Das Verkehrszentrum des Deutschen Museums stellt ab heute ein Autowrack aus. Es ist das Auto eines Mannes, der durch ein illegales Autorennen in Berlin ums Leben gekommen war. Das Museum möchte mit der Ausstellung auf die tödlichen Gefahren der Raserei hinweisen. Entstanden ist die Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Technikmuseum in Berlin.
Tödliches Straßenrennen mitten in der Stadt
Zwei Männer, damals 27 und 24 Jahre alt, waren im Februar 2016 nachts mit ihren Wagen über den Kurfürstendamm mitten in Berlin gerast. Auf knapp 2,5 Kilometern lieferten sie sich ein Straßenrennen über 20 Querstraßen, überfuhren teilweise rote Ampeln. Laut Polizei fuhren sie dabei bis zu 170 Stundenkilometer. Einer der Fahrer prallte dabei auf den Jeep eines unbeteiligten Mannes auf. Dessen Ampel hatte Grün gezeigt und er war deswegen auf die Kreuzung zugerollt. Der 69-Jährige starb in seinem Wagen. Der Jeep des Mannes wurde 70 Meter weit durch die Luft geschleudert. Die beiden Raser wurden kaum verletzt, eine Beifahrerin schwer. Die Tauentzienstraße, auf die der Kurfürstendamm zuläuft, glich nach Angaben von Augenzeugen einem Trümmerfeld.
Fünf Jahre Justizmarathon
Der Fall der Straßenraser von Berlin beschäftigte die Gerichte mehr als fünf Jahre lang. Im ersten Prozess am Berliner Landgericht wurden die beiden Männer wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Die Richter begründeten 2017 das Urteil so: Die Verurteilten hätten zwar niemanden umbringen wollen, "sie hätten aber den Tod eines Menschen durch ihr Verhalten für möglich gehalten und sich mit dieser Eventualität abgefunden." Sie hätten mit "bedingtem Vorsatz gehandelt". 2018 schon wird das Urteil vom BGH aufgehoben, weil die Begründung der Berliner Richter zur Verurteilung wegen Mordes nicht reiche.
Im März 2019 verurteilt das Landgericht die beiden Raser erneut zu einer lebenslangen Haftstrafe wegen Mordes. Die Richter sehen drei Mordmerkmale als erfüllt an: niedrige Beweggründe, Heimtücke und die Verwendung eines gemeingefährlichen Mittels. Laut Richter haben die Verurteilten ihre Wagen zu "Projektilen mit unglaublicher Zerstörungskraft" gemacht. Die beiden Raser hätten die Gefahr, die das Fahren auf einer Hauptverkehrsstraße Berlins im Vergleich zu einer einsamen Dorfstraße mit sich bringt, als Teil des "Kicks" gesehen, so das Gericht. Die Verteidigung legte gegen das Urteil des Landgerichts erneut Revision ein.
Im Juni 2020 entscheiden die Karlsruher Richter, dass der Fahrer des Autos, das den Jeep rammte und den 69-jährigen Fahrer umbrachte, als Mörder verurteilt bleiben kann. Die Verurteilung des zweiten Rasers als Mörder finden die Richter am BGH aber nicht ausreichend begründet. Für den Fahrer des zweiten Wagens muss der Prozess noch einmal aufgerollt werden.
Im März 2021 wird schließlich der zweite Fahrer wegen versuchten Mordes zu 13 Jahren Haft verurteilt.
Lila Wrack als Ausstellungsstück
In der Ausstellung "Wahnsinn – Illegale Autorennen" steht das Wrack des lila Jeeps des 2016 getöteten Autofahrers Michael Warshitsky im Mittelpunkt. Nach dem Tod von Warshitzky begann sich das Denken über Raser zu verändern. Früher lautete in den Raser-Fällen mit tödlichem Ausgang das Urteil oft auf fahrlässige Tötung. Höchststrafe: fünf Jahre. Manches Mal fielen die Urteile deutlich milder aus, Strafen von bis zu zwei Jahren wurden sogar zur Bewährung ausgesetzt.
Dann kam es 2017 zur Reform: Der "Raserparagraf" 315d im Strafgesetzbuch sieht bis zu zehn Jahre Haft vor. Tatsächlich ist die Zahl der illegalen Autorennen im vergangenen Jahr auf einen neuen Höchststand geklettert: 605 Fälle von "privaten illegalen Kraftfahrzeugrennen" mit insgesamt 739 Teilnehmern erfasste die Polizei bayernweit 2022. Wohl zu Recht fragt die Ausstellung im Verkehrszentrum des Deutschen Museums auch: "Wie stoppen wir den Tempo-Rausch?"
Ausstellung zeigt auch Gegenmittel gegen Raserei
Die Ausstellung zeigt die historischen und gesellschaftlichen Wurzeln der Raserei in automobilen Kulturen, wie jener der Deutschen. Es werden aber auch Maßnahmen gezeigt, wie illegale Autorennen verhindert werden können: zum Beispiel durch moderne Fahrerassistenzsysteme die im eigenen Auto automatisch die Geschwindigkeit begrenzen. Als Großobjekte sind Wracks von illegalen Auto- oder Motorradrennen zu sehen.
Der Sohn des Todesopfers der sogenannten Ku'damm-Raser, Maximilian Warshitsky, hat sich entschieden, das Autowrack des Jeeps seines Vaters freizugeben, weil er zeigen will, was die schlimmen Folgen von illegalen Straßenrennen sein können.
Erinnerung an Opfer der Ku'damm-Raserei
"Das ist nicht leicht, aber das Wrack und die Ausstellung, beides soll ein Denkmal an meinen Vater sein und an die vielen Raser-Opfer, die kein Denkmal haben", sagt Maximilian Warshitsky, während er im ersten Stock des Verkehrszentrums neben dem völlig zerstörten lilafarbenen Jeep seines Vaters steht. Der 41-Jährige aus Berlin-Tempelhof erinnert sich noch genau an den Schock, als er vom Tod seines Vaters erfährt: "Dieser Schicksalsschlag war für mich, für meine Familie, extrem hart. Bis heute kann man es nicht wirklich verstehen, dass so etwas passiert mit dem geliebten Vater, mit einem unschuldigen Menschen."
Hoffen auf die Zukunft
Die Kuratoren aus Berlin und München glauben daran, dass auch solche Ausstellungen gerade in Verkehrs- und technischen Museen dazu beitragen können, dass Besucher auch die Schattenseiten der Mobilität sehen. Maximilian Warshitsky hofft, dass sich Menschen ganz einfach daran erinnern, dass jede Handlung eine Folge haben kann: "Wenn ich mich ins Auto setze, dann habe ich einen Führerschein - und wenn ich einen Führerschein habe, dann habe ich gelernt, dass ich [in der Stadt] halt nicht schneller als 50 fahren darf und dass ich an einer roten Ampel stehenbleiben muss."
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