Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz plädiert dafür, dass in Deutschland ab spätestens Anfang März eine allgemeine Impfpflicht gilt. "Mein Vorschlag ist ja, dass der Zeitpunkt, bis zu dem dann jeder und jede sich hat impfen lassen, auch nicht allzu fern liegt, also mein Vorschlag: Anfang Februar oder Anfang März", sagte Scholz am Dienstag nach einer Bund-Länder-Konferenz beim Fernsehsender Bild TV. Er machte aber klar, dass die Entscheidung über eine Impfpflicht beim Bundestag liegt.
Die entsprechenden Anträge für die Bundestagsabstimmung sollen laut Scholz vor Ende des Jahres eingebracht werden. "Ich gehe davon aus, dass das noch dieses Jahr losgeht", sagte der SPD-Politiker. Er betonte, dass es sich um eine "Gewissensfrage" für die einzelnen Abgeordneten handele. An der Konferenz, bei der keine Beschlüsse gefasst wurden, hatten unter anderen die Ministerpräsidenten, die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr voraussichtlicher Amtsnachfolger Olaf Scholz (SPD) teilgenommen.
Auch Habeck (Grüne) für Vorbereitung zu Impfpflicht
Für Scholz hat Impfen Priorität, auch vor schärferen Maßnahmen, die vielleicht schneller wirken. Auch Grünen-Chef Robert Habeck fordert, sofort mit Vorbereitungen für eine allgemeine Impfpflicht zu beginnen. Sie wäre zwar ein weitgehender Eingriff in die Freiheit des Einzelnen, schütze aber Leben und letztlich auch die Freiheit der Gesellschaft. Die FDP steht hinter den Plänen von Scholz. "Die Vorschläge von Olaf Scholz in der heutigen Runde waren natürlich mit der FDP abgestimmt. Sie finden unsere uneingeschränkte Unterstützung", hieß es aus der Partei.
Am Donnerstag Ministerpräsidentenkonferenz
Am Donnerstag soll es eine weitere, dann formelle Ministerpräsidentenkonferenz geben. Bis dahin sollen Details der einzelnen Regelungen ausgearbeitet werden. Laut Regierungssprecher Steffen Seibert wird erwogen, umfangreiche Kontaktbeschränkungen vor allem für Ungeimpfte einzuführen, auch bei privaten Treffen. Neben einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht soll außerdem auch "eine zeitnahe Entscheidung über eine allgemeine Impfpflicht vorbereitet werden".
Söder: "Entscheidende Weichenstellung"
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erklärte nach den Bund-Länder-Beratungen, dass man bei einer allgemeinen Impfpflicht vorangekommen sei. "Dies wird tatsächlich eine ganz entscheidende Weichenstellung sein im langfristigen Kampf gegen Corona, der Initiative, die ja von Bayern und Baden-Württemberg ausgegangen ist", so der Ministerpräsident. Söder war bereits im Vorfeld der Sitzung für eine Impfpflicht und bundeseinheiltiche Regelungen eingetreten.
Offene Fragen zu allgemeiner Impfpflicht
Bei den Bund-Länder-Gesprächen über die Corona-Lage hat sich nach Worten von Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD) grundsätzlich eine breite Zustimmung zu einer allgemeinen Impfpflicht gezeigt. Allerdings gebe es noch viele offene Fragen, sagte Bovenschulte am Dienstag nach der Videokonferenz.
Es müsse zum Beispiel geklärt werden, ob sich eine solche Pflicht auch auf Kinder und Jugendliche erstrecke, was er nicht befürworten würde. Auch müsse die Frage der Ausnahmetatbestände für eine Impflicht beantwortet werden. "Beschränkt sich das auf medizinische Gründe, oder gibt es auch andere Gründe wie etwa religiöse Überzeugungen?"
Zudem stelle sich die Frage, wie man eine allgemeine Impfpflicht durchsetzen wolle, mit Zwang oder Bußgeldern, mit Ersatzzwangshaft? "Das sind ganz wichtige Fragen", so Bovenschulte. Auch gebe es bislang kein allgemeines Impfregister in Deutschland. Das müsse vor einer Impfpflicht aufgebaut werden.
Bundesärztekammer für allgemeine Impfpflicht
Die Bundesärztekammer fordert eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus. In einem Brief des Präsidiums der Ärztekammer an die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), ihren designierten Nachfolger Olaf Scholz (SPD) und die Regierungschefs der Länder vom Dienstag schreibt die Ärztevertretung: "Der Bund muss unverzüglich gesetzliche Regelungen für eine verfassungsrechtlich abgesicherte allgemeine Impfpflicht für alle erwachsenen Bürgerinnen und Bürger schaffen, bei denen keine medizinischen Kontraindikationen gegen eine Impfung vorliegen."
Eine sehr hohe Impfquote sei die einzige Möglichkeit, "aus der Lockdown-Endlosschleife mit massiven psychosozialen Kollateraleffekten insbesondere für Kinder und Jugendliche herauszukommen", heißt es zur Begründung.
Virologen hatten zuletzt immer wieder gewarnt, ohne einen deutlich höheren Durchimpfungsgrad der Bevölkerung drohe nach der vierten schon die fünfte Corona-Welle. Immer mehr Politiker stellten zuletzt fest, dass die Freiheit, sich nicht impfen zu lassen, nicht weiter auf Kosten der Freiheit der Geimpften gehen solle.
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