Der Bayerische Landtag hat die neuen Corona-Maßnahmen im Freistaat abgesegnet. Bei einer Abstimmung über den entsprechenden Antrag der Regierungskoalition votierten neben CSU und Freien Wählern auch die Grünen dafür. SPD und FDP enthielten sich, die AfD stimmte dagegen.
Die Abstimmung war zwar nur symbolisch, weil für das Inkrafttreten der Maßnahmen vorerst weiter ein Beschluss des Kabinetts reicht. Allerdings hat die Staatsregierung angekündigt, sich an das Ergebnis zu halten - eine Zustimmung galt wegen der Regierungsmehrheit als sicher.
Söder warnt vor "kompletter Überlastung"
Zuvor hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die ab Mittwoch geltenden Corona-Verschärfungen im Freistaat als "einzige Möglichkeit, die wir haben" bezeichnet. In einer Regierungserklärung im Plenum sagte Söder, dass eine "komplette Überlastung" des bayerischen Gesundheitssystems drohe. Derzeit herrsche auf den Intensivstationen eine bisher unbekannte Konkurrenzsituation, die medizinische Versorgung könnte sich für alle verschlechtern. "Wir stehen wieder vor einem Corona-Drama."
Söder sagte: Viele hätten die jüngste Dynamik der Pandemie nicht vorhergesehen, auch er nicht. Zum wiederholten Male erklärte er, es handle sich derzeit um eine "Pandemie der Ungeimpften". Impfskepsis sei im gesamten Alpenraum weiter verbreitet als im Norden Deutschlands, Bayern habe auch bei anderen Impfungen geringere Quoten als andere. Auf den Intensivstationen lägen zu 90 Prozent Ungeimpfte. Direkt kritisierte der Ministerpräsident die AfD sowie Esoteriker-Gruppen, die Zweifel am Nutzen der Corona-Impfung verbreiten. "Ohne Impfen gibt es auf Dauer keine Freiheit", sagte Söder. Es brauche weniger "Ichlinge" im Land und mehr Idealisten.
Bayern: Neue Verschärfungen beschlossen
Kurz vor Söders Regierungserklärung beschloss das bayerische Kabinett am Mittag die Corona-Verschärfungen, die der Ministerpräsident vergangenen Freitag angekündigt hatte. Ab Mittwoch und vorerst bis 15. Dezember zählen dazu bayernweit Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte, weitgehende 2G- oder 2G-Plus-Regeln, Personengrenzen bei Kultur- und Sportveranstaltungen sowie eine 22-Uhr-Sperrstunde in der Gastronomie. Clubs, Bars, Diskotheken und Bordelle müssen bis Mitte Dezember schließen. Weihnachtsmärkte fallen aus.
In Corona-Hotspots mit Inzidenzen über 1.000 wird das öffentliche Leben ab Donnerstag weitgehend runtergefahren. Schulen und Kitas sollen aber bayernweit offen bleiben: "Wir wollen aus anderen Pandemiewellen lernen und nicht wieder bei Kindern und Jugendlichen anfangen", sagte Söder. Er verwies auf viele Tests bei Schülern und die Maskenpflicht im Unterricht.
Weiterhin sind die Corona-Infektionszahlen in Bayern hoch: Landesweit gab das Robert Koch-Institut die Sieben-Tage-Inzidenz am Dienstag mit 644,9 an. Zehn bayerische Landkreise wiesen eine Inzidenz von mehr als 1.000 auf. Laut Söder liegt die Corona-Inzidenz bei Ungeimpften im Freistaat über 1.000, bei Geimpften über 100.
Schulze: Bei Söder sind "immer die anderen schuld"
Die bayerische Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze kritisierte Söder und die Staatsregierung scharf. "Bei ihnen sind immer die anderen schuld", sagte sie in Richtung des Ministerpräsidenten. Die Corona-Bilanz Bayerns stehe für sich, es fehle bei Söder "auch nur ein Funken" Selbstkritik. Laut Schulze stimmt es nicht, dass die jüngste Dynamik nicht vorhersehbar gewesen sei. "Das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates wurde in den letzten Wochen erneut massiv erschüttert." Auch habe es in Bayern keine konzertierte Informationskampagne fürs Impfen gegeben.
"Wir stehen im Herbst 2021 schlechter da als im Herbst 2020", sagte Schulze. Angesichts der aktuellen Lage gilt laut der Grünen-Fraktionschefin nun für Erwachsene erneut: Kontakte reduzieren, Infektionskurve abflachen. Den Landtags-Grünen gehen die neuen Maßnahmen in Bayern dabei nicht weit genug: Schulze forderte unter anderem, die Bundeswehr per Amtshilfe zur Unterstützung in die Kliniken zu bringen sowie in Corona-Hotspots flächendeckend PCR-Pooltests durchzuführen. Sie plädierte auch für regelmäßige kostenlose PCR-Tests für geimpfte Menschen.
SPD unterstützt Maßnahmen, AfD gegen Impfpflicht
Aus Sicht der Landtags-SPD sind die verschärften Maßnahmen ab Mittwoch dringend nötig. Die Lage seit bitterernst und es müsse jetzt gehandelt werden, sagte Fraktionschef Florian von Brunn. Auch er warf der Staatsregierung zu spätes Handeln vor: Der von der Staatsregierung selbst ins Leben gerufene bayerische Ethikrat habe schon im Juni davor gewarnt, im Herbst von absehbaren Entwicklungen überrascht zu werden. Söder attestierte er "politisches Blendertum und Ego-Trips": Verantwortung nach Berlin abzuschieben sei schäbig. In Bayern brauche es nun eine breite Impfkampagne, forderte von Brunn.
Der bayerische AfD-Fraktionschef Christian Klingen attackierte die Staatsregierung besonders wegen der Überlegungen zu einer Impfpflicht. Eine solche sei vor nicht allzu langer Zeit noch als Verschwörungstheorie abgetan worden. Der Notstand in den Krankenhäusern und im Gesundheitssystem ist laut Klingen zudem seit Jahrzehnten bekannt. Sein Vorwurf an die Staatsregierung: Um vom eigenen Versagen abzulenken, flüchte man sich nun in Schuldzuweisungen.
FDP unterstützt Maßnahmen teilweise - Kreuzer und Streibl mahnen
Impfen sei "kein Notfallinstrument für die vierte Welle", sagte FDP-Fraktionschef Martin Hagen. Daher seien neue Einschränkungen unvermeidlich, weil eine Überlastung der Kliniken drohe. Das Krankenhaussystem sei schlechter auf die vierte Corona-Welle vorbereitet als auf die Wellen davor. Pauschale Schließungen lehne die FDP allerdings ab, genau wie das Verbot von Weihnachtsmärkten.
Die Koalitionspartner CSU und Freie Wähler wiesen Kritik an ihrem Kurs zurück. Die Einschränkungen seien leider völlig unvermeidlich, sagte CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer. Die Mehrheit der Vernünftigen könne allerdings nicht auf Dauer Rücksicht nehmen auf die Minderheit der Unvernünftigen. Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl sagte: Es bringe nichts, einander Fehler vorzuhalten. Auch die Freien Wähler hätten Öffnungen gefordert, jetzt übernehme man aber Verantwortung und handle.
Söder für Impfpflicht: "Wir sollten es auch tun"
In seiner Regierungserklärung bekräftigte Bayerns Ministerpräsident seine Forderung nach einer allgemeinen Impfpflicht in Deutschland. "Österreich macht es, auch wir sollten es tun", sagte Söder. Mit Blick auf die kommenden Monate und Jahre warnte er andernfalls vor einer Endlosschleife: "Wenn wir nicht mehr Impfbereitschaft haben, kommen wir immer wieder auf den selben Punkt." Ohne konkret das Beispiel Bayern München zu nennen erklärte Söder zudem: Auch Profisportler sollten sich endlich impfen lassen.
Das bayerische Kabinett äußerte sich in Sachen allgemeiner Impfpflicht zuvor noch etwas zurückhaltender. Im Bericht aus der Kabinettsitzung heißt es: "Die Staatsregierung spricht sich auch dafür aus, auf Bundesebene eine allgemeine Impfpflicht ins Auge zu fassen, wenn sich die Impfquote in den kommenden Wochen nicht deutlich verbessert."
BR24live: Die gesamte Landtagsdebatte nach Söders Regierungserklärung zum Nachsehen
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