Eine Frau mit Brille steht an einer Brennschneidanlage in einer Schweißerei, es sprühen Funken.
Bildrechte: BR24 / Gisela Staiger

Ramona Raum, Geschäftsführerin der Schweißerei Michel in Nürnberg, an der Brennschneidanlage.

Per Mail sharen
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Nürnberger Schweißerei fest in Frauenhand

Die kleine Schweißerei im Nürnberger Industriegebiet ist komplett in weiblicher Hand. Kundschaft ist die Industrie. Mit ihrer Fachkenntnis behaupten sich die Frauen in einem noch immer männerdominierten Handwerk.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

In der 1.000 Quadratmeter großen Werkhalle der Schweißerei Michel in Nürnberg sprühen die Funken. Ganz hinten, in einem abgetrennten Bereich, sitzt Geschäftsführerin Ramona Raum gerade vor einem Laserschweißer. Sie schaut durch ein Mikroskop, während sie einen hauchdünnen Draht an Bauteile für die Medizintechnik schweißt. Die 34-Jährige ist Metallbauer-Meisterin und internationale Schweißfachfrau. Qualifikationen, die nur wenige Frauen haben.

Große Bandbreite

"Wir gehen beim Laserschweißen ins Filigrane", sagt Ramona Raum. Der dünnste Schweißdraht, den sie hier verwende, habe einen Durchmesser von 0,2 Millimeter, fast schon vergleichbar mit einem Haar. In der Werkstatt würden aber auch 30 Zentimeter dicke Bleche mit dem Brennschneider bearbeitet. Es ist faszinierend, zu sehen, wie die Geschäftsführerin mit gepflegten, langen Fingernägeln den Draht führt. Raum findet es gut, dass auch Frauen in diesem männerdominierten Handwerk unterwegs sind. Gerade bei filigranen Arbeiten seien kleinere Frauenhände von Vorteil, sagt sie lächelnd. Vor drei Jahren hat die 34-Jährige den Familienbetrieb von ihrer Mutter übernommen.

Seniorchefin und Schwester im Büro

Seniorchefin Cornelia Michel sitzt noch immer im Büro, kümmert sich um Auftragseingang und Warenbestand. Die Betriebswirtin war die erste Frau in der Familie, die sich in dem männerdominierten Handwerk durchsetzen musste. 2002 hat ihr der Vater, Firmengründer Konrad Michel, die Schweißerei überschrieben. "Ich hatte am Anfang schon ein bisschen Hemmungen vor den Kunden, wenn sie angerufen haben und den Chef sprechen wollten," gesteht Cornelia Michel. Die 59-Jährige erzählt, sie habe dann immer gesagt, "Sie sprechen mit der Chefin". Daraufhin sei sie von Kunden oft gelöchert worden. Als diese dann aber bemerkten, dass sie entsprechende Antworten parat und vom Schweißen Ahnung hatte, war das Eis gebrochen. Inzwischen werde ganz selbstverständlich nach der Meisterin oder der Chefin gefragt.

Cornelia Michels zweite Tochter, Marina Raum, arbeitet auch im Büro. In Kürze wird die Betriebswirtin die Position ihrer Mutter einnehmen. Cornelia Michel möchte sich dann Stück für Stück aus dem Familienbetrieb zurückziehen.

Europa- und weltweit gefragt

Die kleine, familiengeführte Schweißerei mit vier Beschäftigten arbeitet für Großkunden und deren Tochterfirmen in ganz Europa und sogar weltweit. "Auftraggeber für uns ist die Industrie, im Energiebereich, Kraftwerksbau, die Automobilindustrie und da speziell Formen- und Werkzeugbau", erläutert Cornelia Michel. Der Familienbetrieb besetze eine gefragte Nische im Metallhandwerk. Er biete eine hohe Fertigungstiefe und könne sämtliche Grundstoffe bearbeiten, so die Seniorchefin weiter.

Zudem sei die Schweißerei spezialisiert auf die Verarbeitung von mehr als 50 verschiedenen Schweißzusatzstoffen, für jede gewünschte Materialbeschaffenheit, was vor allem die Automobilindustrie schätze. Ihre Tochter, Geschäftsführerin Ramona Raum, ergänzt: "Wir können an Formen so schweißen, dass man nach der Fertigbearbeitung die Schweißnähte, den Schatten nicht mehr sieht. Dieses Verfahren hat der Opa damals erfunden, der hat sich ewig lang damit beschäftigt und das zeichnet uns aus."

Junge Frau zur Metallbauer-Meisterin ausgebildet

In ihrer Werkstatt beschäftigt Ramona Raum drei Männer und eine Frau, Andrea Steineck, die sie selbst ausgebildet hat. Dreieinhalb Jahre dauert die Ausbildung – wer den Meister draufsattelt, braucht mindestens noch ein weiteres Jahr. Bei den Metallbauern wächst der Frauenanteil prozentual nur langsam. In den vergangenen zehn Jahren hat er sich in Bayern vervierfacht, bundesweit verdoppelt. In beiden Fällen aber bleibt er unter fünf Prozent, so die Statistik des Zentralverbands des Deutschen Handwerks.

Die 24-jährige Andrea Steineck kann das bestätigen: "Ich war das einzige Mädchen in der Ausbildungsklasse, aber die waren alle nett", erzählt sie lachend. Sie habe sich für den Beruf entschieden, weil sie etwas Handwerkliches machen wollte und während eines Schulpraktikums mal schweißen durfte. Das habe sie ziemlich cool gefunden. Die junge Frau setzt ihren Helm auf, klappt das Visier herunter und beginnt mit Schweißarbeiten an einem wasserdichten Edelstahlbehälter für Druckprüfungen im Kraftwerksbereich.

Enkelinnen des Firmengründers übernehmen

Im Büro wird Raums Schwester Marina im September den Platz der Mutter übernehmen. Dann ist die Firma komplett in Händen der Enkelinnen des Firmengründers Konrad Michel, der im Mai dieses Jahres verstorben ist. Ein großes Familienfoto und zahlreiche Zertifikate hängen an einer Wand des Büros. Konrad Michel hätte sich gefreut zu sehen, wie seine Mädels alles meistern, meint Betriebswirtin Marina Raum. "Also ich glaube, gesagt hätte er nicht viel, aber er wär stolz gewesen, er wäre richtig stolz gewesen auf uns." Auch Marina Raum hat zwei Töchter – wer weiß, vielleicht bleibt die Firma ja in Frauenhand.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!