Hinweis (08.12.21): Dieser Artikel ist von Juni 2021 und gibt nicht mehr den aktuellen Stand wieder. Alles zum Anfang Dezember 2020 im Landtag beschlossenen neuen Abgeordnetengesetz lesen Sie hier.
Mehrere Millionen Euro Provision für das Vermitteln von Masken-Geschäften in der Corona-Pandemie - dieses Verhalten der CSU-Politiker Alfred Sauter und Georg Nüßlein hat bei vielen Menschen das Vertrauen in die Politik erschüttert. Für die Abgeordneten im Bayerischen Landtag sollen künftig deshalb deutlich strengere Regeln gelten. Nebentätigkeiten auf den Cent genau angeben, keine Geschäfte mit dem Freistaat, keine bezahlte Lobby-Arbeit für Dritte - das sind die Eckpunkte des Gesetzentwurfs, den CSU und Freie Wähler am Donnerstag vorgestellt haben.
Hier lesen Sie die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Plänen, über deren Folgen Vize-Landtagspräsident Alexander Hold (Freie Wähler) sagt: "Es gibt niemanden, der in Zukunft so gläsern ist wie ein bayerischer Landtagsabgeordneter." Derweil spricht FW-Fraktionschef Florian Streibl von "starken Fesseln" sowie einer "Transparenz-Offensive".
Was dürfen Abgeordnete künftig nicht mehr?
Die Regierungsfraktionen planen eine deutliche Verschärfung der Verhaltensregeln für die Abgeordneten im Landtag. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ihnen jede bezahlte Lobby-Arbeit verboten wird. Dazu kommt, unausgesprochen als Lehre aus dem langjährigen Vorgehen des CSU-Abgeordneten und Rechtsanwalts Sauter: Abgeordnete dürfen künftig keine Provisionen von Dritten annehmen, die Immobiliengeschäfte mit dem Freistaat machen oder ihm Waren und Dienstleistungen vermitteln. Auch die "entgeltliche Interessenvertretung für Dritte" soll verboten werden.
Zudem müssen alle Abgeordneten laut den Plänen sämtliche Nebeneinkünfte auf den Cent genau angeben. Die genauen Nebeneinkünfte der Abgeordneten können dann bald öffentlich eingesehen werden, über die Webseite des Landtags - "mit Ausnahme der Angabe zu den einzelnen Vertragspartnern". Allerdings bleibt wohl eine Hintertür: Die Pflicht kann nämlich entfallen, "wenn durch die Veröffentlichung der genauen Höhe der einzelnen Einkünfte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Mitglieds oder eines Dritten beeinträchtigt werden". Das Landtagspräsidium entscheide hierbei jeweils im Einzelfall, heißt es im Entwurf.
Ebenfalls neu vorgesehen: Abgeordnete müssen Beteiligungen an Kapital- und Personengesellschaften künftig bereits ab 5 Prozent der Gesellschaftsanteile anzeigen. Bisher war das erst ab 25 Prozent der Fall. Der Opposition geht das trotzdem nicht weit genug: Die Grünen fordern als Grenzwert 3 Prozent, die SPD 2,5 Prozent. Auch Vortragsreisende müssen künftig genauer hinschauen: "Honorare für Vorträge und Reden im unmittelbaren Zusammenhang mit der parlamentarischen Tätigkeit werden untersagt", steht im Gesetzentwurf. Geschenke mit einem Wert von mehr als 200 Euro dürfen nicht mehr angenommen werden. Regierungsmitglieder sollen Jobs außerhalb des öffentlichen Diensts künftig erst nach einer Karenzzeit von bis zu zwei Jahren antreten dürfen.
Gibt es Sanktionen bei Nicht-Einhaltung?
Ja. Erlöse aus unzulässigen Geschäften müssen Bayerns Abgeordnete nach dem Willen der Regierungskoalition künftig an die Staatskasse abführen. Dazu droht durch die Landtagspräsidentin ein Ordnungsgeld bis zur Hälfte der jährlichen Abgeordneten-Entschädigung. Das betont Winfried Bausback, stellvertretender CSU-Fraktionschef und federführend an der Ausarbeitung der geplanten Verschärfung beteiligt. Eine Strafzahlung kann damit bis zu 50.000 Euro betragen. Bausbacks Fazit: Wegen dieser Sanktionsmöglichkeiten sei der vorgelegte Entwurf "kein zahnloser Tiger".
Was dürfen Abgeordnete weiterhin?
Einen Beruf neben dem Mandat haben, das bleibt zulässig. Das Parlament solle "Spiegelbild der Gesellschaft" bleiben, sagt etwa Hold von den Freien Wählern. Es sei nicht verkehrt, wenn ein Abgeordneter abends im heimischen Stall sei. Auch Selbstständige sind laut Hold wichtig für die berufliche Vielfalt im Parlament. Nebentätigkeiten sind also weiter gewollt, wenn nicht gar erwünscht - allerdings wollen CSU und Freie Wähler künftig jedes Anzeichen von Interessenkonflikten ausschließen.
Auch im privaten, unbezahlten Bereich soll es keine Verschärfungen geben. Die Regierungsfraktionen betonen: "Ehrenamtliche Tätigkeiten gegen Aufwandsentschädigung, etwa im Vorstand eines Vereins oder in einem kommunalen Ehrenamt, bleiben erlaubt."
Verhindert die Verschärfung neue krumme Deals?
Ja und nein. Nach den neuen Regeln wären Provisionsgeschäfte wie bei der Maskenvermittlung an Bund und Länder mit Zahlungen an Abgeordnete nicht mehr erlaubt. Vor krimineller Energie schützt aber das beste Gesetz nicht. Zwar betonen die Vertreter der bayerischen Regierungskoalition, dass es sich bei Sauter und Nüßlein um "Einzelfälle" handle. CSU-Politiker Bausback verweist auf die "redliche Arbeit der ganz überwiegenden Zahl von Kollegen". Gleichzeitig stellt er nochmal klar: "Entweder ich bin Lobbyist oder ich bin Abgeordneter." Auf beiden Seiten könne man nicht tätig sein.
Damit Geschäfte wie in der sogenannten Maskenaffäre künftig strafrechtlich leichter geahndet werden können, soll es nach dem Willen von CSU und Freien Wählern auch auf Bundesebene Änderungen geben. Sie betonen: "Vom Bund wird zusätzlich mittels eines entsprechenden Antrags eine grundlegende Überarbeitung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung gefordert."
Ab wann sollen die neuen Regeln gelten?
Geht es nach CSU und Freien Wählern, soll ihr Gesetzentwurf noch vor der parlamentarischen Sommerpause in den Landtag eingebracht werden. Zunächst aber wollen die beiden Regierungsfraktionen das Gespräch mit der Opposition suchen - sie wünschen sich eine fraktionsübergreifende Zustimmung zum überarbeiteten Abgeordnetengesetz. Das Gesetz dürfte also vermutlich im Herbst verabschiedet werden und dann zeitnah in Kraft treten.
Inwiefern es noch Änderungen am Gesetzentwurf geben wird, ist offen. CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer betont, man lasse sich den eigenen Entwurf "nicht verwässern". Der Entwurf gehe weiter als die Vorschläge der Grünen, weil er Tätigkeitsverbote einschließe, betont Kreuzer.
Wie bewertet "Transparency" den Gesetzentwurf?
Von "Transparency International" Deutschland gibt es Lob und etwas Kritik. Die bayerischen Pläne seien "konkreter und ausführlicher gefasst" als die im April im Bundestag verabschiedeten Änderungen am Abgeordnetengesetz, sagt Norman Loeckel von "Transparency International" in Deutschland. Seinen Angaben zufolge gehen die bayerischen Pläne "im Detail deutlich über die verschärften Regeln des Bundes hinaus – und damit auch über die der anderen Bundesländer". Sein Fazit: "Die neuen Bestimmungen haben damit tatsächlich Vorbildfunktion."
Loeckel plädiert allerdings für noch mehr Transparenz, beispielsweise beim konkreten zeitlichen Umfang der Nebentätigkeit. Wie viel Zeit genau ein Abgeordneter für eine solche Nebentätigkeit aufwendet, werde auch künftig nicht offengelegt. "Nur so könnte aber klar werden, ob das Mandat im Mittelpunkt der Tätigkeiten eines Abgeordneten steht", sagt er, "und ob die Entlohnung in einem angemessenen Verhältnis zum zeitlichen Aufwand steht."
Zudem fehle eine unabhängige Stelle, die künftig die Angaben zu den Nebentätigkeiten kontrolliere. "Diese Stelle müsste mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet sein, um eine Prüfung der Angaben vorzunehmen und bei Fehlverhalten auch Sanktionen auszusprechen", fordert Loeckel.
Was sagen die anderen Fraktionen dazu?
"Der Teufel steckt im Detail", sagt Horst Arnold, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Aber wenn der Wille zur Transparenz da sei, sehe er kein Problem. Der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Florian Siekmann betont: "Wir wollen, dass alle Geschäfte veröffentlicht werden müssen - auch auf kommunaler Ebene." Dann werde man auch "deutlich weniger Immobiliengeschäfte sehen", sagt Siekmann. Er kündigt Verhandlungen mit den Regierungsfraktionen an, sieht Kernforderungen der Grünen aber im Gesetzentwurf enthalten.
Derweil attestiert Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze via Twitter der CSU Dreistigkeit. "Seit Jahrzehnten blocken sie Transparenzregeln." Durch den "Masken-Korruptionsskandal" sei der Druck nun so groß, dass sich die Christsozialen bewegen müssten - "und feiern es als ihren Erfolg ab", schreibt Schulze. Zudem habe die CSU einen Grünen-Gesetzentwurf fast eins zu eins kopiert. Für die Sache freue sie sich aber, betont Schulze.
Wie ist der Stand beim Lobbyregister?
Nach langen Verhandlungen stimmte der Bayerische Landtag am Donnerstag einstimmig für die Einführung eines Lobbyregisters. Es soll am 1. Januar 2022 in Kraft treten. Ab dann dürfen sich nur noch offiziell registrierte Interessenvertreter an Gesetzgebungsprozessen von Landtag und Staatsregierung beteiligen. Das Register soll öffentlich einsehbar sein, Verstöße sollen mit bis zu 50.000 Euro Geldbuße geahndet werden.
Die Registrierungspflicht gestattet aber auch Ausnahmen, etwa wenn eine Lobbygruppe nur lokal aktiv ist - also nicht mehr als zwei Stimmkreise unmittelbar betroffen sind. Auch Privatpersonen, die ausschließlich persönliche Interessen vertreten sowie Kirchen und Gewerkschaften müssen sich nicht registrieren.
Die Opposition stimmte dem Gesetz zwar zu, betonte aber auch, dass sie sich an mehreren Stellen durchaus Änderungen gewünscht hätte. So monierte etwa die SPD, dass die Geldstrafe zu gering sei, um finanzstarke Lobbygruppen abzuschrecken. Die AfD forderte, weniger Ausnahmen von der Registrierungspflicht zuzulassen. Für Freie-Wähler-Politiker Hold passt das Lobbyregister dagegen perfekt zum aktuellen Transparenz-Paket. Das Register sei der "Maßstab in Deutschland", sagt Hold.
"Darüber spricht Bayern": Der neue BR24-Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!