Ortstermin auf dem Nürnberger Südfriedhof: Mehrere Vertreter muslimischer Gemeinden und Vereine sind gekommen. Der Leiter der Friedhofsverwaltung, Armin Hoffmann, präsentiert mit seinen Mitarbeitern, wie sarglose Bestattungen auf dem Südfriedhof aussehen könnten – mit Hilfe einer Puppe.
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Dummy-Puppe der Feuerwehr als Leichnam
In einem Transportsarg wird der in ein Leichentuch gehüllte Leichnam zum Grab gefahren, ganz wie bei herkömmlichen Sargbestattungen. Dann aber wird der Sarg von den Friedhofsmitarbeitern geöffnet: An Schlaufen heben die sechs Männer ein Tuch aus dem Sarg, auf dem ein in ein Leichentuch eingehüllter "Leichnam" liegt – eine lebensechte Dummy-Puppe, die die Nürnberger Feuerwehr dem Friedhof zur Erprobung der Tuchbestattungen zur Verfügung gestellt hat. Zunächst legen sie den bedeckten Körper auf eine mit einem Tuch bedeckte Leiter über dem ausgehobenen Grab. Dann heben die Friedhofsschaffner den Leichnam an, ziehen die Leiter heraus und lassen die Puppe in das Grab hinab.
Schräges Grab für den Blick nach Mekka
Der Boden im Grab ist schräg ausgehoben, so dass der Tote auf der Seite liegend mit dem Kopf in Richtung Mekka blickt. Aus Sicht des stellvertetenden Vorsitzende des DITIB-Landesverbands Nordbayern, Cemil Kimyacıoğlu, nicht schräg genug. Er wünscht sich eine etwas weiter auf die Seite geneigte Liegeposition des Leichnams. Ansonsten aber ist er mit der Probebestattung sehr zufrieden, ebenso wie alle anderen muslimischen Vertreter.
Ziel des Probelaufs auf dem Nürnberger Südfriedhof: Beisetzungen sollen möglichst uniform ablaufen, erklärt der Leiter der Friedhofsverwaltung, Armin Hoffmann: "Deshalb müssen wir jetzt mit den muslimischen Gemeinden und Verbänden auf einen gemeinsamen Nenner kommen, mit dem jeder gut leben kann."
Eigenhändige Bestattung nicht möglich
In vielen muslimisch geprägten Ländern legen die Angehörigen den in ein Tuch gehüllten Toten mit eigenen Händen in das Grab. Das ist in Deutschland allerdings kaum möglich. Die Sicherheitsvorschriften in Deutschland würden das wohl kaum zulassen, betont Hoffmann. Für Cemil Kimyacıoğlu nur ein kleines Problem. Er sei "angenehm überrascht" von der Demonstration auf dem Nürnberger Südfriedhof.
Tuchbestattung auch für Nicht-Muslime
In Nürnberg gibt es im Südfriedhof bereits drei große Grabfelder für Verstorbene muslimischen Glaubens. Weil die 500 Grabstätten aber schon fast voll belegt sind, werden derzeit 80 weitere Gräber erschlossen, bei denen dann auch Tuchbestattungen möglich sein sollen. Die Stadt Nürnberg wolle mit dieser Möglichkeit "der Diversität der Stadtgesellschaft Rechnung tragen", sagt Umweltreferentin Britta Walthelm.
Grundsätzlich sind Tuchbestattungen aber nicht nur auf den muslimischen Grabfeldern, sondern in allen Gräbern möglich – also auch für Menschen, die sich nicht aus Glaubensgründen für eine sarglose Bestattung entscheiden.
Tuchbestattung ein Problem auf kleinen Friedhöfen
Was in einer Großstadt wie Nürnberg möglich ist, ist andernorts bislang nur schwer vorstellbar. Vor allem in kleinen Gemeinden mit kleinen Friedhöfen ist die Ausrichtung der Gräber in Richtung Mekka schwierig. Auch die Bodenbeschaffenheit muss für Tuchbestattungen geeignet sein. Auf Friedhöfen mit stark lehmhaltigem Boden sind Tuchbestattungen kaum durchführbar, da der Lehm die Verwesung verlangsamt. In Memmelsdorf bei Bamberg beispielsweise habe es bislang auch noch keine Anfrage nach einer sarglosen Bestattung gegeben, heißt es aus dem dortigen Friedhofsamt.
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Zahl der Tuchbestattungen wird steigen
Das wird sich vermutlich bald ändern: Die Zahl der Tuchbestattungen nach muslimischem Ritus dürfte in den kommenden Jahren auch in Bayern deutlich steigen. Zwar wollten die Zuwanderer der ersten Generation, die zum Beispiel in der Türkei geboren wurden, meist in ihrem Heimatdorf beerdigt werden, berichtet der SPD-Landtagsabgeordnete Arif Taşdelen aus Nürnberg: "Aber alle anderen, die hier geboren oder aufgewachsen sind, wollen in Deutschland beerdigt werden."
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