Wenn Thomas Frey auf sein Dach steigt, sieht er das Ergebnis jahrelangen Kampfes. Denn für die Photovoltaik-Anlage, die sich dort über 42 Quadratmeter erstreckt, hat er viel mit den Ämtern der Stadt Regensburg diskutieren müssen. "Mir wurde deutlich gemacht, dass die Baugenehmigung unbestimmte Zeit länger dauern kann, wenn ich nicht auf die Solaranlage verzichte." Vor allem wegen des Denkmalschutzes. "Das war damals fast ein Grund, das Haus nicht zu sanieren und hierherzuziehen.“
Photovoltaik im Denkmalschutz oft nicht zulässig
Der Ingenieur wohnt mit seiner Familie in einem Ensemble, der sogenannten "Ganghofer-Siedlung". Ein Viertel aus rund 140 gleichen Häusern, erbaut 1936 von den Nationalsozialisten für Mitarbeiter des ehemaligen Messerschmitt-Werks. Wegen des Denkmalschutzes kontrolliert die Stadt ganz genau das Erscheinungsbild. Und die Photovoltaik-Anlage von Frey passte lange nicht ins Bild. "Für mich ist die Entscheidung des Denkmalschutzes nicht nachvollziehbar, da wir alles tun müssen, um erneuerbare Energien zu nutzen." Für Frey müsse daher jede verfügbare Dachfläche genutzt werden.
Beispiel Regensburg: Öl und Gas als Energiequelle
Thomas Frey gehört in Regensburg zu einer stetig wachsenden Bürgerschaft, die Solarenergie nutzt. 2.788 Photovoltaik-Anlagen produzieren rund 41 Megawatt Strom und Wärme. In der denkmalgeschützten Altstadt sind es gerade mal sieben Anlagen mit einer Gesamtleistung von 142 Kilowatt. Denn in der Regensburger Altstadt sind PV-Anlagen nicht zulässig. Die Stadt beruft sich dabei auf Bauordnung und Denkmalschutz.
"Hintergrund ist der besondere Status dieses – seit 2006 in die Welterbeliste der UNESCO eingetragenen – historischen Stadtdenkmals. […] Daraus leitet sich sowohl im nationalen als auch im übernationalen Kontext ein Schutzauftrag ab, der sich nicht nur auf die bauliche Bausubstanz, sondern auch auf deren visuelle Erlebbarkeit erstreckt." Stadt Regensburg auf BR-Anfrage
Die wichtigste Energiequelle der Stadt ist nach wie vor Gas und Öl; vor allem, wenn es um das Heizen geht. Laut dem Energienutzungsplan der Stadt wurden etwa 1,9 Millionen Megawattstunden Erdgas und rund 110.000 Megawattstunden Heizöl verbraucht.
Energieexperte: Ukraine-Krieg verlangt Umdenken
Als Folge des Ukraine-Kriegs wird der Ruf nach einer Energiewende und damit nach einer Anpassung der Bauvorschriften lauter. Ein prominenter Vertreter ist Michael Sterner, Professor für Energiespeicher und Energiesysteme an der Ostbayerischen Technischen Hochschule in Regensburg. Als es jüngst im Regensburger Stadtrat um das Thema Energie und Klima in der Stadtentwicklung ging, hat Sterner zum Protest vor dem Neuen Rathaus geladen. Er fordert eine Solarpflicht oder zumindest den Ausschluss von Öl und Gas in Neubaugebieten.
"Um klimaneutral zu werden, müssen wir ganz konkrete Maßnahmen umsetzen. Wir können nicht auf Freiwilligkeit hoffen. Wenn die Stadt vorschreiben kann, wie ein Haus denkmalgeschützt saniert werden oder welche Farbe die Fensterläden haben soll, dann kann sie auch ganz locker vorschreiben, dass auf jedes Dach eine Photovoltaik kommt." Michael Sterner, Professor für Energiespeicher und -systeme OTH Regensburg
Schließlich würde der Strom dort produziert, wo er auch verbraucht werde, sagt Sterner. Dass die Stadt daher auf dem Denkmalschutz beharrt statt auf Energieunabhängigkeit zu setzen, widerstrebt dem Energieexperten. "Erneuerbare Energien liegen ganz klar im öffentlichen Interesse und dienen der Sicherheit. Und das ist für mich entscheidender als der Denkmalschutz." Die Stadt Regensburg verweist auf die bayerische Verfassung, die den Schutz des Denkmals festschreibt. Die gilt auch für andere Städte Bayerns.
Beispiel Passau: Keine "sichtbaren" Solaranlagen?
Urban Mangold liebt den Anblick von Passau. Der ehemalige zweite Bürgermeister der Dreiflüssestadt macht sich daher stark für den Denkmalschutz. „Speziell in Passau ist es ja so, dass die vom Krieg unzerstörte Dachlandschaft ein ganz großer Wert ist.“ Sichtbare Photovoltaik-Anlagen würden laut Mangold das Erbe beschädigen. Doch auch in Passau hat die Debatte mit dem Ukraine-Krieg wieder an Brisanz gewonnen.
"Seit Beginn des Ukraine-Kriegs bestreitet wohl niemand mehr, dass jede Photovoltaikanlage ein Stück Unabhängigkeit ist. Trotzdem muss man in einem historischen Ensemble wie der Passauer Altstadt behutsam vorgehen." Urban Mangold, ÖDP, Stadtrat in Passau
Der Passauer Stadtrat will aber die Altstadtsatzung ändern, die seit 1986 unter anderem klärt, was im Zentrum gebaut werden darf und was nicht.
Änderung der Altstadtsatzung: Entscheidung vertagt
Urban Mangold sieht die Änderung kritisch, ist im Prinzip aber nicht gegen den Bau. Er wäre für einen Kompromiss: "Photovoltaik-Anlagen wären in der Altstadt möglich, wenn man sie weder von Aussichtspunkten noch vom öffentlichem Raum aus sieht." Nach einem Jahr kontroverser Diskussion wollte Ende März der Passauer Stadtrat endlich über die Änderung der Altstadtsatzung entscheiden. Doch kurz vor der Sitzung hat Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) angekündigt, dass die Entscheidung vertagt werde. Es gebe noch Klärungsbedarf.
"Green Deal": Weg von fossilen Energieträger
Tatsächlich können Photovoltaikanlagen in Altstädten wie Regensburg und Passau nur einen äußert kleinen Teil zur Energiewende beitragen, sagen auch Solarbefürworter. Das liegt meist an der oft zu geringen Dachfläche für die Anlagen, die aber meist mehrere Wohnungen in mittelalterlichen Gebäuden versorgen müssen. Allerdings gibt es im Zentrum auch großflächige Gebäude wie Parkhäuser, die in Frage kommen würden. Die Stadt Regensburg will stattdessen mit einem ‚Green Deal‘ etwas tun, um die Abhängigkeit von Gas und Öl zu reduzieren, auch im Altstadtbereich. So will man prüfen lassen, ob über den Einsatz von Wärmepumpen dem Donauwasser Wärme entzogen und über ein Wärmenetz in der Altstadt verteilt werden kann. Außerdem werden laut der Stadt Regensburg derzeit Konzepte erarbeitet, wie auch Photovoltaik auf städtischen Liegenschaften mehr genutzt werden könnte. 14 Gebäude hat die Stadt bereits ausgemacht, die sich aber größtenteils nicht in der Altstadt befinden.
"Energiewende scheitert an Kleinigkeiten"
Bisher sind es Bürger wie Thomas Frey, die unter anderem erreicht haben, dass Photovoltaik-Anlagen in denkmalgeschützten Ensembles wie der "Ganghofer-Siedlung" durchaus zulässig sind; auch wenn deren Installation weiterhin strengen Vorschriften unterliegt. So ist die Anlage nicht auf dem alten Haus, sondern auf dem neugebauten, flachen Nebengebäude installiert. Nicht mal einen Zentimeter darf die Anlage über der Attika des Flachdachs herausspitzen. Und nur 75 Prozent der Fläche dürfen genutzt werden; da man laut Stadt ja das Ensemble auch vom Flugzeug sehen könne, erklärt Frey.
„Die Energiewende scheitert schon an Kleinigkeiten, der Bürokratie und Gesetzen, die nicht mehr zeitgemäß sind.“ Thomas Frey, Hausbesitzer aus Regensburg
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