Die Grundschülerinnen Hannah und Emilia stehen an der Hörberinger Straße in Neumarkt-Sankt Veit auf einem schmalen Gehsteig. Autos und Lkws rauschen vorbei – wegen einer Kurve ist die Stelle unübersichtlich. Hinter den Mädchen befinden sich ihre Grundschule, eine Mittelschule und ein paar Meter weiter ein Pflegeheim. Zwar soll eine Fußgängerampel den Schulweg sicherer machen, geschützt fühlen sich die Kinder dennoch nicht: "Ich find's halt immer blöd, dass manche Autos so schnell fahren", sagt Emilia. Dass hier noch Tempo 50 erlaubt ist, dafür hat auch Eva Guse vom Bürgernetzwerk Neumarkt-Sankt Veit kein Verständnis. Seit 2018 setzen sie und ihre Mitstreitenden sich für Tempo 30 auf der Staatsstraße ein.
Sieben Seiten langes Ablehnungsschreiben
Innerorts, bei Gemeindestraßen, können die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister eine Geschwindigkeitsbeschränkung durchsetzen. Doch bei Staatsstraßen, also den überörtlichen Straßen, ist das Landratsamt zuständig. In Neumarkt-Sankt Veit stimmte das zuständige Landratsamt in Mühldorf am Inn einem Tempolimit von 30 Stundenkilometern bisher nicht zu, rein rechtlich sei dies nicht möglich. Auf einen Antrag des Bürgernetzwerks folgten 2021 sieben Seiten Ablehnungsschreiben. Die Hauptausgänge würden nicht direkt an der Straße liegen, somit würde keine Gefährdung vorliegen, so die Argumentation des Landratsamtes.
In Vilsbiburg Erfolg erst nach über drei Jahren
Ähnliche Erfahrungen hat man im Nachbarlandkreis Landshut gemacht. Dreieinhalb Jahre hat Wolfgang Schwimmer in Vilsbiburg für Tempo 30 vor einem Kindergarten gekämpft. Jahrelang sei er von verschiedenen zuständigen Stellen blockiert worden, erzählt Schwimmer. Erst als der Landtag zugestimmt habe, sei es plötzlich schnell gegangen. "Man braucht einen sehr langen Atem und eine ganz hohe Frustrationsschwelle", sagt Schwimmer.
Kritik von ehemaligem Verkehrspolizisten
Unterstützung erfährt das Bürgernetzwerk in Neumarkt-Sankt Veit auch von Hans Aigner, einem ehemaligen Verkehrspolizisten. "Bei den Behörden und auch beim Staat wird das Thema 'Verkehrssicherheit für schwächere Verkehrsteilnehmer' immer noch stiefmütterlich behandelt", mahnt Aigner. Der Ruheständler setzt sich für mehr Sicherheit im Straßenverkehr ein. Die Möglichkeiten einer Behörde seien oft begrenzt, sagt Aigner, als Privatmann habe man wesentlich mehr Möglichkeiten, sich für Verbesserungen der Verkehrssicherheit einzusetzen. "Man kann Leserbriefe schreiben, Anträge stellen und im äußersten Fall sich mit Petitionen an den Bayerischen Landtag wenden", empfiehlt er.
Bald soll ein Ortstermin stattfinden
Vergangenen November reichte auch das Bürgernetzwerk seine Petition ein. Der erste Erfolg: Bald soll es einen Ortstermin geben. Eva Guse würde sich freuen, wenn das Schild mit der Aufschrift "Gas weg: Schule!" durch ein Tempo-30-Schild ersetzt werden würde. Vor 40 Jahren besuchte sie selbst die Grundschule an der Hörberinger Straße und ist überzeugt: "Der Verkehr hier hat sich seitdem schon sehr verändert."
Im Moment ist aber noch Tempo 50 erlaubt. Die beiden Schülerinnen Emilia und Hannah wünschen sich deshalb von denen, die hier fahren: "Dass die Autos einfach langsamer fahren. Und wenn da Kinder stehen, einfach auch manchmal stehenbleiben."
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