05.01.2024, Unterfranken - Gänse an einer überfluteten Straße im Hammelburger Ortsteil Westheim. Es regnet auch in vielen Regionen Bayerns weiter. Vor allem rund um die Fränkische Saale gibt es Hochwasser und Überschwemmungen. Der Hochwasserscheitel ist aber inzwischen erreicht worden. Etwa seit Mitternacht sinken die Pegel wieder.
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"Schwammregionen" sollen vor Überschwemmungen schützen

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Schwammregionen: Wie Regenwasser intelligent gespeichert wird

Erst Starkregen mit Überschwemmungen, dann lange Trockenheit. Damit müssen immer mehr Dörfer und Städte in Bayern kämpfen. "Schwammregionen" sollen das künftig ändern, indem sie Regenwasser besser speichern. Dafür gibt es Fördergelder vom Freistaat.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Versunkene Autos in der Stadt, Menschen retten sich vor den Fluten auf die Dächer ihrer Autos, Rettungstaucher schwimmen ihnen zu Hilfe – das war die Situation vergangenen Donnerstag in Nürnberg. Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres stehen Teile der Stadt nach einem Starkregen unter Wasser. Doch Nürnberg ist kein Einzelfall. Gut ein Drittel von Bayern ist stark oder sehr stark durch Sturzfluten und Überflutungen gefährdet.

  • Zum Artikel: Sturzfluten in Bayern – Jede vierte Stadt hochgefährdet

Um dieses Risiko zu verringern, hat das Bayerische Landwirtschaftsministerium jetzt die Aktion "Schwammregionen" gestartet. Damit sollen Kommunen unterstützt werden, Siedlungsbereiche wassersensibel zu gestalten, um damit Dörfer und Städte klimafest zu machen.

"Schwammregion" statt Überschwemmungsgebiet

Mithilfe neuer Abfluss- und Regenrückhaltebecken, neuer Überschwemmungsgebiete oder der Entsiegelung von Flächen soll wieder mehr Wasser im Boden versickern. Nachdem viele Städte und Gemeinden nach Starkregenereignissen überschwemmt werden, bestehe hier dringender Handlungsbedarf. Der Freistaat will sich mit bis zu 90 Prozent an den Planungskosten beteiligen.

Schwammregion Aubstadt: Umbau des Kanalnetzes

Im unterfränkischen Aubstadt im Landkreis Rhön-Grabfeld wurde mit dem Umbau zur Schwammregion bereits begonnen. Der Ort liegt in einem Tal, umringt von Feldern. Bei Starkregen kann das Wasser ungehindert in den Ort laufen. Im Jahr 2018 ist das allein dreimal passiert. Dabei wurden nicht nur Wasser und Schlamm in den Ort gespült, sondern auch Düngemittel und Pestizide von den Feldern, die dann in der Kanalisation landeten.

Im Rahmen der Ortssanierung wurde deshalb zunächst das Kanalnetz getrennt. Das Abwasser von den Häusern und Regenwasser von den Dächern und Straßen läuft nun in getrennten Systemen. Das entlastet bei Starkregen die Kanalisation.

Seit dem "Umbau" im Jahr 2018 wird auch das Regenwasser, das früher in den Ort gelaufen ist, am Berg "abgefangen" und über ein Rohrsystem um den Ort herumgeleitet. Dort wird das Wasser in Regenrückhaltebecken gespeichert. Hier kann es langsam versickern, oder wird verzögert und mit langsamer Fließgeschwindigkeit weitergeleitet. Das hat zwei große Vorteile: Zum einen kann das Grundwasser auf diese Weise aufgefüllt werden, zum anderen kommen in den flussabwärts gelegenen Dörfern und Städten weniger Wassermengen an, was die Gefahr von schnell steigenden Pegelständen verringert.

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Aubstadt im Lkr. Rhön-Grabfeld

Ziel: Klimaresiliente Dörfer und Landschaften

Die Kommunen müssen sich also auf Starkregenereignisse vorbereiten. Dazu bedarf es aber einer Zusammenarbeit der betroffenen Kommunen. Der Bürgermeister der Aubstadter Nachbargemeinde Herbstadt, Georg Rath, bringt es auf den Punkt: "Wenn das nicht nur wir machen, sondern viele Gemeinden, dann kommt das Wasser viel langsamer in Bad Neustadt, oder Bad Kissingen an und dann bleibt der Kurgarten dort vielleicht trocken." Denn dort tritt die Fränkische Saale immer wieder über die Ufer, zuletzt im Januar dieses Jahres.

Zu viel Wasser bei Starkregen – zu wenig Wasser im Sommer

Bei der Aktion "Schwammregion" geht es auch darum, die Grundwasserneubildung zu forcieren. Vor allem soll aber auch das überschüssige Niederschlagswasser gespeichert werden. Während Hitzeperioden wird es dringend gebraucht, um dann eine Bewässerung zu ermöglichen. Die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim (Lkr. Würzburg) forscht zu diesem Thema bereits seit den 1970er Jahren. Angefangen hatte es mit Versuchen verschiedener Pflanzen und deren Wasseraufnahmefähigkeit. Auch zahlreiche Dachbegrünungen wurden untersucht. Diese geben bei Starkregen das überschüssige Wasser verzögert ab und entlasten so das Kanalnetz.

LWG testet neues System zur Baumbewässerung

Künftig könnte es auch für Bäume in den Innenstädten eine Lösung für Trockenperioden geben. Eine entsprechende Testreihe läuft seit ein paar Monaten an der LWG. Dafür sammelt ein unterirdischer Speicher bei Starkregen Wasser. In diesem Speicher ist eine Art "Schwamm" als Dochtmaterial integriert, der das Wasser nach oben zur Pflanze zieht. So könnte die Vegetation an der Oberfläche während Trockenphasen mit Wasser versorgt werden. Mit den bisher getesteten Materialien konnte bereits eine "Wassersteighöhe" von 70 Zentimetern erreicht werden.

Claus Prinz vom Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau der LWG ist gespannt auf den Sommer: "Ich hoffe sehr auf einen heißen, trockenen Sommer und möglichst viel Verdunstung in meiner Anlage, um dann auch schauen zu können, wie belastbar dieser Docht auch unter Extrembedingungen ist, weil ich die maximale Leistungsfähigkeit messen möchte." Ob das System praxistauglich ist, werden die Ergebnisse zeigen, die der Forscher in etwa zwei Jahren erwartet.

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Versuchsfläche zur Baumbewässerung an der LWG Veitshöchheim

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