Der Prozess gegen die Nürnbergerin Hanna S. startet vor dem Oberlandesgericht München in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim. Der Prozess wurde laut dem Nürnberger Verteidiger Yunus Ziyal von der Nymphenburger Straße dorthin verlegt. Grund seien "Sicherheitserwägungen, da Störungen des Verfahrens befürchtet werden", so Ziyal. S. werde sich im Prozess zu den Vorwürfen nicht einlassen, so ihr Anwalt vorab zum BR. Die Verteidigung habe jedoch ein sechs- bis siebenseitiges "Opening Statement" vorbereitet.
Vorwurf: Versuchter Mord
S. wurde im Mai 2024 im Stadtteil Gostenhof festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Zu Wochenbeginn wurde sie laut ihrem Anwalt nach München verlegt. Ihr werden Angriffe gegen Neonazis im Februar 2023 anlässlich des sogenannten "Tages der Ehre", bei dem sich Rechtsextremisten aus ganz Europa in Budapest versammeln, vorgeworfen. Die Anklage sieht bei Hanna S. eine Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Zudem werden S. gefährliche Körperverletzung und versuchter Mord vorgeworfen.
Verteidiger: "Dämonisierung" seiner Mandantin
Für Yunus Ziyal ist der Vorwurf des versuchten Mordes "nicht haltbar." Der Bundesgerichtshof habe den dringenden Tatverdacht wegen versuchten Mordes schon beim Haftbefehl abgelehnt. "Dass der Generalbundesanwalt an diesem Vorwurf festhält, zeigt, dass es ihm vorwiegend um die Dämonisierung unserer Mandantin geht", so Ziyal.
Tod des Opfers in Kauf genommen?
Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe bezieht sich bei dem Anklagepunkt laut eigener Aussage auf den Tatvorwurf vom 10. Februar 2023 in Budapest. Dabei soll S. zusammen mit anderen einen Menschen in Budapest mit einem Teleskopschlagstock zu Boden gebracht haben. Danach, so eine BGH-Sprecherin, habe die Gruppe das Opfer "mit Schlagstöcken und sonstigen Schlagwerkzeugen wiederholt mit großer Wucht in den Bereich von Kopf und Oberkörper" geschlagen. Zudem habe die Tätergruppe Arme und Beine des Opfers fixiert, um zu verhindern, dass sich dieses vor den Schlägen hätte schützen können. Dadurch gehe man davon aus, dass die Gruppe den Tod des Opfers in Kauf genommen habe, so die Pressestelle des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof.
Verurteilung ohne Mordversuch möglich
Das Oberlandesgericht München (OLG) hat diese Anklage unverändert zum Prozess zugelassen. Auf Anfrage verweist das OLG allerdings auf seinen Eröffnungsbeschluss zum Fall Hanna S: Dort habe man "darauf hingewiesen, dass diesen Vorfall betreffend möglicherweise auch eine Verurteilung (nur) wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Betracht kommt". Angesetzt sind aktuell 24 Verhandlungstage.
Laut dem Verteidiger von Hanna S. seien Zeugen aus dem Ausland geladen, ebenso sei geplant, Videomaterial aus Ungarn zu sichten. Hier, so Ziyal, müsse aber auch im Rahmen des Prozesses geklärt werden, woher das Material komme und auf welchem Weg es in das Verfahren eingeflossen ist.
Sorge vor Auslieferung nach Ungarn
Der Fall um Hanna S. hatte zuletzt immer wieder für Aufsehen gesorgt. Ihr Umfeld machte gegen eine mögliche Auslieferung von S. nach Ungarn mobil. Ende 2024 haben sich auch zwei Linken-Politiker gegen eine Auslieferung stark gemacht. Martin Schirdewan (Die Linke) will auch beim Prozessauftakt in München dabei sein: "Die Wahl des Verhandlungsortes in der JVA, in der normalerweise Terrorismusverfahren mit besonderer Gefahrenstufe stattfinden, gleicht einer Vorverurteilung von Hanna."
Dass eine Auslieferung nicht auszuschließen war, zeigt der Fall von Maja T, einer weiteren Verdächtigen aus dem "Budapest-Komplex". T. aus Jena war im Juni 2024 in einer nächtlichen Aktion nach Ungarn überstellt worden. Vor Kurzem hatte das Bundesverfassungsgericht die Auslieferung der non-binären Person nach Ungarn für unrechtmäßig erklärt. Dort soll nun aber am Freitag der Prozess beginnen.
Weiterer Nürnberger verdächtigt
Ende Januar hatten sich dann mehrere Gesuchte den deutschen Behörden gestellt. Nach ihnen war fast zwei Jahre gefahndet worden. Unter ihnen ist ein weiterer Nürnberger: Laut dem "Solikreis Nürnberg" ist A. kein deutscher Staatsangehöriger, habe aber laut der Gruppe mehrere Jahre in Nürnberg gelebt. Für ein Studium sei er schließlich nach Köln gezogen, wo er sich an einem Montagmorgen im Januar gestellt hat. Aktuell ist unklar, wie es mit ihm weitergeht. "Die Zusicherung für ein faires Verfahren in Deutschland muss auch für den syrischen Geflüchteten Zaid A. gelten", so Linken-Politiker Martin Schirdewan.
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