Es ist Markttag in Bergen und Sarina Kraft will mit ihrem Infostand noch mehr Menschen auf die Trinkwasserversorgung im Ort aufmerksam machen. Inzwischen hat die Initiative "Unser Bergener Wasser" mehr als 700 Unterstützer in dem 5.000-Einwohner-Ort gewonnen. Die Mitglieder der Bürgerinitiative haben öffentlich einsehbare Daten ausgewertet und befürchten, dass die Grundwasserpegel in der Region aufgrund des Klimawandels sinken, während das benachbarte Unternehmen Adelholzener Alpenquellen weiterhin Tiefengrundwasser im Gemeindegebiet in Flaschen abfüllt. "Unsere Sorge ist, dass uns das Trinkwasser in der Zukunft ausgehen könnte", sagt Sarina Kraft.
Mineralwasser aus dem Naturschutzgebiet
Ungefähr einen Kilometer Luftlinie entfernt sitzt das Unternehmen Adelholzener Alpenquellen. Mit 600 Millionen verkauften Wasserflaschen im Jahr gehört es zu den führenden Mineralwasserherstellern in Deutschland. Der Firmensitz ist zwar im benachbarten Siegsdorf, doch das Mineralwasser stammt aus 160 Metern Tiefe unterhalb des geschützten Bergener Moos.
Das Trinkwasser für die Bergener kommt aus den nahegelegenen Quellen, die im Weißachental in den Chiemgauer Alpen entspringen - dasselbe Tal, das zum Einzugsgebiet des Tiefengrundwasservorkommens für Adelholzener gehört.
Adelholzener plant Standorterweiterung
Zwei Nachrichten beunruhigen die Bergener Bürgerinitiative: Erstens will Adelholzener bis 2040 seinen Standort ausbauen und modernisieren, zweitens braucht das Unternehmen bis 2025 eine neue Genehmigung, um weiter Wasser abzupumpen. "Die Genehmigungen, die Ende 2024 auslaufen, haben mit Expansionsplänen nichts zu tun", entgegnet der Geschäftsführer Stefan Hoechter im BR24-Interview. Adelholzener verbraucht nach eigenen Angaben rund eine Million Kubikmeter Mineralwasser pro Jahr, das sind ungefähr zwei Drittel der aktuell zugelassenen Menge. Mehr wolle die Geschäftsführung auch in Zukunft nicht beim Landratsamt beantragen.
Dem Landratsamt zufolge handele es sich dabei um "umfassende rechtsstaatliche Verfahren", wobei etwa die Belange der Gemeinde, des Wasserversorgers und Naturschutzfragen berücksichtigt werden. Adelholzener muss auch ein hydrogeologisches Gutachten einreichen, das am Wasserwirtschaftsamt geprüft wird.
Daten aus mehr als 30 Jahren geben Entwarnung
Doch wie wird gemessen, ob in 160 Metern Tiefe genauso viel Grundwasser neu gebildet wie entnommen wird? Dazu betreibe das Unternehmen an allen Brunnenanlagen auch Messstellen, sowohl im Tiefen- als auch im Oberflächengrundwasser, heißt es von der Geschäftsführung. Adelholzener ist seit 1991 gesetzlich dazu verpflichtet, Überwachungsdaten an die Behörden zu übermitteln, in diesem Fall an das Wasserwirtschaftsamt Traunstein. Dort liegen zum Beispiel Entnahmemengen, Grundwasserstände und Druckwasserspiegel, aber auch Daten zum Alter des Wassers und der chemischen Zusammensetzung vor.
Die amtlichen Fachleute sehen anhand dieser Daten aktuell keinen Grund zur Sorge. "Alle Daten, die uns seit vielen Jahren vorliegen, darunter auch aus dem oberflächennahen Grundwasser, zeigen keine langfristigen Veränderungen durch die Entnahmen", sagt die stellvertretende Behördenleiterin Kerstin Staton. Alle Druckspiegel sowie die chemischen Analysen seien über Jahre unverändert geblieben. Deshalb sei die aktuelle Mineralwassernutzung verträglich und nachhaltig.
Wasserknappheit betrifft viele Gemeinden schon jetzt
Sind die Ängste der Bürger also übertrieben oder besteht doch eine echte Gefahr für das Grundwasser, wenn der Klimawandel voranschreitet? Auch in Oberbayern sinken vielerorts die Grundwasserpegel. In manchen Gemeinden ist das Grundwasser dazu noch schadstoff- oder nitratbelastet.
Auf der Suche nach Alternativen müssen einige Bürgermeister bereits tiefer im Boden nach Trinkwasser suchen, also auf Tiefengrundwasser zurückgreifen.
Polling ist schon jetzt auf Tiefenwasser angewiesen
In Polling im Landkreis Mühldorf hatte die Gemeinde in der Vergangenheit Probleme mit zu hohen Nitratwerten im Grundwasser. Deshalb mischt der örtliche Wasserversorger Tiefengrundwasser bei, um die Grenzwerte einzuhalten. Gleichzeitig will das Unternehmen InnFood künftig in nur einem Kilometer Luftlinie entfernt Tiefengrundwasser in Flaschen füllen und verkaufen.
Das wollen einige Pollinger nicht akzeptieren und haben gemeinsam mit der Bürgerinitiative Netzwerk Trinkwasser (BINT) eine Petition gestartet, die sie im Landtag einreichen werden. Auch der Bürgermeister der Stadt Töging am Inn, im Nachbarlandkreis Altötting, hat Einwände, weil Töging genau dieses Wasser später vielleicht noch braucht.
Auch am Alpenrand künftig weniger Grundwasser
Laut dem Landesentwicklungsprogramm Bayern gilt Tiefenengrundwasser als "eiserne Reserve“ für die Versorgung der Bevölkerung in Not- und Krisenfällen. Wer Tiefengrundwasser entnehmen will, etwa Gemeinden oder Unternehmen, muss strenge Auflagen erfüllen. Die Adelholzener Alpenquellen haben dieses Sonderrecht schon seit vielen Jahren, weil der Standort als Mineral- und Heilquelle anerkannt ist.
Noch ist die Trinkwasserversorgung im Chiemgau rund um die Adelholzener Alpenquellen entspannt. Doch mit Blick auf den Klimawandel sollte man auch dort vorausschauend handeln, heißt es aus dem Wasserwirtschaftsamt Traunstein. "Auch hier müssen wir davon ausgehen, dass es in Zukunft mehr Starkregenereignisse geben wird. Diese Regenmengen fließen ganz schnell dem Oberflächengewässer zu und damit versickert künftig weniger Niederschlag ins Grundwasser," sagt Kerstin Staton.
Monitoring ermöglicht rechtzeitiges Gegensteuern
Das Monitoring der Adelholzener Alpenquellen sei deshalb sehr wichtig, um rechtzeitig reagieren zu können. Grundsätzlich sei bei derartigen wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren auch empfehlenswert, die Erlaubnis zeitlich zu befristen und künftig kürzere Laufzeiten auszusprechen als in der Vergangenheit.
Die Bergener Bürgerinitiative hat trotzdem noch Bedenken, auch nach einem ersten Gespräch mit der Geschäftsleitung von Adelholzener. Sobald die Antragsunterlagen des Unternehmens beim Landratsamt vorliegen, möchte die Bürgerinitiative Einsicht und fordert ein Gegengutachten. Die Gemeinde Bergen kann dann dazu Stellung nehmen. Das hat sie auch vor, sagt der Bürgermeister Stefan Schneider (Grüne Liste Bergen). Er sieht die Bürgerinitiative als Gewinn für die Gemeinde, als Anstoß für eine offene Diskussion. Doch am Ende liege die Entscheidung bei den Fachbehörden.
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