Der Biolandhof Wagner in Oberthürheim im Landkreis Dillingen
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Der Biolandhof Wagner in Oberthürheim steht auf vielen Standbeinen: Schweinezucht, Bullenmast, Milchviehbetrieb mit Ammenkühen und Hofladen.

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Nur große Höfe überleben? Biobäuerin stemmt sich gegen Trend

Nur große Höfe überleben? Biobäuerin stemmt sich gegen Trend

Milchkühe, Schweine- und Rindermast, ein Hofladen: Es braucht viele Standbeine, um als kleiner Hof zu überleben. Wie das funktionieren kann, zeigt die Familie Wagner auf ihrem Biobauernhof im 250-Einwohner-Dorf Oberthürheim im Landkreis Dillingen.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Halb sechs Uhr morgens, noch ist es stockdunkel. Der erste Weg am Tag führt Franziska und Tobias Wagner in den Stall. Dort ist es ganz ruhig. Die vielen Kälbchen, die in den vergangenen Wochen geboren sind, liegen im Stroh und schlafen. Ihre Mütter warten hingegen schon aufs Melken.

Franziska Wagner kennt alle ihre 50 Milchkühe beim Namen. Ein paar von ihnen gehen nicht in den Melkstand, sie haben eine besondere Aufgabe. Sie sind Ammenkühe. Auf dem Biohof der Wagners bekommen die Kälbchen nämlich keine aus Wasser und Pulver angemischte Milch aus Eimern zum Trinken, sondern sie dürfen in der ersten Lebenswoche bei ihrer Mutter, dann bei einer Ammenkuh trinken. Damit hätten sie nur gute Erfahrungen gemacht, sagt Tobias Wagner: Fast 50 Kälbchen seien in den vergangenen Wochen geboren, alle seien wohlauf. Gesunde Tiere, das bedeutet auch, geringe Tierarztkosten.

Erst seit 2017: Milchkühe als weiteres Standbein

Das war nicht von Anfang an so. Erst 2017 haben die Wagners mit der Milchkuhhaltung begonnen, als weiteres Standbein neben der Schweine- und Rindermast sowie dem Hofladen. Anfangs mussten sie natürlich Kühe zukaufen, da gab es oft Probleme, erinnert sich Franziska Wagner: "Da war der Tierarzt manchmal täglich da. Das hat mich manchmal schon viele Tränen gekostet, und man kann gar nichts machen. Aber wir haben immer gesagt, nächstes Jahr wird's besser... Und es ist wirklich so, wir haben jedes Jahr was dazu geschafft. So lange machen wir es ja noch gar nicht, aber es läuft schon so toll", sagt die 39-Jährige und strahlt.

Die Wagners haben viel ausprobiert, auch bei den Kälbchen: Die Ammenkuhhaltung hat sich bewährt, inzwischen haben sie nur noch Tiere aus eigener Nachzucht und die sind gesund. Gehalten werden die erwachsenen Tiere in einem Laufstall, in der Gruppe. Im Sommer sind sie 24 Stunden draußen auf der Weide.

Wie alles abläuft in ihrem Stall, das hält Franziska Wagner mit dem Handy fest. Gefilmt hat sie beispielsweise auch einige der vielen Kälbchengeburten. Abends ist sie dann damit beschäftigt, die Videos auf Instagram hochzuladen: Offenheit und Transparenz sind ihr wichtig. Außerdem stärke das die Bindung zu den Kunden, sagt die Bäuerin. Manchmal postet sie auch Rezepte, schreibt kleine Texte zu den Fotos. Das kommt nicht von ungefähr: Früher habe sie mal überlegt, ob sie vielleicht Journalistin werden solle. Dann aber hat es die Tochter zweier Steuerberater doch in Richtung Landwirtschaft gezogen. Auf der Meisterschule hat die gebürtige Baden-Württembergerin ihren Mann kennen und lieben gelernt – und kam so auf den Wagnerhof in Oberthürheim.

Bäuerin: "Zu wenig Biomäster für unsere männliche Nachzucht"

Inzwischen trinken die kleinen Kälbchen gierig bei den Ammenkühen. Franziska Wagner ist unterdessen mit Melken beschäftigt. Für sie – die "ruhigste Zeit des Tages". "Die Zeit im Melkstand ist so 'n bisschen meine Erholungsphase. Ich mag die Zeit total gerne. Da kann ich erstmal in Ruhe aufwachen", sagt die 39-Jährige, nimmt einen Büschel Holzwolle und wischt die Zitzen der nächsten Kuh ab, bevor sie das Melkgeschirr am Euter ansetzt.

Der Großteil der Milch wird alle zwei Tage von der Molkerei abgeholt. Etwa viermal im Jahr kommt außerdem eine mobile Käserei und stellt aus der Milch Käse her, den es dann im Hofladen zu kaufen gibt. Einen weiteren Teil der Milch bekommen die Kälbchen, die die Wagners aus Platzgründen nicht behalten können. Die dürfen nicht zur Ammenkuh, sondern müssen lernen, die frisch gemolkene Milch aus Eimern zu saufen. Denn, werden sie verkauft, müssen sie das können: "Wir haben tatsächlich noch das Problem, dass wir keine Biomäster haben, die unsere Bullenkälber weitermästen würden", sagt Franziska Wagner. Nur zehn bis zwölf Rinder haben die Wagners zum Mästen selbst im Stall und müssen also immer wieder Tiere an Landwirte verkaufen, die konventionell wirtschaften. "Das ist kein so gutes Gefühl, wenn man weiß, sie werden hier in Gruppen und auf Stroh gehalten, und man weiß, die kommen vielleicht auf Spalten ... Das ist schon ein Herzschmerz von uns, das wollen wir ändern", sagt die Bäuerin und wendet sich der nächsten Kuh zu.

Nach den Kühen schnell zu den Kindern

Etwa eineinhalb Stunden braucht sie, bis alle durch sind. Dann ist es sieben Uhr. Zeit für Franziska Wagner, ins Haus hochzugehen und nach ihren vier Kindern zu schauen. Die werden von der Oma geweckt, sie macht ihnen auch Frühstück. Aber Franziska Wagner will die beiden Großen, die acht Jahre alte Felicia und die elf Jahre alte Lilly, noch sehen, bevor sie zum Schulbus gehen. Eigentlich müsste sie dann Amelie in den Kindergarten fahren, doch die kränkelt ein wenig und bleibt deshalb zuhause. Auch der Kleinste, der zweijährige Kilian, ist noch nicht wieder ganz fit. Die beiden werden heute also bei der Arbeit dabei sein.

Erst aber gibt es noch ein Müsli für alle, Franziska Wagner checkt unterdessen die Liste der zugekauften Bioware für den Hofladen. Den hat ihre Schwiegermutter bereits in den 90er-Jahren eröffnet. Seitdem ist das Sortiment immer weiter gewachsen. Die beiden Frauen versuchen, die Wünsche ihrer Kunden zu erfüllen. Deshalb kommt donnerstagmorgens immer eine große Lieferung an Waren, die Franziska Wagner jetzt gemeinsam mit einer Nachbarin und ihrer Schwiegermutter einräumt. Nachmittags öffnet der Laden wieder.

Problem der Landwirte: "Wir können keine eigene Rechnung schreiben"

Tobias Wagner schaut unterdessen nach den Schweinen. Die Ferkel strecken ihm neugierig ihre Nasen entgegen, bei den Zuchtsauen sorgt der Eber gerade dafür, dass es bald noch mehr Nachwuchs geben wird. Die Schweine stehen auf Stroh, das fressen sie auch, wühlen mit ihren Nasen darin herum. Geschlachtet werden sie, genau wie die Mastbullen der Wagners, beim Metzger im Nachbarort. Kurze Wege, das bedeutet weniger Stress für die Tiere. Direkt, also über Bestellungen sowie im eigenen Hofladen, können die Wagners etwa ein bis zwei Schweine pro Woche und bis zu einem Rind pro Monat vermarkten.

Der Rest geht, wie der Großteil der Milch, in den Handel. Anders als im eigenen Hofladen sind die Preise dort fix. "Eines der größten Probleme ist, dass wir keine eigene Rechnung schreiben", sagt der Landwirt. "Wenn die Betriebskosten steigen, können wir das nicht der Molkerei auf die Rechnung schreiben." Der Milchpreis bleibe gleich. "Andere geben die Kosten 1:1 weiter. Das können wir nicht", sagt er. Die Produktion einstellen oder drosseln, das gehe bei einem Landwirt auch nicht. "Das sind Tiere, die fressen, geben Milch, das sind Lebewesen." Unterdessen seien Lebensmittel in Deutschland einfach zu billig. Zu diesen Preisen könnten die Bauern nicht produzieren.

Mit dem Begriff "Subvention" tue er sich deshalb sehr hart. "Weil die breite Bevölkerung denkt – die Bauern kriegen so viel Subventionen, was jammen die denn. In Wirklichkeit müsste das mal in das Bewusstsein, dass das keine Subvention für den Bauern ist, sondern für den Verbraucher, damit die die Lebensmittel so billig kaufen können", sagt Tobias Wagner. Weil er mit all dem nicht einverstanden sei, sei er auch einmal bei einem Bauernprotest dabei gewesen.

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Franziska Wagner in ihrem Hofladen

Hohe Wertschätzung beim Verkauf der Produkte im Hofladen

Unterdessen sind die Wagners überzeugt: Könnten sie all ihre selbst erzeugten Lebensmittel direkt vermarkten, im Hofladen, wären sie auf Subventionen nicht angewiesen. Wenn die Wertschöpfung wie im Hofladen beim Landwirt bliebe, meint Franziska Wagner, und nicht über viele Hände verteilt würde, dann würde das reichen.

Franziska Wagner geht es dabei aber nicht nur ums Monetäre: Klar, der Hofladen mache viel Arbeit. "Aber – es ist halt einfach eine enorme Wertschätzung, wenn ich den Kunden persönlich treffe. Wenn ich es an die Molkerei liefere, dann hab' ich zwar keine weitere Arbeit damit. Aber den Kunden, der die Milch dann trinkt, den seh' ich halt nie." Viele Kunden kennt sie schon lange. Wie Roland Schörk-Sigl, der regelmäßig kommt, um seinen Wocheneinkauf zu erledigen. Fleisch, Gemüse, Brot und Nudeln und noch einiges mehr wird er heute kaufen. Klar koste das ein wenig mehr. Aber, sagt er: "Bei Lebensmitteln haben wir noch nie aufs Geld geschaut. Man schmeckt die Qualität, und für die Tiere ist es gut."

Franziska Wagner lächelt: Das ist die Wertschätzung, die ihr die Kraft gibt, um die viele Arbeit stemmen zu können. Schließt der Laden, geht es für sie wieder in den Stall. Dann warten schon die Kühe, zum Melken.

Dieser Artikel ist erstmals am 11.02.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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