denen Rollstuhlfahrer oder Spaziergänger mit Kinderwagen den Nationalpark erleben können, sollen entstehen. 2024 ist zum Beispiel der Ausbau eines Rundwanderwegs in Zwieslerwaldhaus geplant. Außerdem wird 2024 das 50-jährige Jubiläum der "Nationalparkwacht" mit einem bunten Sommerfest und vielen Besuchern im Hans-Eisenmann-Haus gefeiert.
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