Zwei Wochen war Kassiererin Helga Schöner im Urlaub – und ohne sie war es plötzlich ungewöhnlich still im Frische-Center Höchner in Schweinfurt. Schließlich ist Schöner die Plauderbeauftragte im Edeka-Markt: Jeden Dienstag sitzt sie an der sogenannten "Plauderkasse", um sich mit den Kunden zu unterhalten. Und die haben sich mittlerweile an das wöchentliche Plaudern gewöhnt. "Es ist einfach lockerer so", erzählt ein Kunde, während Schöner seine Erdbeeren abwiegt. "Nicht so unpersönlich wie sonst."
Wohl erste Plauderkasse Deutschlands: "Resonanz ist sehr gut"
Das Konzept ist denkbar einfach: Jeden Dienstag von acht bis zwölf hat die Plauderkasse geöffnet. Und wer sich hier anstellt, darf sich explizit Zeit lassen beim Zahlen und Einpacken – oder sich eben auch mal in ein Gespräch verwickeln lassen. Gerade zu Zeiten von Selbstscan-Kassen und Einkauf-Apps möchte Inhaber Marius Höchner so wieder mehr auf den persönlichen Kontakt setzen. Sein Fazit nach vier Monaten: mehr als positiv. "Die Resonanz ist sehr gut", erzählt Höchner. Mittlerweile würden die Kunden die Plauderkasse kennen und auch im Dienstplan sei das Konzept gut integriert. "Die Plauderkasse ist hier nicht mehr wegzudenken", so Höchner.
Von Small Talk bis Tiefgang: "Hier gibt es keine Tabus"
Tatsächlich kämen manche Kunden mittlerweile sogar extra am Dienstag, erzählt Kassiererin Schöner. Über was geredet wird, da gebe es keine Tabus. "Ich bin oft erstaunt, was für persönliche Sachen mir manche Kunden anvertrauen", gibt Helga Schöner zu. Was genau – das will sie aber nicht verraten: "Wenn mir als eigentlich Fremde so viel Vertrauen geschenkt wird, dann möchte ich das nicht ausplaudern", sagt Schöner. Im nächsten Moment kann es an der Kasse aber auch schon wieder lustig zugehen. Mitarbeiterin Schöner freut sich besonders, wenn dann mehrere Kunden mitreden und sogar untereinander ins Gespräch kommen.
Kasse für alle Generationen: Gegenpol zum schnellen Einkauf
Grenzen gibt es dabei eigentlich keine, auch nicht was die Länge des Gesprächs angeht. Sie würde niemanden abwürgen, erzählt Schöner. Natürlich komme es dann vor, dass auch an der Plauderkasse der ein oder andere ungeduldig wird. Doch auch dann lässt die Mitarbeiterin sich nicht hetzen: Notfalls müsse derjenige eben an eine andere Kasse wechseln oder die Selbstscan-Kassen nutzen, denn die gibt es auch im Schweinfurter Edeka-Markt. Der Frische-Center soll alle Generationen ansprechen, erzählt Inhaber Höchner. Und durch die Plauderkasse gehe es an den anderen Kassen dann entsprechend viel schneller voran.
"Langsame Kassen" bereits in anderen Ländern
Bei der Schweinfurter Plauderkasse handelt es sich laut Marius Höchner wohl um die erste ihrer Art in Deutschland. In anderen Ländern ist das Konzept von sogenannten "langsamen Kassen" aber bereits etabliert: Die niederländische Supermarktkette Jumbo führt sogenannte "Kletskassa" (dt. Plauderkassen) in mittlerweile über 100 Filialen. Und auch in Japan und der Schweiz werden ähnliche Ansätze erprobt.
Seit Kurzem gibt es nun auch in Bayern einen Nachahmer: In Buxheim bei Memmingen läuft aktuell ein "Ratschkassen"-Projekt. Zunächst ist es jedoch nur bis Juli vorgesehen.
Alles kann, nichts muss: "Ich kann auch still sein"
In Schweinfurt aber soll das Konzept auf jeden Fall langfristig beibehalten werden. Nicht nur für die Unterhaltung, sondern auch für die Gemütlichkeit beim Einkaufen. Manche Kunden kaufen eben lieber entspannt ein oder sind einfach nicht mehr so schnell, erzählt Kassiererin Helga Schöner. Und an der Plauderkasse wird eben niemand komisch angeschaut, der noch Kupfergeld abzählt oder doch länger braucht, um den Familieneinkauf zu verstauen.
Und wenn ein Kunde dabei gar keine Lust aufs Plaudern hat? "Dann kann ich auch einfach still sein", behauptet Schöner und lacht: "Es ist schwierig. Aber es geht. Selbst bei mir."
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