Eine Gruppe von Geflüchteten steht vor einer Unterkunft (Symbolbild).
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Äußerst dramatisch, zugespitzt, angespannt: So beschreiben die meisten Kommunen die Situation der Geflüchteten in Unterfranken.

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Situation der Geflüchteten in Unterfranken ist "dramatisch"

Situation der Geflüchteten in Unterfranken ist "dramatisch"

Äußerst dramatisch, zugespitzt, angespannt: So beschreiben die meisten Kommunen die Situation der Geflüchteten in Unterfranken. Erste Kommunen funktionieren nun Sporthallen zu Notunterkünften um, fast alle suchen weitere Immobilien.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Immer mehr geflüchtete Menschen kommen nach Unterfranken – und brauchen ein Dach über dem Kopf. Die Lage ist "dramatisch", heißt es von vielen Kommunen. Sogar Sporthallen sollen nun wieder zu Unterkünften werden. Auf engem Raum und mit wenig Privatsphäre müssen die Menschen dort vorübergehend leben.

  • Zum Artikel: Geflüchtete in Unterfranken: Unterbringungsmöglichkeiten fehlen

Anker-Zentrum für Geflüchtete platzt aus allen Nähten

In der zentralen Anker-Einrichtung in Geldersheim bei Schweinfurt sind laut Regierung von Unterfranken aktuell etwa 2.000 Menschen untergebracht, Tendenz steigend. Ausgelegt ist sie eigentlich für 1.500 Menschen. Anker-Zentren sind Erstaufnahme-Einrichtungen für geflüchtete Menschen in Bayern, in denen verschiedene Stellen zusammenarbeiten, um Asylverfahren zu beschleunigen und Abschiebungen durchzuführen. Von Geldersheim aus werden die Menschen dann auf ganz Unterfranken verteilt und in den Kommunen untergebracht – entweder in Gemeinschaftsunterkünften oder dezentral in Wohnungen.

Landkreis Main-Spessart hat bereits Sporthalle umfunktioniert

Der Landkreis Main-Spessart ist die erste Kommune in Unterfranken, die eine Sporthalle als Not-Unterkunft heranzieht – nämlich die Main-Spessart-Halle in Marktheidenfeld ab dem 1. Dezember. Dort ist Platz für etwa 200 Menschen. Schon nach Beginn des Ukraine-Kriegs hat der Landkreis die Halle zur Unterkunft umfunktioniert. Kritik kommt zum Beispiel von den Schulen, die die Halle gerne nutzen würden. Für den Schulsport gebe es wenig Alternativen, hieß es.

Auch in Karlstadt sei eine Sporthalle als Notunterkunft im Gespräch, so Landrätin Sabine Sitter (CSU) zu BR24. Es handelt sich um die kreiseigene Erwin-Ammann-Halle neben dem Gymnasium, eine Dreifach-Sporthalle. In Karlstadt sorgt das für Kritik, vor allem bei Eltern, die wollen, dass ihre Kinder Sport machen können. Laut Landrätin Sitter sei es in Karlstadt aber kein Problem für die Schulen, auf andere Hallen auszuweichen.

Mindestens 400 Plätze werden gebraucht

Der Landkreis Main-Spessart kommt in Sachen Unterbringung langsam an seine Grenzen. Anfang November waren 1.130 Geflüchtete in staatlichen Unterkünften, Notunterkünften und dezentralen Unterkünften im Raum Main-Spessart untergebracht. Tendenz: steigend. Das sind etwa drei Mal so viel wie im gleichen Zeitraum im Jahr 2022. Im vergangenen Jahr hat der Landkreis Main-Spessart etwa 180 Geflüchtete aus dem Anker-Zentrum in Geldersheim zugewiesen bekommen. Dieses Jahr waren es jetzt schon gut 600 Menschen. Zusätzlich leben über 1.000 Menschen aus der Ukraine im Landkreis, die meisten inzwischen in privaten Unterkünften. Um handlungsfähig zu bleiben, müssten jetzt aber zeitnah mindestens 400 freie Plätze geschaffen werden, so Landrätin Sabine Sitter.

Im Landkreis Main-Spessart kommen vor allem Menschen aus der Ukraine unter, aber auch aus Afghanistan, Syrien und der Elfenbeinküste, die vom Anker-Zentrum zugeteilt wurden. Mit 20 bis 30 Geflüchteten pro Woche würde der Landkreis zurechtkommen, heißt es auf Anfrage. Doch in der nächsten Zeit sollen es 50 pro Woche werden.

Die Main-Spessart-Halle in Marktheidenfeld wird als Notunterkunft für Geflüchtete umfunktioniert.
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Die Main-Spessart-Halle in Marktheidenfeld wird als Notunterkunft für Geflüchtete umfunktioniert.

Lage im Landkreis Würzburg "äußerst dramatisch"

Im Landkreis Würzburg ist die Lage inzwischen "äußerst dramatisch", so Fabian Hollmann, Geschäftsbereichsleiter Arbeit und Soziale Angelegenheiten im Landratsamt. Bezahlbarer Wohnraum sei im Raum Würzburg generell kaum vorhanden – deshalb können Menschen, die in Deutschland bleiben dürfen, nicht aus den Unterkünften ausziehen. Von diesen Menschen wohnen derzeit 665 in Landkreis-Unterkünften (Stand: 15.11.23). Parallel dazu weist die Anker-Einrichtung in Geldersheim dem Landkreis Würzburg pro Woche über 50 Flüchtlinge zu.

Der Landkreis sucht händeringend nach Unterkünften und hat die Bevölkerung und die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aufgefordert, Immobilien zu melden. Für Notunterkünfte braucht der Landkreis große Räumlichkeiten, wie Lagerhallen, in denen Menschen vorübergehend in abgeteilten Bereichen oder Räumen wohnen können. Wichtig seien hier Sanitäranlagen oder Platz für Sanitärcontainer. Der Landkreis betont, dass solche Objekte betreut werden, auch mit Security vor Ort.

Außerdem sucht der Landkreis Gebäude für dezentrale Unterkünfte, also Wohnhäuser, frühere Gaststätten mit Platz für mindestens zehn Personen. Bei dieser Variante erhält der Betreiber pro Person pro Tag 20 Euro. Die Räume müssen möbliert sein.

In dieser Woche hat die Notunterkunft in Sommerhausen ihren Betrieb aufgenommen (50 Plätze), nächste Woche folgt die in Gaukönigshofen (80 Plätze). Dann betreibt der Landkreis Würzburg insgesamt sieben Notunterkünfte. Weil der Winter bevorsteht, sind Zelte als Unterbringung nicht geplant. Wenn sich zeitnah keine weiteren Unterkünfte finden, muss der Landkreis ab der Woche vom 4. Dezember auf Sporthallen zurückgreifen.

Stadt Würzburg richtet gerade neue Notunterkunft ein

In der Stadt Würzburg ist die Lage ebenfalls "zunehmend angespannt", so Pressesprecher Christian Weiß zu BR24. Die Stadt richtet aktuell eine größere Flüchtlingsunterkunft im Stadtteil Frauenland ein, die Anfang nächsten Jahres in Betrieb gehen soll. Wie viele Menschen dort Platz haben, ist noch nicht klar.

Außerdem sucht die Stadt Würzburg weiterhin nach Wohnungen und Häusern, die sie für Geflüchtete nutzen kann. Turnhallen sind in der Stadt Würzburg nicht als Unterkünfte angedacht. Angespannt sei vor allem die Betreuungssituation, so Christian Weiß. Es fehle an Personal.

Landkreis Haßberge: "Situation spitzt sich zu"

Auch im Landkreis Haßberge ist die Lage kritisch. In der laufenden Woche und in den kommenden beiden Wochen wird der Landkreis rund 130 Geflüchtete aufnehmen, die über das Anker-Zentrum in Geldersheim verteilt werden. "Diese Personen werden in regulären Unterkünften der dezentralen Unterbringung des Landkreises untergebracht", heißt es aus dem Landratsamt in Haßfurt.

Ab der Woche vom 4. Dezember muss der Landkreis mindestens eine der Notunterkünfte heranziehen. Das sind ein früheres Möbelhaus in Haßfurt und eine Sporthalle in Ebern. Parallel mietet das Landratsamt laufend neue Häuser an und macht sie bezugsfertig. "Die Situation der Unterbringung spitzt sich zu, sofern der Zustrom nicht nachlässt", heißt es abschließend.

Aktuell etwa 1.500 Geflüchtete im Landkreis Rhön-Grabfeld

Anfang der Woche hatte der Landkreis Rhön-Grabfeld Alarm geschlagen. Landrat Thomas Habermann (CSU) hatte zu einem Pressegespräch geladen und von der "zunehmend dramatischen Lage" berichtet. Hauptsächlich kommen die Menschen aus der Ukraine und der Türkei, weil der Bezirk Unterfranken aktuell bayernweit zuständig ist für diese beiden Herkunftsländer. Insgesamt sind derzeit 1.500 Menschen im Landkreis Rhön-Grabfeld untergebracht.

Im Durchschnitt geht der Landkreis Rhön-Grabfeld für die nächste Zeit von 25 zusätzlichen Geflüchteten pro Woche aus. Das größte Problem sei es, die Menschen unterzubringen, so der Landrat. Die Notunterkunft in Bad Neustadt ist bereits wieder eröffnet. Auch im ehemaligen Kreiskrankenhaus und in einem Hotel sollen Menschen unterkommen. Turnhallen will Habermann nach aktuellem Stand nicht für die Unterbringung heranziehen.

Landkreis Schweinfurt sucht Gebäude für zehn bis 30 Menschen

Der Landkreis Schweinfurt hat in den vergangenen Monaten die Zahl der dezentralen Unterkünfte kontinuierlich aufgebaut – und sucht aktuell nach weiteren Objekten. Konkret ist der Landkreis auf der Suche nach Gebäuden, die Platz für zehn bis 30 Menschen bieten und die der Landkreis anmieten kann. In Frage kommen nicht nur größere Wohnungen oder Wohnhäuser, sondern auch Firmengebäude, ehemalige Hotels oder Pensionen. Damit will das Landratsamt verhindern, dass Notunterkünfte wie Turnhallen zum Einsatz kommen müssen.

Landkreis Bad Kissingen: Zuweisungen sind "Herausforderung"

Der Landkreis Bad Kissingen muss seit Montag mindestens 25 neue Geflüchtete pro Woche aufnehmen. "Die Zuweisungen sind für uns eine riesige Herausforderung", so Landrat Thomas Bold (CSU). Aktuell stehen im Landkreis für Geflüchtete zehn Gemeinschaftsunterkünfte und 13 dezentrale Unterkünfte zur Verfügung. "Diese Kapazität reicht bei weitem nicht aus, wenn wir ab sofort pro Woche 25 weitere Personen im Landkreis unterbringen müssen", so Bold weiter.

Auch der Landkreis Bad Kissingen hat das Ziel, Menschen nicht in Turnhallen, Containern oder Zelten unterzubringen. Doch dafür braucht der Landkreis dringend passende Unterkünfte. Aktuell ertüchtigt der Landkreis ein ehemaliges Dienstgebäude in Hausen. Es soll spätestens ab Mitte Dezember als Notunterkunft für Flüchtlinge genutzt werden, heißt es aus dem Landratsamt. Der Landkreis bittet die Bevölkerung, Immobilien zu melden. Ideal seien Objekte, die für rund zehn bis 30 Personen Platz bieten und als dezentrale Unterkünfte genutzt werden können. Neben Wohnhäusern können das auch Firmengebäude, Hotels oder Pensionen sein.

Kritik an Ampelpolitik: Kommunen überfordert mit der Situation

Landrat Thomas Bold hat am Donnerstag kurzfristig ein Gespräch mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern im Landkreis angesetzt und dazu aufgefordert, Unterkünfte zu melden. "Einige Kommunen engagieren sich bereits seit Beginn der Ukraine-Krise enorm für Geflüchtete. Dort bieten Bürgerinnen und Bürger privaten Wohnraum an. Mir ist klar, dass manche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister jetzt mit bangem Blick da stehen und sagen: ‘Wie sollen wir denn das auch noch stemmen?‘. Umso wichtiger ist es, dass sich wirklich alle Kommunen beteiligen, keine kann sich diesem Thema verschließen und außen vor bleiben. Die Geflüchteten unterzubringen ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die wir nur bewältigen können, wenn wir solidarisch sind", so Bold.

Der Bad Kissinger Landrat kritisiert in dem Zug auch die Politik der Bundesregierung: "Die Regierung nimmt die Geflüchteten auf, dann werden sie auf die Landkreise verteilt – und wir müssen am Ende sehen, wie wir das alles hinbekommen." Die Kommunen würden auch bei der Integration der Menschen an ihre Grenzen stoßen.

Landkreis Kitzingen: Sporthallen nicht ausgeschlossen

Der Landkreis Kitzingen will die Belegung von Sporthallen oder Zelten so lange wie möglich vermeiden. Aktuell steht dem Landkreis eine ehemalige Fabrikhalle in Mainbernheim als Notunterkunft zur Verfügung. Doch dauerhaft reiche der Platz dort nicht aus, so das Landratsamt auf Anfrage von BR24. Geplant sind weitere Notunterkünfte. Der Landkreis kann nicht ausschließen, dass er auf Sporthallen ausweichen muss – mangels Alternativen.

Der Landkreis Kitzingen sucht deshalb dringend nach Immobilien, die sich als Notunterkunft ausbauen lassen – zum Beispiel leerstehende Fabrik- oder Büro-Gebäude, aber auch Wohngebäude, in denen die Menschen dezentral untergebracht werden können. Dafür eignen sich leerstehende Wohnhäuser, Hotels, Pensionen oder Seniorenheime. Einzelne Wohnungen passen eher für bereits anerkannte Geflüchtete, die sich selbst eine Wohnung suchen können.

Derzeit 1.200 Geflüchtete im Landkreis Aschaffenburg

"Die Lage ist auch bei uns weiterhin maximal angespannt", heißt es vom Landkreis Aschaffenburg. Derzeit sind dort rund 1.200 Menschen staatlich untergebracht. Die Kapazitäten in den bestehenden Unterkünften würden "bis zum Anschlag erweitert".

Auch der Landkreis Aschaffenburg sucht dringend nach weiteren Immobilien, in denen geflüchtete Menschen unterkommen können: größere Wohnungen oder Wohnhäuser, in denen mindestens zehn Menschen Platz haben, aber auch Firmengebäude, Industriegebäude, Supermärkte, ehemalige Pensionen, Hotels oder Supermärkte. In Betracht kommen auch Grundstücke mit einer Größe von mindestens 1.500 Quadratmetern, "die sich für die Schaffung entsprechender Unterbringungsmöglichkeiten eignen", so das Landratsamt. Dort würden sich Hallen und Container-Siedlungen aufstellen lassen. Auch Zelte sind nicht ausgeschlossen.

Sport- und Kulturhallen sollen weiterhin unangetastet bleiben, um Schul- und Vereinssport sowie kulturelle Veranstaltungen auch in Zukunft zu ermöglichen, heißt es weiter. Das Landratsamt will außerdem größere Einrichtungen mit über 100 Personen auf einem Fleck verhindern.

In der Stadt Aschaffenburg wird die Situation "schwieriger, aber die Zahl der Flüchtlinge ist noch händelbar", heißt es auf Anfrage von BR24 aus dem Rathaus. Die Stadt plant deshalb aktuell nicht, Turnhallen als Wohnräume für Geflüchtete zu nutzen.

Landkreis Miltenberg reaktiviert Notunterkünfte und will Zelte aufstellen

Der Landkreis Miltenberg braucht seit Anfang November wöchentlich mindestens 40 neue Plätze für Geflüchtete. Das sagte Landrat Jens Marco Scherf (Die Grünen) auf Anfrage von BR24. Weil es nicht genügend neue Unterkünfte gibt, reaktiviert der Landkreis nun eine Notunterkunft in der Alten Schule Röllfeld in Klingenberg. Außerdem bereitet der Landkreis eine Notunterkunft in einer leerstehenden Gewerbe-Immobilie in Miltenberg-West vor – und versucht, für ein Thermozelt ein geeignetes Grundstück zu finden. "Der Aufruf, dem Landkreis Miltenberg geeignete Immobilien für dezentrale Unterkünfte zu melden, ist seit August 2022 aktuell und wird regelmäßig wiederholt", so Scherf abschließend.

Schon im März hatte sich Scherf mit einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gewandt und auf die schwierige Situation in den Kommunen hingewiesen. Die Kommunen seien mit der Unterbringung der Flüchtlinge "heillos überfordert", hieß es da schon.

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