Ergonomische Sitze, Panoramasessel, Eckbänke, 27-Zoll-Bildschirme, CO2-neutrale Bodenbeläge, viel Platz für Koffer, Kinderwagen und Co., Anzeigen, die schon beim Einsteigen über freie Plätze im Zug informieren – so könnte aus Sicht der Deutschen Bahn in der Zukunft das Reisen in Regionalzügen aussehen. Einen Vorgeschmack liefert der "Ideenzug". Er fährt ab 3. Juli täglich mehrere Male auf der Südostbayernbahn-Strecke zwischen dem Münchner Hauptbahnhof und Mühldorf am Inn.
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Welche Elemente werden bundesweit übernommen?
Das futuristische Konzept der Doppelstockwagen soll mehr Menschen überzeugen, das Auto stehen zu lassen und auf den klimafreundlichen Nahverkehr umzusteigen, wünscht man sich bei der Bahn. "In unseren Zügen sollen Fahrgäste die Reisezeit noch sinnvoller nutzen können, sei es für Entspannung, Arbeit oder gemeinsame Familienzeit", sagte Evelyn Palla, Vorstandsvorsitzende der Deutsche Bahn Regio AG, bei der Vorstellung des Zuges in München. "Er funktioniert wie ein Baukasten: Einzelne Elemente wollen wir bis 2026 bundesweit in mehr als 500 Zügen übernehmen." Konkret heiße das: große Tische und Doppelsitze für Familien, vier Bürokabinen mit bequemem Sitz und großem Bildschirm und ein Tresen mit hohen Sitzbänken zum lockeren Beisammensitzen.
Ab nächster Woche will die Bahn "Ideenzug"-Passagiere befragen, um zu erfahren, welche der Neuerungen besonders gut ankommen. Für die Fahrt genügt ein reguläres Nahverkehrsticket. Um die Bürokabinen und Komfortsessel nutzen zu können, brauchen Fahrgäste aber ein Ticket für die 1. Klasse. Der Zug wird voraussichtlich bis 2024 unterwegs sein.
Geld besser in marode Gleise investieren
Während Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) prophezeite, der "Ideenzug" mache den Nahverkehr "nachhaltiger, komfortabler und attraktiver", sagte Hamburgs Nahverkehrsberater Dieter Doege: "Die Deutsche Bahn hat wirklich andere Probleme, als neue Züge zu entwerfen. Vor allem nützen die neuen Züge gar nichts, solange die Gleise so marode sind." Gerade in Bayern, mit den vielen eingleisigen Strecken, wo ein verspäteter Zug den bis dahin pünktlichen Gegenzug ausbremse, sollten neue Wagen laut Doege eher die kleinere Sorge sein.
"Ideen zu haben und Neues auszuprobieren ist immer gut", sagte ein Sprecher des Fahrgastverbandes Pro Bahn Bayern. "Aber am Ende muss es auch funktionieren. Und vor allem müssen der tägliche Betrieb und der normale Fahrplan laufen." Die Strecke zwischen München und Mühldorf sei sowieso eine der Vorzeigestrecken der Deutschen Bahn. Andererseits aber gebe es beispielsweise auf der Strecke von Garmisch nach Mittenwald massive Probleme. Laut Pro Bahn Bayern dürfe es nicht sein, dass einzelne Strecken so vernachlässigt werden, während andere sich ständig weiterentwickeln.
VCD sorgt sich um Kapazitäten
Auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sei grundsätzlich offen für das Konzept des "Ideenzugs", da die neuen Elemente den Fahrgästen einen komfortablen Vorteil bieten, sagte ein Vertreter des VDC Landesverbands Bayern. Allerdings sei abzuwarten, ob die Züge mit dem futuristischen Wagen noch genügend Kapazitäten aufweisen könnten. Die Bahn brauche ein stimmiges Gesamtkonzept, um die für gewöhnlich hohe Auslastung auf der Strecke von München nach Mühldorf abfangen zu können. Acht statt sechs Wagen pro Zug und regelmäßigere Abfahrten könnten laut VDC hier die Lösung sein.
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Mit Material von dpa
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