Namen bekommen sie beim ihm keine: weder der Storch, der bei seinem Erstlingsflug krachend an einer Hauswand gescheitert war, noch die junge Elster, die in der Voliere nach Zuwendung schreit. Wolfgang Stephl aus Siegsdorf will so wenig persönliche Beziehung wie möglich zu den Wildvögeln aufbauen, die er in Obhut nimmt. Sein Anliegen ist es, die Tiere gesund zu pflegen, wenn sie verletzt sind, oder sie großzuziehen - um sie so bald wie möglich wieder in die Freiheit zu entlassen.
Ein großes Herz für Wildtiere
Tiere faszinieren Stephl seit seiner Kindheit. Aber Wildtiere haben es dem gelernten Schmied und inzwischen pensionierten Anlagentechniker besonders angetan. Wolfgang Stephl hat auf dem Grundstück seines Anwesens eine Art private Auffangstation eingerichtet: mit kleinem Teich, vielen Volieren und großzügigen Gehegen.
- Zum Artikel: Ohne Ausnahme: Eveline Klose nimmt alle Tiere in Not auf
Jungstorch mit Trauma in der Auffangstation
Auf eigene Kosten versorgt der Siegsdorfer Tierfreund ehrenamtlich Wildtiere und beobachtet ihren Gesundheitszustand. Darunter sind nicht nur Vögel, sondern zum Beispiel auch Rehkitze, deren Mütter überfahren wurden, Füchse oder Marder. In den vergangenen 20 Jahren hat er Hunderte Tiere wieder aufgepäppelt. Heuer ist ein Weißstorch dabei. Dieser war vor einigen Wochen bei seinem Erstlingsflug gegen eine Hausmauer gekracht. Geschockt saß er danach da und wollte vom Ort seines Absturzes nicht mehr weg.
Durch die gute Pflege von Wolfgang Stephl hat er seinen Fehlstart verdaut. Bald soll er wieder in seinen angestammten Lebensraum entlassen werden: auf einer Wiese in Übersee am Chiemsee, fernab von vielbefahrenen Straßen. Dort kann er auch auf Artgenossen treffen.
Wolfgang Stephl: Als Experte für Wildvögel gefragt
Wolfgang Stephl gilt inzwischen im weiten Umkreis als Spezialist für Wildtiere. Fast jeden Tag bekommt er einen Anruf, ob er nicht wieder eins aufnehmen kann. Ein Nein fällt ihm schwer. Wenn überhaupt, dann bei Tieren, die durch Katzenbisse verletzt wurden. Denn Katzen übertragen durch ihren Biss Bakterien, verletzte Tiere haben kaum eine Chance zu überleben.
Der Tod eines Tieres, um das sich Wolfgang Stephl wochenlang bemüht hat, setzt auch ihm zu. Die schlimmsten Verletzungen bei den Wildvögeln seien Flügelbrüche, erzählt der Tierschützer, doch mit Kreppband und vor allem mit Fingerspitzengefühl hat er schon so manchem Vogel wieder zum reibungslosen Flug verholfen.
Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) ist dankbar für die ehrenamtliche Unterstützung durch die private Auffangstation in Siegsdorf. Frank Weiß, Vorsitzender der Kreisgruppe Traunstein, sagt: "Wir haben zwar Vogelauffangstationen, aber nicht in jedem Landkreis."
Storch, Fischreiher und Co. wieder in Freiheit
Dann kommt der große Tag: Nach monatelanger guter Pflege kann Wolfgang Stephl einige seiner nun wieder fidelen Schützlinge in Übersee am Chiemsee in die Freiheit entlassen. Wehmut überkommt ihn dabei nicht. Denn für ihn zählt nur eines: Die gesund gepflegten Wildvögel sollen in ihren natürlichen Lebensraum zurückkommen und dort für Nachwuchs sorgen. Das ist ihm Dank genug.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!