Eine Person wirft einen Brief in den Briefkasten.
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Schon ab 1. August können Anträge auf Geschlechtsänderung abgegeben werden.

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Name und Geschlecht im Ausweis ändern: Jetzt wird's einfacher

Für trans, inter und nichtbinäre Menschen ist es jetzt deutlich einfacher, Namen und Geschlecht im Ausweis zu ändern. Bisher war das mit viel Aufwand verknüpft. Das Selbstbestimmungsgesetz gilt ab November, heute starten bereits die Anmeldungen.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Niederbayern am .

Bisher waren für eine offizielle Änderung des Geschlechts- oder Vornamenseintrags zwei psychologische Gutachten nötig. Entscheiden musste dann ein Gericht. Dieses Verfahren hat lange gedauert und war auch finanziell eine große Hürde für die Betroffenen. Vorgeschrieben hat das das Transsexuellengesetz von 1980, welches nun Geschichte ist.

Letzter Schritt: Eintrag im Ausweis

Jule Rönitz vom Münchner Verein diversity München hat lange auf diesen Tag gewartet. Jule ist nicht-binär. Das heißt, Jule definiert sich weder als weiblich noch als männlich. Nach dem Coming-out 2018 und einer Mastektomie 2022 ist jetzt der Geschlechtseintrag im Ausweis der letzte noch fehlende Schritt: "Weil dann passt alles zu dem, wer ich bin." Jule hat das Selbstbestimmungsgesetz von Anfang an mitverfolgt, seit die Bundesregierung es 2021 angekündigt hatte – das sei teils frustrierend gewesen.

Einfacher Geschlechtseintrag zu ändern

Das neue Selbstbestimmungsgesetz tritt am 1. November in Kraft. Schon ab heute können Erklärungen zur Namens- und Geschlechtsänderung im Pass mündlich oder schriftlich im Standesamt abgegeben werden. Zusätzlich braucht man eine Eigenversicherung. Psychologische Gutachten und gerichtliche Entscheidungen sind nicht notwendig. Ein wichtiger Punkt für Jule: Es gibt jetzt auch die Möglichkeit, den Geschlechtseintrag "divers" zu wählen, was beim alten Gesetz nicht möglich war.

Transsexuellengesetz "entwürdigend"

Auch die grüne Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer aus Nürnberg hat sich heute Früh am Standesamt ihrer Heimatstadt Zwiesel im niederbayerischen Kreis Regen für die Änderung ihres Geschlechtseintrags und ihres Vornamens angemeldet. Die 47-Jährige ist in Zwiesel geboren, trug einen männlichen Vornamen. 2019 hatte sie ihr Coming-out als Frau, erklärte das auch öffentlich im Bayerischen Landtag, wo sie damals Abgeordnete war. Im Bundestag hat sie jahrelang politisch für das neue Selbstbestimmungsgesetz mit gekämpft. Das Prozedere des alten Transsexuellengesetzes empfand Tessa Ganserer so wie viele Betroffene "entwürdigend".

Transgeschlechtliche Menschen seien dadurch mit "intimsten Fragen konfrontiert" worden. Am Ende habe dann ein Gericht entschieden. Das Bundesverfassungsgericht habe auch in mehreren Urteilen Teile dieses Gesetzes für grundgesetzwidrig und menschenrechtsverletzend erklärt. Die Gesetzesänderung sei also notwendig gewesen. "Das Wissen um das eigene Geschlecht", so Tessa Ganserer, "darüber kann nur jeder Mensch für sich Auskunft geben. Man kann Transgeschlechtlichkeit nicht von außen diagnostizieren."

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Die Nürnberger MdB Tessa Ganserer hat sich am Standesamt Zwiesel für die Änderung ihres Geschlechtseintrags und ihres Vornamens angemeldet.

Wartefrist unnötig?

Jule ist nervös, bevor der Brief im Postkasten landet. Das sei ein "endgültiger Schritt". Jetzt muss sich Jule noch bis November gedulden, denn das Gesetz schreibt vor, dass man sich für den Termin am Standesamt drei Monate vorher anmeldet. Diese Bedenkzeit soll nicht ernst gemeinte Änderungswünsche verhindern.

Tessa Ganserer kritisiert allerdings diese Wartefrist. Sie sei "so unnötig wie ein Kropf". Transgeschlechtliche, nicht-binäre Menschen hätten "im Prinzip alle einen mehr oder langen Leidensweg hinter sich", wo sie auch "mit sich selbst im Konflikt seien", bevor sie ein Coming-out wagen. Man brauche also dann keine Bedenkzeit mehr vor dem Termin am Standesamt. Aber im politischen Diskurs hätten "einzelne Kräfte das Thema so aufgeheizt, dass manche Sorge hatten, es könnte da Missbrauch geben." Diese Sorge sei aber, was Betroffene angeht, unnötig.

Für eine erneute Änderung gilt eine Sperrfrist von einem Jahr. Auch diese Vorschrift soll vor übereilten Entscheidungen schützen und nicht ernst gemeinte Änderungen verhindern.

Selbstbestimmungsgesetz nicht unumstritten

Das Selbstbestimmungsgesetz ist in der Politik nicht unumstritten. Die Union kritisierte vor allem den Kinder- und Jugendschutz. Denn auch Minderjährige können künftig ihren Geschlechtseintrag ändern. Bei Kindern unter 14 Jahren müssen die Eltern die Erklärung beim Standesamt einreichen. Jugendliche ab 14 brauchen das Einverständnis der Eltern. Bei allen Minderjährigen muss die Erklärung auch die Versicherung enthalten, dass eine Beratung erfolgt ist.

Für Jule ist es heute ein historischer Tag: "Ich stelle mir vor, wie heute viele Leute zum Briefkasten gehen. Das ist schon aufregend. Und ich bin jetzt sehr froh!" Jule hofft, dass durch das neue Gesetz auch der Geschlechtseintrag "divers" bekannter und selbstverständlicher wird und der Umgang damit einfacher.

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