Physiotherapie in der geriatrischen stationären Reha-Klinik in Lohr am Main.
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Spezial-Reha für Ältere in Gefahr

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Spezial-Reha für Ältere in Gefahr: Würzburger wehren sich

Die geriatrischen stationären Reha-Kliniken im Freistaat schreiben seit Jahren rote Zahlen. In Würzburg gibt es mittlerweile nur noch eine Klinik. Gegen diese prekäre Situation geht nun die Seniorenvertretung Würzburg vor, mit einer Petition.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Schritt für Schritt geht Irmgard Lemmerich die Treppe in der geriatrischen Reha-Klinik der AWO Unterfranken in Würzburg hinunter. Eine Hand am Geländer, in der anderen ihre Krücken. Die 73-Jährige ist seit zwei Wochen in der Klinik, weil sie eine neue Hüfte bekommen hat. Hier, in der geriatrischen stationären Reha, soll sie wieder fit werden. Das Ziel: Pflegebedürftigkeit älterer Menschen nach Unfall oder Krankheit vermeiden. Doch ein Großteil der Einrichtungen im Freistaat kämpft ums Überleben.

Nur noch eine stationäre geriatrische Reha-Klinik in Würzburg

Laut einer Sprecherin des Bayerischen Gesundheitsministeriums gibt es aktuell "62 geriatrische Rehabilitationseinrichtungen mit insgesamt 3.133 Betten in Bayern". Doch die Zahlen beziehen sich auf die zugelassenen Betten, sagt Kathrin Tatschner, Chefärztin der Geriatrischen Reha-Klinik der AWO Unterfranken. "Von mehreren Kliniken weiß ich, dass sie gar nicht mehr am Netz sind." In Würzburg hatte 2020 die stationäre geriatrische Reha des Bürgerspitals geschlossen, 36 Betten fielen damals weg. Ende Juli schloss hier auch die ambulante Reha, die geriatrische stationäre Reha-Klinik der AWO Unterfranken ist nun die letzte in Würzburg.

Folge: Zwischenstationen und Wartelisten

Das habe neben langen Wartelisten konkrete Folgen für die Patientinnen und Patienten, sagt Tatschner: "Früher konnten wir sie in der Regel direkt aus dem Krankenhaus zu uns übernehmen, heute haben sie häufig Zwischenstationen, zum Beispiel die Kurzzeitpflege. Und in der Kurzzeitpflege passiert auch nicht so viel an Aktivierung. Die Patienten kommen dann letztendlich nochmal in einem eingeschränkteren Zustand zu uns, als es der Fall gewesen wäre, wenn sie direkt von der Akutklinik gekommen wären."

Kliniken kämpfen finanziell ums Überleben

Als "unverändert prekär" bezeichnet Andreas Zenker, Kaufmännischer Direktor der Klinik, die finanzielle Situation. Jede Reha-Klinik verhandelt mit den Krankenkassen einen eigenen Tarif. Derzeit erhält die Geriatrische Reha-Klinik der AWO in Würzburg 224 Euro pro Pflegetag, 334 Euro bräuchten sie zur Kostendeckung. Damit liege das Defizit der Klinik im sechsstelligen Bereich.

Ähnlich sieht es im Klinikum Main-Spessart in Lohr am Main aus. Im vergangenen Dezember hatten sie hier erst ein neues geriatrisches Gebäude eröffnet. Zur Deckung der Kosten pro Bett bräuchten sie hier 325 Euro täglich. Weil die Klinik dies von den Krankenkassen nicht erhält, können täglich durchschnittlich nur sechs Betten belegt werden. Das jährliche Defizit beträgt laut Klinikreferent René Bostelaar über 200.000 Euro.

Petition will Einrichtungen finanziell sichern

Mit einer Petition will die Seniorenvertretung der Stadt Würzburg dagegen ankämpfen und die geriatrische stationäre Reha erhalten. Die Petition trägt den Titel "Geriatrische REHA für Senior:innen sichern! Stationäre REHA ist unverzichtbar!" Die Vorsitzende der Würzburger Seniorenvertretung, Renate Fiedler, sagte dem BR: "Wir fordern ganz konkret vom Bayerischen Freistaat eine Zwischenfinanzierung zu generieren, bis zu dem Zeitpunkt bis die bundesgesetzlichen Regelungen greifen. Denn in dem Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz ist ja verankert, dass eine leistungsgerechte Vergütung zu erfolgen hat."

Doch bisher fehlen die dazu notwendigen Rahmenrichtlinien, auf die sich die Spitzenverbände der Krankenkassen mit den geriatrischen Kliniken einigen müssen. Eine in der Petition vorgesehene Zwischenlösung wären Gelder aus Härtefallausgleichfonds.

Petition noch bis Anfang nächsten Jahres

Die Petition der Seniorenvertretung der Stadt Würzburg hat seit Mitte August knapp 10.000 Unterschriften erhalten, bis Anfang nächsten Jahres soll sie weiterlaufen und dann an den Landtag übergeben werden. Für die AWO-Chefärztin Kathrin Tatschner muss sich dringend etwas ändern, die derzeitige Situation bezeichnet sie als "Altersdiskriminierung". Studien zufolge können rund 80 Prozent der Patientinnen und Patienten nach einer geriatrischen Reha wieder selbstbestimmt leben. Laut Tatschner sei dies oberstes Ziel ihrer Patientinnen und Patienten, noch vor der eigenen Gesundheit.

Chefärztin Kathrin Tatschner und Vorsitzende der Seniorenvertretung der Stadt Würzburg, Renate Fiedler .
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Chefärztin Kathrin Tatschner und Vorsitzende der Seniorenvertretung der Stadt Würzburg, Renate Fiedler (links).

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