Die angeklagte Mutter betritt mit ihrem Verteidiger den Gerichtssaal
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Die angeklagte Mutter betritt mit ihrem Verteidiger den Gerichtssaal im Landgericht zu Beginn des Prozesses

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Prozess um Pflegedienst-Betrug: Keine umfassenden Kontrollen

Prozess um Pflegedienst-Betrug: Keine umfassenden Kontrollen

Ein Pflegedienst aus Würzburg soll die Pflegekassen um knapp 3,5 Millionen Euro betrogen haben. Der Betrug wurde ihnen offenbar leichtgemacht – der Medizinische Dienst könne nicht umfassend kontrollieren, hieß es heute am Landgericht Nürnberg-Fürth.

Von
Andreas Schuster
Karin Goeckel

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Im Prozess um millionenschweren Betrug eines Pflegedienstes aus Würzburg und Kitzingen haben Zeugen am Landgericht Nürnberg-Fürth am Mittwoch Einblicke in die Kontrollen und Überprüfungen von Pflegebetrieben gewährt. Dabei wurde klar: Die Kontrollen sind kein wirksames Instrument, um Missstände oder Betrug aufzudecken. Wenn sie wollen, können Pflegebetriebe kritische Vorgänge ohne Weiteres verschleiern, erklärte eine Zeugin.

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"Prüfung ist nicht umfassend"

So schilderte eine Mitarbeiterin des zuständigen Medizinischen Dienstes aus Aschaffenburg, dass die Kontrollen stets angekündigt werden. Dies sei die gängige Regelung, sagte sie. Außerdem könnten die Pflegedienste bei der Auswahl der Patienten, anhand derer stichprobenartig geprüft wird, mitentscheiden. Erst wenn der Pflegedienst alle Überprüfungen ablehne, gebe es eine sogenannte "Strukturkontrolle". Ob angesichts dieser Praxis am Ende "gar nicht viel geprüft" werde, fragte der Vorsitzende Richter. Die Mitarbeiterin des Medizinischen Dienstes stimmte zu. "Die Prüfung ist nicht umfassend", sagte sie.

Pflegedienst ohne Pflegefachkraft

Im Fall des Würzburger Pflegedienstes, erklärte die Zeugin vor Gericht, habe sie festgestellt, dass viele Unterlagen fehlen. Als sie monierte, dass eine eigentlich vorgeschriebene Pflegefachkraft als Pflegedienstleitung in dem Betrieb fehle, sei ihr von den Angeklagten lediglich versichert worden, dass diese zeitnahe eingestellt würde. Dies habe sie akzeptieren müssen. Daraufhin fragte der Vorsitzende Richter, ob die Kontrolle von Pflegebetrieben dadurch nicht "im Sande" verlaufe? Auch hier musste die Mitarbeiterin des Medizinischen Dienstes zustimmen.

Pflegekassen legen selten Veto ein

Die Ergebnisse der Überprüfung leite der Medizinische Dienst an die Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen weiter, die sogenannte ARGE, schilderte die Zeugin. "Was dann passiert, kann ich nicht sagen", sagte sie. Anders als der Medizinische Dienst könne die ARGE durchaus auf festgestellte Missstände reagieren. Nach BR-Informationen tut sie es aber in der Regel nicht – wohl vor dem Hintergrund der ohnehin angespannten Lage in der Pflege.

Auch Angestellte waren nur angelernt

Im Betrugsprozess vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth müssen sich ein Ehepaar und ihr 27 Jahre alter Sohn verantworten. Gemeinsam betrieben sie in Würzburg einen Pflegedienst, obwohl sie selbst keine ausgebildeten Pflegefachkräfte waren – der 57 Jahre alte Mann ist Schneider, die 48-jährige Mutter Friseurin ohne Abschluss, der Sohn Bürokaufmann. Auch hatten die drei keine Pflegefachkräfte angestellt, sondern ihre Beschäftigten lediglich angelernt.

Die drei Angeklagten sollen 3,5 Millionen Euro zu Unrecht bei den Kassen abgerechnet haben. Laut Staatsanwaltschaft hatten das Würzburger Ehepaar und ihr Sohn versucht, sich durch den Abrechnungsbetrug eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen und ihr "Luxusleben" finanziert. Berichten zufolge soll die Familie teure Autos, eine Villa mit Pool und weitere Immobilien besessen haben.

Der Fall wird am Landgericht Nürnberg-Fürth verhandelt, weil die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg Anklage erhoben hatte.

BR-Reporter Andreas Schuster vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth.
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Mit ihrem Pflegedienst sollen drei Angeklagte aus Würzburg die Pflegekassen um knapp 3,5 Millionen Euro betrogen haben.

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