Vor dem Landsberger Amtsgericht mussten sich am Donnerstag die beiden Geschäftsführer, Vater und Sohn, eines Denklinger Bauunternehmens verantworten. Im Oktober 2020 war auf der Baustelle ihres neuen Firmensitzes eine frische Betondecke eingestürzt, wodurch vier der von ihnen angestellten Bauarbeiter starben. Der Einzelrichter hat die Beweisaufnahme an diesem ersten Verhandlungstag bereits größtenteils abgeschlossen. Bis zur nächsten Verhandlung am Montag werden die Parteien Dokumente im Selbstleseverfahren sichten.
Verletzter Bauarbeiter sagt vor Gericht aus
Ausgesagt haben am ersten Prozesstag auch mehrere bei der Firma angestellten Bauarbeiter, einer von ihnen befand sich beim Einsturz in der Nähe der Betondecke und zog sich eine Schnittwunde zu. An den Einsturz selbst kann er sich nicht mehr erinnern, er litt danach an einer posttraumatischen Belastungsstörung und war offiziell elf Monate arbeitsunfähig. Er ist Nebenkläger, zusammen mit Hinterbliebenen der vier Verstorbenen.
Bewährungsabnahme am Tag vor Unglück
Im Zeugenstand war außerdem der Leiter eines Ingenieurbüros und seine Mitarbeiterin, die Bauingenieurin war die Gesundheits- und Sicherheitskoordinatorin für die Baustelle und führte am Tag vor dem Unglück noch eine Bewährungsabnahme auf der Holzverschalung durch. Die Traggerüste für die Holzverschalung prüft das Ingenieurbüro jedoch grundsätzlich nicht, dafür sei der Bauleiter und damit der angeklagte Sohn zuständig, so die Bauingenieurin.
Sachverständige: Keine Stützen übereinander bauen
Der einzige Sachverständige, ein gelernter Bauingenieur des Gewerbeaufsichtsamts der Regierung von Oberbayern, konnte nicht sicher sagen, warum die Konstruktion zusammenbrach. Er wies aber darauf hin, dass man laut Hersteller keine Stützen übereinander bauen sollte. Das war bei der Betondecke in Denklingen der Fall, wie laut dem Sachverständigen etwa Fotos zeigten.
Zwei ermittelnde Polizisten der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck gaben an, im Bauschutt vor allem Stangen mit einer Länge von drei Metern gefunden zu haben und nur wenige mit fünf Meter. Die eingestürzte Zwischendecke war mit einer Höhe von fünf Metern höher als die normalen Aufträge des Bauunternehmens, das sonst laut den aussagenden Mitarbeitern eher in Zimmerhöhe von drei Metern arbeitet. Aufgrund der größeren Höhe hätte das Gerüst gesondert geplant oder abgenommen werden müssen, was aber weder den Angeklagten noch dem andere Lasten prüfenden Bauingenieursbüro bewusst war.
Urteil am Montag erwartet
Für den kommenden Montag sind die Plädoyers und die Urteilsverkündung angesetzt. Sollte das Gericht die beiden Angeklagten für schuldig befinden, droht ihnen eine Geld- oder Freiheitsstrafe. Der Anklage durch die Staatsanwaltschaft haben sich fünf Nebenkläger angeschlossen. Für die Hinterbliebenen sammelte eine Bürgerstiftung nach dem Unglück einen sechsstelligen Betrag.
Bürgermeister: Gemeinde spricht weniger über Baustellenunglück
In der Gemeinde Denklingen sei in letzter Zeit nicht mehr so intensiv über das Baustellenunglück vor rund zweieinhalb Jahren gesprochen worden, meint Bürgermeister Andreas Braunegger. Das könnte sich nach dem Prozessbeginn ändern: "Die Gemeinde Denklingen wird in diesen Tagen mit Sicherheit nochmals an dieses schreckliche Unglück erinnert und jeder Bürger wird mit diesem Schicksal anders umgehen", so der Bürgermeister.
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Staatsanwaltschaft: Instabiles Gerüst Grund für Unglück
Die Staatsanwaltschaft kam nach zwei Jahren Ermittlung zu dem Schluss, dass die zwei Chefs den Aufbau und das fertige Gerüst hätten überprüfen müssen, dann wäre es nicht zum Einsturz und den schweren Folgen gekommen. Laut Staatsanwaltschaft war der instabile Aufbau des Tragegerüsts der Grund für das Unglück.
Ein Angeklagter schilderte den Aufbau des Gerüsts - über seinen Anwalt - anders und er weiß nicht, warum es zusammengebrochen ist. Das Gericht versuchte zum Prozessauftakt herauszufinden, warum es zusammengebrochen ist und wer für Aufbau und Überprüfung verantwortlich war.
Geschäftsführer: "Tut uns unfassbar leid"
Beide Geschäftsführer, es sind Vater und Sohn, wirkten zum Prozessauftakt betroffen. Sie äußerten sich vor Gericht und sagten, dass es ihnen unfassbar leid tue. Einer sagte, er hätte lieb gewonnene Menschen verloren.
Vier Bauarbeiter zwischen 16 und 37 Jahren verschüttet
Die vier Bauarbeiter, die im Oktober 2020 auf einer Baustelle starben, kamen nach BR-Informationen alle aus Denklingen und Umgebung. Sie arbeiteten auf und unter einer frisch betonierten Decke an einem Gebäude auf dem neuen Firmensitz der Baufirma, als sie einstürzte. Trümmer und flüssiger Beton begruben die vier Männer zwischen 16 und 37 Jahren. Zwei von ihnen konnten nur noch tot geborgen werden, zwei verstarben trotz eingeleiteter Reanimation an der Unglücksstelle.
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