Norman Burkhardt fährt oft Bahn. Aber, sagt er, das erfordert immer lange Planung. Je nachdem wo er hinfährt, muss er damit zwei bis drei Wochen vorher beginnen. Burkhardt sitzt im Rollstuhl. Die Deutsche Bahn stellt Kunden wie ihm einen Mobilitätsservice zur Verfügung, also Mitarbeiter, die ihnen durch den Bahnhof und in den Zug helfen. Den Mobilitätsservice kann man spätestens am Tag vor Antritt der Reise buchen. Aber, sagt Burkhardt: Die Zahl der Rollstuhlplätze in den Zügen ist begrenzt – also muss er Bahnreisen doch Wochen vorher buchen.
Nur 47 Prozent der Bahnhöfe barrierefrei
Auf dem Papier klingt die Barrierefreiheit beim Bahnfahren in Deutschland gut. Zwar sind – nach Zahlen der Bayerischen Eisenbahngesellschaft BEG - nur 47 Prozent aller Bahnhöfe komplett barrierefrei, weil aber die größeren Stationen zuerst umgebaut wurden, können rund 80 Prozent der Fahrgäste einen barrierefreien Bahnhof nutzen. Die Deutsche Bahn verweist stolz darauf, dass alle neuen ICEs spezielle Einstieghilfen für Rollstuhlfahrer haben, Hublifte.
Ausstieg aus dem Zug mit dem Gabelstapler
Norman Burkhardt hat erlebt, dass es in der Praxis trotzdem ganz anders laufen kann. Bei einer Reise mit dem ICE vor ein paar Jahren kam sein Zug verspätet und an einem anderen Bahnsteig am Münchner Hauptbahnhof an. Die Mobilitätshelfer waren längst weg, ein Hublift nicht vorhanden. Also musste er warten, bis alle anderen Passagiere ausgestiegen waren, dann holte man Burkhardt und seinen Rollstuhl mit dem Gabelstapler aus dem Zug.
Lebensqualität durch selbstbestimmtes Reisen
Dass es auch anders geht, zeigt sich auf manchen Regionalstrecken in Bayern. Die BEG fordert bei der Ausschreibung neuer Linien auf den Regionalstrecken mittlerweile grundsätzlich Barrierefreiheit. Was das an Lebensqualität für Menschen im Rollstuhl bedeutet, kann Stefan Heigl erklären. Heigl ist Behindertenbeauftragter für Mering im Landkreis Aichach-Friedberg und Gemeinderat für die CSU. Er sitzt selber im Rollstuhl.
Seit einem halben Jahr fährt auf der Regionalstrecke München – Augsburg das Unternehmen, Tochter eines multinationalen Konsortiums mit australisch-spanischen Eigentümern. Go-Ahead hat, wie bei der Ausschreibung gefordert, barrierefreie Züge angeschafft. Heigl kann also einfach zum Bahnhof fahren und auf den nächsten Zug nach München warten. Hält der Zug, fährt ein kleines Brett heraus, und er kann seinen Rollstuhl ohne fremde Hilfe ins Abteil steuern. Es gibt separate Abteile für Rolli-Fahrer, Radfahrer und Kinderwagen – neben dem Rollstuhlplatz befindet sich auch ein geräumiges Behinderten-WC.
Viel Geld, viel Mehrwert
Heigl will anderen mobilitätseingeschränkten Menschen Mut machen. Spontanes, selbstbestimmtes Reisen sei durchaus möglich – auf manchen Strecken bzw. mit ein wenig Planung. Für ihn ein echter Mehrwert. Allerdings sind noch längst nicht alle Bahnhöfe in der Region barrierefrei ausgebaut. Die Umbauten erledigt der Konzern Deutsche Bahn – wenn die Bundesregierung das Geld bereitstellt. Laut BEG werden heuer in Bayern 20 Bahnhöfe barrierefrei umgebaut. Manchmal, sagt Stefan Heigl, hilft aber auch ein umgebauter Bahnhof nicht – wenn etwa der Aufzug nicht funktioniert: "Deswegen kann eine Reise ganz schnell am heimischen Bahnhof enden."
Im Video: Spontane Bahnreisen – mit Rollstuhl schwierig
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