Damals, als Franziska Ilmberger noch Katholische Theologie studiert hat, hatte sie einen Kommilitonen, der queer war. Ihm sei der Glaube sehr wichtig gewesen. Aber er sei nie zur Eucharistie gegangen. Denn er habe sich davon ausgeschlossen gefühlt. "Ich habe gemerkt, dass mich das in meinem Gerechtigkeitsempfinden sehr gestört hat", sagt Ilmberger. "Es widerspricht für mich der Botschaft Christi, für Menschen da zu sein und offen zu sein und eben nicht Menschen auszuschließen aufgrund dessen, wen sie lieben oder wie sie fühlen oder wie sie sind."
17 Seelsorgerinnen und Seelsorger geschult
Die 32-jährige ist Pastoralreferentin, Ansprechpartnerin für Spiritualität und Glaubensfragen bei der Pfadfinderinnenschaft St. Georg in München, Hochschulseelsorgerin. Und sie gehört zu einem Netzwerk von 17 Seelsorgerinnen und Seelsorgern in der Erzdiözese München und Freising, die spezifisch für die Belange und Lebensrealitäten von queeren Menschen geschult wurden.
Sie sollen zum einen Ansprechperson sein. Zum anderen auch die Anliegen queerer Menschen in kirchliche Gremien einbringen und Veranstaltungen zu queeren Themen organisieren. Ab dem 1. Advent geht das "Netzwerk Queer-Seelsorge" offiziell an den Start.
Sicherheit durch Ansprechpersonen
Über Jahrhunderte seien queere Menschen in der Kirche ausgegrenzt und verletzt worden, sagt die Theologin Ruth Huber. Sie ist in der Erzdiözese München und Freising für das Projekt Regenbogenpastoral zuständig. "Wir sagen: Es gibt in unserer Diözese für queere Menschen und auch für deren Angehörige ganz sicher Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, bei denen sie keine Angst haben müssen, auf unreflektierte Vorurteile zu stoßen."
Sie wisse, dass da ein Spannungsfeld sei, zwischen der Lehrmeinung der Kirche zu Homosexualität und der Queer-Seelsorge. "Wir haben uns entschieden auf den Menschen und seine Art zu Leben zu schauen und nicht ein Gedankengerüst über einen Menschen zu stülpen und zu sagen, wie er zu leben hat."
Fortschritte nicht nur in München
In den letzten Jahren seien in den unterschiedlichsten Bistümern Beauftragte ernannt worden, sagt Ruth Huber von der Münchner Erzdiözese. Sie erzählt von einem bundesweiten Arbeitskreis und von der ARD-Dokumentation Out in Church. In der Sendung hatten vor zweieinhalb Jahren zahlreiche kirchliche Mitarbeitende ihr Coming-out als queer.
Rom schwieg zuletzt zu Homosexualität
Beim Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland, dem Synodalen Weg, wurde vergangenes Jahr ein Umdenken gefordert, was die kirchliche Position zu Homosexualität angeht – bislang mit begrenztem Erfolg: Papst Franziskus hat das Thema bei der jüngst beendeten Weltsynode in Rom ausgeklammert.
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