Das finanzielle Ausmaß des mutmaßlichen Betrugs um das Caritas Alten- und Pflegeheim in Seeg ist laut Caritas-Anwalt Stefan Kiefer deutlich größer als bislang bekannt. Der Seeger Bürgermeister Markus Berktold (CSU) wird verdächtigt, zusammen mit dem damaligen Leiter des Heims 1,1 Millionen Euro an Corona-Hilfen erschlichen zu haben, weshalb er seit Januar in Untersuchungshaft ist.
Stefan Kiefer, Anwalt und SPD-Stadtrat in Augsburg, ist vom Caritas-Dachverband in Augsburg damit beauftragt worden, die Vorgänge in Seeg aufzuarbeiten. Er geht davon aus, dass Berktold als Vorsitzender eines Vereins und Chef dreier GmbHs mehr als drei Millionen Euro rechtswidrig vereinnahmt und ausgegeben hat.
Caritas-Anwalt: 2,4 Millionen Euro verschwunden
Markus Berktold ist alleiniger Vorstand des Vereins "Caritas Stiftung Seeg". Im Jahr 2020 betrug das Vereinsvermögen laut Kiefer 2,4 Millionen Euro. Das gesamte Vermögen sei aber jetzt weg, so Kiefer. Das sei nicht alles rechtswidrig, denn einiges von dem, was Berktold mit dem Geld gemacht habe, sei ansatzweise mit den Vereinsgremien besprochen worden, in einem Fall in Form eines Beschlusses. Aber für einen Großteil der Ausgaben handelte Berktold laut Kiefer ohne Grundlage und nicht im Sinne des Caritas-Vereins.
Außerdem fehlten Mieteinnahmen für den Verein "Caritas Stiftung Seeg" in Höhe von bis zu einer Million Euro, denn der Verein besitze eine Immobilie, die in Teilen für Pflege genutzt werde, so Kiefer. Berktold wolle seinen Vorstandsposten im Verein nicht abgeben und der Bestellung eines Notvorstands habe er nicht zugestimmt. Der Caritasverein sei damit handlungsunfähig, so der Anwalt.
Bürgermeister soll sich Immobilie mit Caritas-Geld gekauft haben
Kiefer wirft Berktold außerdem vor, mit Geld des Vereins "Caritas Stiftung Seeg" für circa 500.000 Euro eine Gewerbeimmobilie für seine eigene Gesellschaft gekauft zu haben. Dort sollte laut Kiefer ein Teil der Gemeindeverwaltung einziehen, was bislang aber nicht geschah. Beschlüsse habe es dafür keine gegeben.
Zudem beschuldigt Kiefer Berktold, drei Pflegerinnen des Ordens "Daughters of Divine Love" circa drei Jahre lang für ihre Arbeit nicht bezahlt zu haben, deren Leistungen mit der Krankenkasse aber abgerechnet zu haben. Es seien so bis April Rückstände in Höhe von circa 230.000 Euro entstanden.
Betrieb im Seniorenheim in Seeg läuft weiter
Der Betrieb im Caritas Altenheim Seeg läuft unterdessen weiter. Angesichts der Tatsache, dass der Gesellschafter, Markus Berktold, in Untersuchungshaft ist, seien sowohl Pfleger und Pflegerinnen als auch Bewohner verunsichert, sagt Kiefer. Um den Betrieb der Einrichtung kümmern sich laut dem Augsburger Caritas-Direktor Andreas Magg der Pflegedienst "Ulrichspflege GmbH" und drei weitere, privatwirtschaftliche Gesellschaften, die 2020 gegründet wurden. Vorstand des Pflegedienstes und alleiniger Gesellschafter der Gesellschaften ist Markus Berktold. Das Ziel von Caritas-Anwalt Stefan Kiefer ist es, die Pflege ohne Berktold sicherzustellen.
Der Anwalt des Bürgermeisters und die für die Ermittlungen zuständige Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg sind für eine Stellungnahme angefragt, bisher gibt es noch keine Rückmeldung. Die Gemeinde Seeg will auf Anfrage zu den neuen Vorwürfen nichts sagen.
- Zum Artikel: Anwalt des Seeger Bürgermeisters: "Haftbefehl abwegig"
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