Schriftzug "Landgericht Ingolstadt - Staatsanwaltschaft"
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Schwierige Begründung: Raser-Fall zum dritten Mal vor Gericht

Schwierige Begründung: Raser-Fall zum dritten Mal vor Gericht

Wie ist eine Tat, die zum Unfalltod eines Menschen führte, strafrechtlich zu bewerten? Zweimal schon hat der Bundesgerichtshof ein Urteil aus Ingolstadt aufgehoben. Seit heute beschäftigt sich das Landgericht erneut mit demselben Raser-Verfahren.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Es ist bereits die dritte Strafkammer am Landgericht Ingolstadt, die sich mit einem tödlichen Verkehrsunfall vor fünf Jahren auf der A9 bei Manching befassen muss. Der Grund: Schon zweimal wurde der Angeklagte deswegen verurteilt, jeweils zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge. Doch gegen beide Urteile des Landgerichts hatte der Angeklagte Revision eingelegt – und beide Male hob der Bundesgerichtshof die Ingolstädter Urteile auf. Nun geht es erneut um die Frage, wie die tödliche Unfallfahrt strafrechtlich zu bewerten ist.

Problem: Was ging im Kopf des Fahrers vor?

Was hat der damals 22-jährige Angeklagte gedacht, als er mit über 200 km/h doppelt so schnell wie erlaubt in seinem illegal getunten Wagen auf der nächtlichen Autobahn fuhr? War er sich der Gefahr bewusst? Diese sogenannte "subjektive Tatseite" – also, was in dem Fahrer während der Fahrt vor sich ging – muss die Strafkammer neu ausloten, so die Vorgabe des Bundesgerichtshofs, der hier Widersprüche bei der Begründung sieht.

Angeklagter wusste, dass er zu schnell fuhr

Dazu hat das Landgericht nun zuerst den Angeklagten selbst gehört. Der heute 27-Jährige räumt ein, dass er damals wusste, dass er zu schnell fuhr. Ein Rennen aber habe er sich nach eigener Aussage nicht liefern wollen. Der gelernte Automechaniker schildert, dass er damals von Autos und der Technik fasziniert gewesen sei, ebenso wie sein damaliger Freundeskreis. Seit dem Unfall interessiere ihn das nicht mehr.

Nicht an andere Verkehrsteilnehmer gedacht

Auf die Frage, ob er in der Unfallnacht an die anderen Verkehrsteilnehmer gedacht habe, kommt ein Kopfschütteln. Ein Schluchzen. Und ein: "Leider nein. Ich wünschte, ich hätte mir Gedanken gemacht." Er könne es sich nicht erklären, warum er damals so schnell gefahren sei.

Die Staatsanwältin weist darauf hin, dass der Angeklagte sein Auto illegal getunt habe – auf über 570 PS für bis zu 350 km/h. Sie will wissen, wie schnell er mit dem Wagen gefahren sei. "Bis zu 290 Stundenkilometer schon vor der illegalen Veränderung", also lange vor der Unfallnacht, räumt der Angeklagte ein. Nähere Angaben macht er nicht.

Zwei erfolgreiche Revisionen

Als eine Zeugin später selbst mit angegriffener Stimme schildert, wie sich ihr Mann um das sterbende Unfallopfer gekümmert hat, nimmt das den Angeklagten sichtlich mit. Ebenso den Vater des tödlich Verunglückten, der als Nebenkläger im Gerichtssaal sitzt.

Die Chronologie des Verfahrens

2019: Auf der Autobahn bei Ingolstadt kommt am 20.10. kurz nach 23 Uhr ein 22-jähriger Mann ums Leben – erfasst vom illegal getunten Sportwagen eines gleichaltrigen Fahrers aus Geisenfeld. Mit mehr als 200 Kilometern pro Stunde war dieser auf das Auto des Opfers aufgefahren. Dieser Sachverhalt ist unstrittig.

2021: Die erste Strafkammer verurteilt den Angeklagten zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe. Wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs erhält er eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten.

2023: Nach der ersten erfolgreichen Revision befasst sich die fünfte Strafkammer mit dem Fall und verurteilt den Angeklagten erneut wegen derselben Straftaten. Sie verkürzt nur die Freiheitsstrafe um zwei Monate auf drei Jahre und vier Monate. Doch auch gegen dieses zweite Urteil ist die Revision erfolgreich. Der Bundesgerichtshof sieht Widersprüche bei der Begründung der "subjektiven Tatseite", vor allem bei der Frage, warum die fünfte Strafkammer einen Gefährdungsvorsatz des Angeklagten im Sinne des Raser-Paragraphen bejaht, aber einen Tötungsvorsatz verneint.

2025: Die dritte Strafkammer am Landgericht muss die subjektive Tatseite des Angeklagten neu ausloten. Das dritte Urteil in dieser Strafsache wird Mitte März erwartet.

Für das Landgericht Ingolstadt ist dieses Raser-Verfahren bislang ein einmaliger Vorgang. Noch nie zuvor hat der Bundesgerichtshof gleich zweimal in einer Strafsache das Urteil aufgehoben.

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