"Ich fahr' wieder nach Hause": Berufsschüler Sascha hatte umsonst am Bahnhof im unterfränkischen Bad Neustadt auf seinen Zug gewartet. So wie er wurden am Donnerstag deutschlandweit 7,3 Millionen Menschen vom Bahnstreik der Lokführergewerkschaft GDL ausgebremst. Ein Chaos an den Bahnsteigen blieb tagsüber aber aus, viele Reisende konnten offenbar ihre Bahnfahrten verschieben oder sie sind aufs Auto umgestiegen. Im Großraum Nürnberg und in München waren Schüler, Studierende und Berufspendler auch auf Busse, Trambahnen und U-Bahnen ausgewichen.
Bahnverkehr rollt wieder
Seit den frühen Freitagmorgenstunden läuft der Bahnverkehr in Deutschland wieder weitgehend rund. "Die Züge im Fern- und Regionalverkehr fahren seit Betriebsbeginn am frühen Morgen wieder nahezu überall nach dem regulären Fahrplan", teilte die Bahn mit. Gelöst ist der Tarifkonflikt zwischen der Deutschen Bahn und der GDL aber noch nicht.
Am Freitag erwartet der bundeseigene Konzern nun volle Züge: "Da der heutige Freitag ein sehr nachfragestarker Tag ist und viele Fahrgäste ihre Reise wegen des GDL-Streiks auf heute verschoben haben, empfehlen wir im Fernverkehr dringend eine Sitzplatzreservierung", hieß es.
Donnerstag viel Stillstand auf den Gleisen
Für die Warnstreikzeit von Mittwoch, 22 Uhr, bis Donnerstag, 18 Uhr, hatte die Bahn vorab angekündigt, dass rund 20 Prozent der ICE- und Regionalzüge trotz Streik verkehren sollten. In Nürnberg rollten die Fernzüge am Donnerstag auch weitgehend nach diesem Notfallplan. Doch nicht überall hat das Konzept gegriffen: In Bamberg stand fast alles still, ebenso auf der Strecke zwischen Landshut und Plattling.
Unregelmäßigkeiten gab es auch bei den privaten Bahnanbietern, die auf die Dienste und das Gleisnetz der DB angewiesen sind. Auch wenn die in Bayern verkehrenden Privatbahnen, wie Go-Ahead, Länderbahn und Bayerische Regiobahn (BRB), nicht selbst von dem Streikaufruf betroffen waren, kam es am Donnerstagvormittag zu Ausfällen. So verursachte der Streik im Stellwerk Bodenwöhr bei der Oberpfalzbahn Stillstand und es gab Teilausfälle beim Alex, weil das Stellwerk Regensburg nicht besetzt war. Bis mittags funktionierten die Stellwerke wieder. Ein großer Teil der DB-Regionalzüge verkehrte unregelmäßig. Zwischen Würzburg und Nürnberg sowie Augsburg und München gab es immerhin einzelne Verbindungen. Zwischen Nürnberg, Passau, Garmisch-Partenkirchen und München fuhr nur alle zwei Stunden ein Zug.
Am Ende leiden die Bahnkunden
Am Ende leiden die Bahnkunden, kritisierte der Pro-Bahn-Bundesvorsitzende Detlef Neuß. Viele Fahrgäste an Bayerns Bahnhöfen unterstützten zwar bessere Arbeitsbedingungen für Lokführer und ihre Forderung nach einer besseren Vergütung. Sehr viel weniger Verständnis äußerten sie gegenüber BR24 für den kurzfristig angekündigten Warnstreik der GDL.
Auf die Frage, wer die Verantwortung für den Frust der Reisenden und leere Bahngleise trage, betonte Lokführer Erik Großmann als aktives Mitglied der Lokführergewerkschaft: "Die Deutsche Bahn AG ist dafür verantwortlich, gerade mit der Taktik, immer alles in die Länge zu ziehen und das möglichst kompliziert zu gestalten." Die Eisenbahner fordern unter anderem 550 Euro mehr Lohn, eine echte Fünf-Tage-Woche und im Schichtdienst 35 Stunden pro Woche. Zulagen sollen um 25 Prozent und die betriebliche Altersvorsorge um fünf Prozent steigen.
Bahn-Sprecher: Gleichzeitig verhandeln und streiken geht nicht
Bahn-Sprecher Achim Stauß rechtfertigte im BR24-Interview die Absage der für Donnerstag geplanten Verhandlungen mit der Lokführergewerkschaft GDL. Man könne nicht verhandeln und gleichzeitig streiken. Das sei absolut unüblich, so der Bahnsprecher. Die Forderung der GDL nach einer 35-Stunden-Woche lehnt die Bahn nach wie vor ab. Laut Stauß bräuchte der Konzern dann deutlich mehr Lokführer, um sein Angebot aufrechterhalten zu können. Doch mehr Personal gebe der Arbeitsmarkt derzeit nicht her, so Stauß. Die Bahn halte jedoch am vereinbarten nächsten Verhandlungstermin in der kommenden Woche fest – vorausgesetzt, die GDL werde nicht zeitgleich wieder zum Arbeitskampf aufrufen.
Bahnreisende studieren Fahrpläne - manche nehmen es mit Humor
Die Zugbindung für Bahn-Tickets war aufgrund des Streiks aufgehoben. Wer seine geplante Reise verschieben möchte, kann bereits gekaufte Tickets später nutzen, hieß es von der Deutschen Bahn. Wer einen Sitzplatz reserviert hatte, kann diesen kostenlos stornieren.
Bahnkunden konnten am Donnerstag ihre Ziele jedoch oft doch noch erreichen, wenn auch mit einem Umweg oder verbunden mit einer längeren Fahrzeit, wie einzelne Reisende BR24 auf Nachfrage mitteilten. Während sich zum Beispiel am Mühldorfer Bahnhof nur wenige Reisende am Abend aufhielten, waren am Münchner Hauptbahnhof trotz des Streiks viele Pendler unterwegs in Richtung Feierabend. "Heute muss ich genau schauen, wann ein Zug geht und da habe ich mich heute Morgen hingesetzt und geschaut, mit welchem Zug ich fahre. Weil, wenn ich den Zug nicht erwische, dann fährt der nächste irgendwann um 20 Uhr und solange habe ich keine Lust, dass ich in München rumsitze", erklärte ein Pendler aus dem Allgäu. Andere nahmen das Durcheinander im Fahrplan mit Humor: "Ich fahr' Richtung Cham. Wir haben also auch in der Oberpfalz mal Vorteile mit unserem Alex, weil der fällt meistens aus, aber dieses Mal fährt er."
Im Video: Bahn-Sprecher Achim Stauß am Donnerstagabend im Gespräch
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