Intensivstation Kinder
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Eine Intensivpflegerin hält auf einer Kinder-Intensivstation den Fuß eines Kindes in der Hand.

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Personalknappheit - Alarm auf Kinderintensivstationen

Personalknappheit - Alarm auf Kinderintensivstationen

Immer wieder müssen Kinder verlegt werden, damit Kinder, denen es schlechter geht, aufgenommen werden können. Ein Grund: Der Freistaat hat die Ausbildung zur Kinderkrankenpflege zurückgefahren und setzt mehr auf Generalisten. Das rächt sich jetzt.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Bei ihrer Geburt wiegen Rosalie und Johanna nur 1.210 und 1.260 Gramm. Die Zwillingsschwestern sind gesund, aber acht Wochen zu früh zur Welt gekommen. Sie müssen wochenlang auf der Neugeborenen-Intensivstation überwacht werden. Doch ihr Intensivbetreuungsplatz im Universitätsklinikum München-Großhadern wird für einen anderen kleinen Patienten gebraucht. Die beiden Frühchen sind gerade einmal zwei Wochen alt, da werden sie in eine mobile Kinderintensivstation verladen und mit dem Helikopter ins Klinikum Garmisch-Partenkirchen gebracht.

Zwillinge brauchen nach Verlegung Atemhilfe

Im Gespräch mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers wird deutlich: Für Katy und Michael Dotzauer, die Eltern der Frühchen-Zwillinge, ist die Verlegung ihrer Kinder eine nervliche Zerreißprobe. "Ist das gut für die Kinder oder nicht? Man hat schon Zweifel", erzählt Katy Dotzauer. Vor allem, da die Verlegung medizinische Konsequenzen für die beiden Mädchen hat. "Garmisch liegt ja 200 Meter höher als München. Das hatte zur Folge, dass sie Atemhilfe für die nächsten Tage gebraucht haben, die sie vorher in München nicht hatten", sagt Michael Dotzauer.

Jeder Intensivtransport mit Risiken behaftet

Für Professor Andreas Flemmer, Leiter der Neonatologie im Klinikum Großhadern, ist es jedes Mal eine schwere Entscheidung, ein Neugeborenes zu verlegen, denn: "Natürlich ist jeder Transport mit Risiken behaftet, insbesondere dann, wenn das Kind noch nicht ausreichend selbst atmen kann, also Atemunterstützung braucht." Rosalie und Johanna haben die Verlegung zum Glück gut überstanden, doch sie wäre vermeidbar gewesen. Eigentlich wäre in der Neonatologie in Großhadern Platz für 15 Intensivbetten, doch weil es nicht genug Kinderkrankenpflegekräfte gibt, konnten hier nur sieben Betten belegt werden.

Kinderärzte halten Politik für verantwortlich

Der Fachkräftemangel trifft die Neugeborenen- und Kinderintensivstationen hart. Aktuell fehlen in Deutschland 3.000 Kinderkrankenpflegekräfte, schätzt der Fachverband "Gesellschaft der Kinderkrankenhäuser und Kinderabteilungen in Deutschland". Und die Lage verschlimmere sich zusehends, denn der Nachwuchs in der Pädiatrie, also in der Kinderkrankenpflege, bleibe aus: bis zu 700 Kräfte fehlen jedes Jahr. Ein möglicher Grund dafür, vor allem in Bayern: Die spezielle Ausbildung zur Kinderkrankenpflegekraft wurde vom bayerischen Gesundheitsministerium bewusst zurückgefahren. Man setzt lieber auf Generalisten, die vielseitig einsetzbar sind. Das bayerische Gesundheitsministerium teilt dazu mit: "Auch im Rahmen der Generalistik kann ein Schwerpunkt bzw. eine Vertiefung in der Pädiatrie erfolgen." Allerdings werden erworbene Zusatzqualifizierungen weder im normalen oder noch im Kinderpflegebereich gut bezahlt. Auch das schreckt den Nachwuchs ab.

Mediziner fordern mehr Kinderkrankenpflege-Ausbildungsplätze

Die ohnehin schon angespannte Lage auf den Neugeborenen- und Kinderintensivstationen wird nun noch verschärft durch Corona und das RS-Virus, an dem besonders Kleinkinder schwer erkranken können. Prof. Andreas Flemmer, Leiter der Neonatologie, ist sehr besorgt über diese Entwicklung: "Meine Kollegen und ich versuchen seit Jahren, das der Politik zu erklären. Und man muss sich darüber im Klaren sein, selbst wenn wir heute die Ausbildungsplätze erhöhen würden, würde sich dieser Effekt in frühestens drei Jahren auswirken." Solange wird es immer wieder Fälle wie die von Rosalie und Johanna geben, die kaum geboren schon verlegt werden müssen. Für die beiden glücklicherweise ohne nachhaltige Konsequenzen. Sie konnten mittlerweile entlassen werden und sind endlich bei ihren Eltern zuhause.

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