Als Anfang des Jahres Archäologen auf einer Baustelle in Nürnberg auf jahrhundertealte Skelette gestoßen sind, stand schnell fest: Es handelt sich wohl um den bis dahin größten bekannten Pestfriedhof Deutschlands – vielleicht sogar den zweitgrößten Europas.
Der Fund sorgte weit über die Grenzen Nürnbergs für Aufsehen - um den spektakulären Fund dauerhaft der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, hat die Partei "Die Franken" nun ein Doku-Zentrum am historischen Pestgrab in Nürnberg-Johannis gefordert. Wie die Partei mitteilt, solle das Grab aus dem 17. Jahrhundert an der archäologischen Fundstelle erhalten und für die Öffentlichkeit wissenschaftlich aufbereitet werden. Die Skelette könnten so an ihren Fundorten verbleiben und hinter Glas betrachtet werden.
Totenruhe soll gewahrt bleiben
Die Totenruhe bliebe so gewahrt und es ergäbe sich ein geeigneter Ort für Informationen rund um die Pest im Mittelalter, heißt es. Zudem würden die grünlichen Verfärbungen der Knochen, die vermutlich eine spätere Kupfermine an dieser Stelle verursacht hat, laut Vorsitzendem Andreas Brandl deutlich zeigen, "wie rücksichtslos wir mit unserer Welt umgegangen sind und auch heute noch umgehen". Der Bauherr, das Immobilienunternehmen WBG Nürnberg, solle vom Freistaat entsprechend entschädigt werden.
Geplant ist, dass am Fundort des Pestfriedhofs ein Pflegeheim für Senioren entsteht. Offiziell soll das neue Seniorenheim unweit des Pegnitzgrundes Ende 2026 bezugsfertig sein – die Bauarbeiten sind nach Angaben der WBG noch im Zeitplan. Sowohl ein Pflegeheim als auch Wohnungen speziell für Senioren sind geplant. Ein Dokuzentrum ist derzeit nicht geplant.
OB König für "würdevollen" Umgang mit den Toten
Der Vorsitzende der Frankenpartei ist nicht der erste, der sich für einen würdevollen Umgang mit den Toten des Pestgrabes ausspricht. Schon bei der Vorstellung des Fundes sagte Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU), dass die Stadt mit dem Grab "würdevoll" umgehen müsse. "Das waren Nürnbergerinnen und Nürnberger, das waren Menschen, die hier in einem Grab liegen. Wir wollen diesen Ort als Geschichtsort kenntlich machen und auch zeigen: Was war da? Was ist hier passiert?", so König. In diesem Zusammenhang kündigte er an, dass es eine Dauerausstellung geben werde. Details dazu gibt es aber noch nicht.
Einer der größten Pestfriedhöfe Europas
Das Pestgrab wurde bei Bauarbeiten entdeckt und wird derzeit wissenschaftlich untersucht. Die Experten rund um die Nürnberger Stadtarchäologin Melanie Langbein gehen davon aus, dass bis zu 1.500 Menschen in diesem Grab liegen. Damit wäre der Fund in Nürnberg – nach St. Pölten in Österreich – der zweitgrößte Pestfriedhof Europas. Bisher wurden in Nürnberg etwa 800 Skelette ausgegraben.
Der Fund in Nürnberg stamme wohl aus dem 17. Jahrhundert. Allein im Mittelalter raffte der "Schwarze Tod" ein Drittel der Bevölkerung Europas hinweg. "Nach allem, was wir bisher wissen – wir haben zum Beispiel Münzfunde oder auch schriftliche Quellen – gehört der Friedhof wohl in die 1630er-Jahre", sagt die Stadtarchäologin.
Von 1632 bis 1633 habe es in Nürnberg eine große Pestepidemie mit mehr als 15.000 Toten gegeben. Mit dem St. Johannisfriedhof, der nicht weit entfernt liegt und wo unter anderem Albrecht Dürer begraben ist, hätten die Pestgräber nichts zu tun, sagt Melanie Langbein. Es handele sich bei den aktuellen Ausgrabungen um einen eigenen, abgegrenzten Pestfriedhof.
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