"Es kann nicht tagelang so weitergehen", findet Michael Grubert (SPD). Im RBB kündigte der Bürgermeister der brandenburgischen Gemeinde Kleinmachnow am späten Abend an, dass die Löwensuche an diesem Freitag noch verstärkt werden soll. Unter anderem in seiner Gemeinde soll das Tier gesehen worden sein.
Nach Gruberts Worten sollen jetzt auch professionelle Tierspurensucher zum Einsatz kommen und im Wald nach allem fahnden, was auf ein Raubtier schließen lassen könnte. Außerdem will die Polizei gefundene Fell- und Kotproben auswerten. Schon am Donnerstag waren Veterinärmediziner und Stadtjäger an der Suche beteiligt, bisher aber ohne Erfolg. Dabei wurden mehrere "Sichtungen" des Tieres gemeldet, unter anderem im Bezirk Steglitz-Zehlendorf.
Mehr als 100 Einsatzkräfte auch in der Nacht
Über 200 Einsatzkräfte fahndeten den ganzen Donnerstag über nach der Raubkatze, von der immer noch niemand weiß, woher sie kommt. Nachts waren es immerhin noch gut 100. Nachtsichtgeräte und eine Nachtsichtdrohne sollten helfen, aber das Tier ließ sich nicht blicken.
Man beobachte die Wälder, gehe aber nicht mehr in sie hinein, hieß es in der Nacht von der Polizei. Bei Tageslicht will man wieder Drohnen einsetzen.
Berliner Clan-Mitglied: "Wir bringen das Tier zurück"
In den sozialen Medien kursieren mittlerweile die wildesten Theorien rund um die Löwin. Auch ein Mitglied des arabisch-stämmigen Remmo-Clans hat sich in die Suche eingeschaltet und auf Instagram angeboten, die Löwin zu fangen: "Wenn jemand was weiß, bitte erst mir Bescheid geben. Dann führen wir die Löwin in ihr Gehege zurück, bevor irgendein Trottel sie abknallt."
Teile des Clans wohnen im Suchgebiet Kleinmachnow. Und Firas Remmo, einer der Söhne von Clan-Oberhaupt Issa Remmo, scheint zumindest gewisse Erfahrung zu haben: Auf früheren Bildern ist er zusammen mit Raubkatzen abgebildet.
Ein Phantom und vier Fragen
Über allem schweben weiterhin vier Fragen: Wo ist die Löwin? Woher kam sie? Und: Ist das gesuchte Tier überhaupt eine Löwin? Aus Sicht des Veterinärmediziners Achim Gruber von der Freien Universität Berlin bleiben Zweifel.
Es gebe viele Argumente dafür, sagte Gruber am Donnerstagabend in einem RBB-Spezial. "Aber der letzte Beweis steht für mich noch noch aus." Die Handy-Aufnahme sei unscharf, und durch das Licht könnten Täuschungen entstehen.
Gruber setzt auf die Jagdhunde, die nach dem Tier suchen. Wenn diese keine Spuren fänden, sei dies "ein starkes Puzzlestück" gegen die Löwinnen-Hypothese. Was zur vierten Frage führt: Was, wenn es doch eine Löwin ist und Jäger und Hunde sie aufgespürt haben?
Showdown-Szenarien: Betäubung oder Rettungsschuss
Wenn ein Tier in freier Wildbahn gefangen werden soll, werde "Tele-Injektion mit einem Narkosegewehr" eingesetzt, sagte May Hokan von der Umweltstiftung World Wide Fund For Nature (WWF). Bei einer Jagd in der Stadt kann es Probleme geben: "Wenn man so einen Löwen trifft, fällt der nicht direkt um und schläft ein. Es gibt eine Stressphase, er hat diesen Pfeil im Hintern, wird erst mal losrennen und Radau machen", so die Tierärztin. Dies dauere einige Minuten, auch abhängig von der Art des Narkosemittels. "Wir haben dann eine schwierige Phase." Polizei und Veterinäre müssen also im Fall einer Begegnung entscheiden, ob die Löwin eingeschläfert werden kann oder erschossen werden muss.
Polizei: Video lässt auf Löwin schließen
Die Vorgeschichte der Jagd: In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag hatten sich Augenzeugen mit einem Video aus Kleinmachnow an die Polizei gewandt. Die Polizei stuft das Video als echt ein. Darauf zu sehen ist ein Wildtier - zwischen Bäumen und Büschen, allem Anschein nach eine Löwin. Die Augenzeugen schilderten auch, dass das Tier ein Wildschwein gejagt und erlegt habe. Allerdings: Auch von besagtem Wildschwein fehlt bisher offensichtlich jede Spur: "Ein Wildschwein haben wir nicht gefunden", betonte ein Sprecher der brandenburgischen Polizeidirektion West.
Die Polizei bestätigte immerhin, dass die Wildkatze noch einmal gesichtet wurde, nämlich von eigenen Beamten. Danach habe man das Tier nicht mehr entdeckt, teilte Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD) mit.
Im Video: Polizei sucht Löwin in Berlin
Bürgermeister: "Es ist halt ein etwas anderer Arbeitstag"
Die Gemeinde Kleinmachnow in Brandenburg hat die Geschichte am Donnerstagmorgen kalt erwischt, wie Bürgermeister Grubert schildert. Wäre er um sechs Uhr nicht von einer "Person der Feuerwehr" angerufen worden, von der er wusste, sie würde keine Geschichte erzählen, hätte er "zuerst an einen Scherz geglaubt". Es sei halt "ein etwas anderer Arbeitstag" gewesen, so Grubert, und weiter: "Es ist nicht unser neues System der Wildschweinbejagung in Kleinmachnow, Löwinnen einzusetzen."
Die Gemeinde probte den Spagat zwischen Löwenalarm und Alltag: Kindergärten blieben offen, die Kinder aber strikt auf dem Gelände. Der Wochenmarkt wurde verkleinert. Ein Café im Zentrum sollte die Türen geschlossen halten.
Der Schauplatz: Südlicher Speckgürtel
Die Vorstellung eines Raubtiers mitten im Berliner Großstadtdschungel trifft es derzeit übrigens nicht ganz. Die brandenburgischen Gemeinden Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf sind ländlich, Zehlendorf ist ein ruhiger Wohnkiez am südwestlichen Stadtrand.
Für das nahegelegene Potsdam besteht laut einer Sprecherin der Potsdamer Feuerwehr aktuell keine Gefahr. Die Bewegungskurve des Tieres geht nach Angaben des Ordnungsamtes Kleinmachnow in eine andere Richtung, eher nach Berlin. Aus Sicherheitsgründen wurden Warnmeldungen für Steglitz, Marienfelde und Neukölln erlassen.
Unklar, woher das Raubtier kommt
Woher das Raubtier kommen könnte, ist bisher völlig unklar. "Wo es herkommt, wissen wir nicht", sagte ein Polizeisprecher. Es seien Zoos, Tierparks, Zirkusse und Tierschutzeinrichtungen überprüft worden. Offiziell heißt es: "Es wird keine Löwin vermisst." Auch der Tierpark und der Berliner Zoo haben nachgezählt und sagen, bei ihnen fehle keine Raubkatze.
In Brandenburg sind 23 Löwen angemeldet
Wie das Landesumweltamt auf Anfrage mitteilte, sind in Brandenburg 23 Löwen registriert. Dabei handle es sich um Zirkusse, Zoos und Privathaltung. Die private Haltung von Wirbeltieren besonders geschützter Arten - also auch Raubkatzen - muss angezeigt werden. Eine Gefahrtierverordnung, die das Halten von Raubkatzen umfasst und ähnlich wie bei Hunden Ge- und Verbote ausspricht, gebe es in Brandenburg nicht.
💡 Privathaltung von Wildtieren - in Berlin, Brandenburg und Bayern
Die private Haltung von Wildtieren ist nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums im Tierschutz- und im Naturschutzrecht geregelt. Die Haltung exotischer Tiere wird darüber hinaus teilweise durch Vorschriften zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geregelt; das ist Ländersache.
In Berlin ist die private Haltung zum Beispiel verboten - in Brandenburg nicht: Wer gewerbsmäßig mit Wildtieren handelt oder sie züchtet, braucht dort eine Erlaubnis der entsprechenden Behörden. In Bayern ist die Haltung exotischer Tiere prinzipiell erlaubt - man wolle abwarten, ob ein von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir angedachtes Bundesgesetz kommt und wie es aussieht. Für "Zirkustiere" sind die lokalen Behörden zuständig. Tierschützer fordern seit längerem strengere Haltungsgesetze (s. unten).
Aiwanger vergleicht Löwen mit Bären
Während Berlin nach der mutmaßlichen Löwin sucht, nutzt Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger in Bayern die Gelegenheit für einen Vergleich: Auf Twitter schreibt er, die Löwin von Berlin werde "sicherlich von denjenigen Großstadtökologen richtig gemanagt, die sich in den letzten Wochen für die Akzeptanz von Bären in Bayern stark gemacht haben".
Damit spielt er auf die jüngsten Diskussionen im Freistaat an - über die Frage, wie viele Wildtiere Bayern verträgt. Dabei hatte Aiwanger immer wieder betont, dass Bären keine "Kuscheltiere" seien - und notfalls "entnommen" gehören, um Nutztiere und Menschen zu schützen.
Was tun bei einer Begegnung?
Laut Einschätzungen von Expertinnen und Experten aus Zoo und Tierpark käme eine Löwin in den Sommermonaten durchaus in einem heimischen Waldstück zurecht. In einem ihr unbekannten Terrain könne davon ausgegangen werden, dass sie sich ins Unterholz zurückziehe und nicht aktiv den Kontakt zum Menschen suche. "Auch die Gefahr, dass ein Wildtier auf freier Fläche wie beispielsweise im Wald, Park oder Feld einen Menschen direkt angreift, ist geringer, als wenn es sich in einem Wohngebiet in die Enge getrieben und bedroht fühlt." Bei einer Begegnung mit dem Tier gelte es, genügend Abstand zu halten, die Polizei zu informieren und den Standort durchzugeben.
"Was vermieden werden muss, ist der Überraschungseffekt - eine Situation, wo die Löwin einen Kontrollverlust der Situation erlebt". Heribert Hofer, Direktor des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung Berlin
Tierschützer fordern strengere Regeln für Tierhaltung
Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten geht davon aus, dass die Löwin aus privater Haltung stammt. Die Organisation nahm dies zum Anlass, strengere Haltungsgesetze zu fordern. "Vorfälle wie diese ließen sich vermeiden, wenn es endlich bundesweit einheitliche Regelungen in Bezug auf die Privathaltung und den Handel von exotischen Tierarten gäbe", erklärte Nadine Ronco Alarcón. Es gebe schlicht Arten, die nicht für die private Haltung geeignet seien.
Jährlich werden der Organisation Pro Wildlife zufolge hierzulande hunderttausende Wildtiere als exotische Haustiere zum Verkauf angeboten. Damit gehöre Deutschland zu einem der größten Absatzmärkte. Die Folge seien "weitreichende Tier- und Artenschutzprobleme, aber auch hohe Risiken für die öffentliche Sicherheit und Gesundheit". Die Organisation forderte deshalb ebenfalls strengere Haltungsgesetze.
Immer wieder entlaufen aus Privathaushalten exotische Tiere. Erst vor wenigen Wochen büxte im rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach ein Serval aus - eine afrikanische Raubkatze. Im März war im schweizerischen Basel eine Gepardin entlaufen, 2016 in Nordrhein-Westfalen ein Schneeleopard.
Mit Informationen von dpa und afp
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