Ein Vater fährt mit seinen Töchtern Fahrrad.
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Sparen und Kappen: Warum eigentlich bei den Familien?

Den Kreis der möglichen Elterngeld-Empfänger begrenzen – oder Ehegattensplitting abschaffen? Während in Berlin der nächste große Koalitionsstreit tobt, fragen sich Eltern: Warum muss eigentlich ausgerechnet im Familienbereich gekürzt werden?

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Sophie Schmidt* ist Mutter eines Säuglings und wohnt mit ihrer kleinen Familie im Münchner Umland. Ohne die Möglichkeit auf Elterngeld wäre die Familienplanung für sie und ihren Mann schwierig geworden. Doch um die vom FDP-geführten Bundesfinanzministerium geforderten Einsparungen zu erreichen, muss Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sparen.

Mutter kritisiert vorgeschlagene Elterngeld-Kappung

218 Millionen Euro bekommt Paus weniger. Durch die Kappung des Elterngeldes könnte sie 290 Millionen Euro einsparen. Künftig sollen nur noch Paare Elterngeld bekommen, deren jährlich zu versteuerndes Einkommen zusammen bei maximal 150.000 Euro liegt. Bisher lag die Grenze bei 300.000 Euro. Paus rechnet damit, dass rund 60.000 Familien von der Kürzung betroffen sein werden. Andere, wie das Institut der Deutschen Wirtschaft, rechnen vor, dass es bis zu 435.000 sein könnten.

Sophie Schmidt und ihr Mann liegen knapp unter dem Einkommen von 150.000. Die Mutter findet diese Grenze aber trotzdem zu niedrig angesetzt. "Das hört sich so viel an, aber ich find das die Debatte generell auch ein bisschen schwierig geführt wird. Das ist so eine Entweder-Oder-Frage als ob es keine anderen Bereiche gebe, an denen man kürzen könnte. Es muss nicht unbedingt immer an den Kindern oder an der Familie sein." Sophie Schmidt fügt hinzu: "Wir haben als Gesellschaft ja so ein paar Themen wo wir sagen, das ist wichtig, wie zum Beispiel Versorgung von Kindern oder überhaupt mehr Kinder zu bekommen, Gleichberechtigung, weniger Paygap, dass sich beide Elternteile um die Versorgung und Betreuung der Kinder kümmern – und die Kürzung widerspricht alldem."

Auch FDP sieht Sparpotenzial beim Elterngeld – aber anders

Das Elterngeld soll vor allem dafür sorgen, dass mehr Männer nach der Geburt ihres Kindes eine berufliche Auszeit nehmen. So war bei der Einführung 2007 zumindest der Plan. Doch das Ziel, Erwerbsarbeit und Care-Arbeit gleich zwischen den Partnern zu verteilen, habe sich nicht realisiert, stellte die Soziologin Jutta Allmendinger im Interview mit BR24 in der vergangenen Woche fest. So beziehen nach ihren Worten 98 Prozent der Frauen für rund 13 Monate Elterngeld. Bei den Männern hingegen seien es nur 44 Prozent – und diese kümmerten sich im Durchschnitt lediglich für drei Monate um den Nachwuchs. Bei den sehr gut verdienenden Männern sei die Gruppe derer, die Elternzeit nehmen, noch kleiner.

Die FDP kann der vorgesehene Streichung des Elterngelds für Bezieher hoher Einkommen nichts abgewinnen und schlägt eine andere Aufteilung der Leistung vor. FDP-Vizevorsitzende Johannes Vogel sagte am Sonntagabend in der Fernseh-Talkshow "Anne Will": "Ich finde es falsch, wenn wir jetzt einfach das Elterngeld mit dem Rasenmäher abrasieren, auch in einem Bereich, wo wir reden über Ingenieurinnen und Ingenieure, Ärzte." Er unterstützte einen Vorschlag aus der FDP, von den Paaren eine stärkere zeitliche Angleichung ihrer Elternmonate zu verlangen - wenn das nicht geschieht, soll nur ein Partner Elterngeld erhalten. Darüber hinaus habe Paus auch "im Bereich der zahlreichen Förderprogramme noch ein gewisses Einsparpotenzial", sagte Vogel.

Paus wies dies in der Sendung sogleich zurück. "Wenn das mit der Partnerschaftlichkeit funktioniert, dann ist das keine Kürzung", sagte sie. "Deswegen kann ich das auch nicht vorschlagen."

Und tatsächlich: Im Fall von Sophie Schmidt haben sich beide Elternteile die Care-Arbeit aufgeteilt. "Wir wohnen im Speckgürtel München, ich hätte mir das auch nicht leisten können, jetzt ein Jahr daheim zu sitzen und nur Elterngeld zu bekommen", sagt Schmidt. Stattdessen haben sie und ihr Mann Elternzeit in Teilzeit in Anspruch genommen. "Wir hatten beide in etwa gleich viele Teilzeitmonate um die Betreuung zu gewährleisten, weil Kitaplätze gibt's für Kinder unter einem Jahr eigentlich gar nicht."

Ehegattensplitting: SPD zieht Joker aus dem Hut

Die SPD in der Bundesregierung scheint die Elternproteste der vergangenen Tage wahrgenommen zu haben und macht einen Kompromissvorschlag, der die FDP an anderer Stelle unter Druck setzt. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil spricht sich dafür aus, für neu geschlossene Ehen das Ehegattensplitting abzuschaffen. "Damit würden wir dem antiquierten Steuermodell, das die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau begünstigt, ein Ende setzen. Und der Staat würde Geld sparen", sagte Klingbeil dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Diese Variante hätte auch Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) favorisiert. Die Abschaffung des Ehegattensplittings sei in der Ampel-Regierung jedoch nicht konsensfähig gewesen.

Ehegattensplitting bezeichnet das Verfahren, nach dem Ehepaare und Lebenspartnerschaften besteuert werden, die keine Einzelveranlagung wählen. Dabei wird das gemeinsame Einkommen halbiert, die darauf entfallende Einkommensteuer berechnet und die Steuerschuld anschließend verdoppelt. Das nützt vor allem Paaren, bei denen einer viel und der andere wenig verdient. Den Staat kostet das laut Bundeszentrale für politische Bildung von 2020 jährlich 20 Milliarden Euro.

Die FDP und das von ihr geführte Finanzministerium stellten sich am Montag klar gegen einen Vorschlag von SPD-Chef Lars Klingbeil, das umstrittene Ehegattensplitting für neu geschlossene Ehen abzuschaffen. "Die Abschaffung des Ehegattensplittings wäre schlicht und ergreifend eine Steuererhöhung für viele Paare", twitterte der parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, FDP-Politiker Florian Toncar. Steuererhöhungen sind im Ampel-Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP ausgeschlossen worden.

Und auch die CSU ist gegen das Ende des Ehegattensplittings. "Es gibt nicht wenige Fälle wo gerade das Ehegattensplitting eine deutliche Entlastung herbeiführt und deshalb sollte das auch dringend beibehalten werden", sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber gegenüber BR24.

Warum eigentlich nicht bei den "oberen paar Prozent"?

Sophie Schmidt und ihr Mann verdienen in etwa gleichviel und profitieren kaum vom Ehegattensplitting. "Es wäre bestimmt fairer und würde mehr bringen, da zu sparen", sagt sie. Allerdings würden viele Ehepaare Versorgungsleistungen füreinander erbringen, da sei das schon fair, wenn sie auch etwas entlastet würden. "Es ist ja eher im Gesundheitswesen und im Pflegewesen, wo Löcher gestopft werden müssen und vielleicht muss man da an anderen Stellschrauben drehen", findet Schmidt. Sie habe das Gefühl, dass viele von diesen Möglichkeiten immer in der Mittelschicht ansetzen - und nicht da bei den oberen paar Prozent. Nun würden die, die ohnehin soviel Last tragen müssten, sich gegenseitig zerfleischen.

*Name von der Redaktion geändert

CSU-Generalsekretär Martin Huber
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CSU-Generalsekretär Martin Huber

Mit Informationen von Reuters

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