Forstamtsleiter Johannes Wurm steht vor einer Tanne am Nürnberger Schmausenbuck.
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Forstamtsleiter Johannes Wurm begutachtet die Tannen am Nürnberger Schmausenbuck.

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"O Tannenbaum": Weihnachtssymbol in der Klimakrise

"O Tannenbaum, wie schön sind deine Blätter", heißt es in dem berühmten Weihnachtslied. Doch der Tanne geht es in Bayern nicht gut: Verbiss durch Rotwild und Klimawandel setzen ihr zu. Aber es gibt noch Hoffnung für das Weihnachtssymbol.

Über dieses Thema berichtet: Rucksackradio am .

Wer in diesen Tagen einen Weihnachtsbaum fürs Fest kauft, wird in der Regel eine Tanne, Fichte oder Douglasie aus einer eigens angepflanzten Baumkultur holen. Dort wachsen sie in Reih und Glied nebeneinander und werden oft chemisch behandelt. Doch wie ist es um die Tanne in Bayerns Wäldern bestellt? Ob im Flachland, Mittelgebirge oder im Bergwald: Die Tanne leidet ebenso wie der gesamte Wald. Nur jeder zehnte Baum in Bayern ist noch gesund. Das geht aus dem Waldzustandsbericht hervor, den die bayerische Forstministerin im Landtag vorgestellt hat.

Waldverjüngung im Nürnberger Reichswald

Wenn Johannes Wurm durch den Reichswald am Nürnberger Schmausenbuck geht, schaut er sich auch den aktuellen Zustand der Tannen an. Der Leiter des Forstbetriebs Nürnberg der Bayerischen Staatsforsten zeigt auf die hohen Alttannen, deren Samen am Waldboden bereits aufgegangen sind. "Hier sehen wir eine neue Generation von Weißtannen, sodass sich der Wald an dieser Stelle von selbst verjüngt", sagt er.

Durch ihre tiefen Pfahlwurzeln ist die Tanne eigentlich im wahrsten Sinne des Wortes "gut aufgestellt" im Gegensatz zur flach wurzelnden Fichte. Die Tanne ist daher besser gewappnet gegen Trockenheit und Sturm, und sie kommt mit unterschiedlichen Böden zurecht.

Verschiedene Klimawandel-Szenarien

Auch eine leichte Klimaerwärmung könne die Tanne verkraften, sagt Forstbetriebsleiter Johannes Wurm. Doch die Prognosen klingen alarmierend: "Es gibt verschiedene Szenarien und bei einem sogenannten harten Klimawandel lägen die Temperaturen im Jahresdurchschnitt in Nürnberg vier Grad höher als jetzt. Leider haben wir aktuelle Hinweise darauf, dass es sogar noch schlimmer kommen könnte", so Wurm.

Bei einer derartigen Erwärmung würden die Tannen absterben. Ein anderes großes Problem ist das Rotwild. Denn für die Rehe sind die schmackhaften Knospen der jungen Tannen ein Leckerbissen. Der Streit um angemessene Abschusszahlen hält schon seit Jahren an.

Leckerbissen für das Rotwild

Der Verbiss ist ein Problem für die Tannen im Flachland wie auch in den Mittelgebirgen und im Bergwald. Das bestätigt Hans Kornprobst, Sprecher des Arbeitskreises Wald des BUND Naturschutz in Bayern e. V. Er ist am Alpenrand zu Hause und auch dort steht es schlecht um die Tanne, sagt er: "Beispielsweise sind auch die Rotwildbestände im Schliersee-Gebiet angestiegen, sodass hier eine Reduktion dringend notwendig ist."

In einem besonders schlechten Zustand sei der Frankenwald, berichtet der ehemalige Forstamtschef und Wald-Experte. Von den großen Kahlflächen hat er sich auf einer Exkursion selbst einen Eindruck verschafft. "Ich habe mir nie vorstellen können, dass das in Bayern passiert. Da ist keine Verjüngung des Waldes vorhanden, weder bei Tannen noch beim Laubholz. Und das in einem Gebiet, wo vor ungefähr 150 Jahren noch Tannen-Mischbestände vorhanden waren. Es ist also eine rein menschengemachte Situation."

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Die Knospen an den jungen Zweigen der Weißtanne sind ein Leckerbissen für Rehe.

Der Frankenwald war einst bekannt für seine Tannen

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist der Tannenbestand im Frankenwald kontinuierlich gesunken, weil die Waldwirtschaft vermehrt auf Fichten setzte. Als Flachwurzler hat die Fichte der zunehmenden Trockenheit und dem Borkenkäfer-Befall in den vergangenen Jahren nicht standgehalten. Aber auch die Luftverschmutzung durch die industriellen Glashütten bis in die 1960er Jahre taten ihr Übriges.

Dabei stand einst die berühmte Tanne mit dem Namen "Großvater" im Thiemitztal und zählte stattliche 380 Jahre sowie eine Höhe von 41,60 Metern. Sie war ein beliebtes Ausflugsziel für Wandernde, bis sie 1921 vom Sturm umgeworfen wurde.

Forstministerin Kaniber: Alarmglocken schrillen

Der Wald leidet insgesamt. Aus dem Waldbericht der bayerischen Forstministerin Michaela Kaniber (CSU) geht hervor, dass sich der Zustand der Waldbäume im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr weiter verschlechtert hat. "Der mittlere Nadel- und Blattverlust aller Baumarten ist von 23,8 Prozent auf 26 Prozent gestiegen", bilanziert die Ministerin.

Als Ursachen nennt sie den Klimawandel und die damit verbundene Trockenheit und Hitze sowie Stürme und Schädlingsbefall. Besonders stark betroffen ist Franken: So steht Mittelfranken mit 29,1 Prozent an der Spitze, gefolgt von Oberfranken mit 28,1 Prozent. Aber auch in Niederbayern stiegen die Baumschäden auf 25,9 Prozent und in Oberbayern auf 25,8 Prozent an.

Klimaschutz-Politik im Freistaat

Die bayerische Forstministerin sieht beim Klima- und Waldschutz eher die Bundesregierung in der Pflicht. Doch für Richard Mergner, dem Vorsitzenden des BUND Naturschutz in Bayern, besteht dringender Handlungsbedarf auch im Freistaat. "Wir fordern von der neuen Staatsregierung endlich eine engagierte Klimaschutz-Politik. Statt unsinnigen Luftschlössern wie einer Magnetschwebebahn in Nürnberg, wie sie von Ministerpräsident Markus Söder jetzt gefordert wird, brauchen wir endlich Tatkraft und Mittel für eine funktionierende Bahn, für energiesparende Wohnungen und Häuser sowie für den naturverträglichen Ausbau der Sonnen und Windenergie in Bayern", so Mergner.

UN-Klimakonferenz in Dubai: Nein zu fossilen Brennstoffen?

Viele erhoffen sich von der 28. UN-Klimakonferenz in Dubai, dass sich die teilnehmenden Staaten für eine Abkehr von fossilen Brennstoffen aussprechen. Zwei Wochen lang beraten rund 200 Staaten in dem Golfemirat über die Eindämmung der Klimakrise. Größter Streitpunkt ist, ob am Ende einstimmig ein Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas vereinbart werden kann.

Auch Richard Mergner vom BUND Naturschutz in Bayern fordert ein klares Nein zu fossilen Brennstoffen und klimaschädlichen Subventionen. Gleichzeitig hofft er auf einen europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie. Die Rolle des Gastgeberstaates des diesjährigen Weltklimagipfels sieht er kritisch, denn die Arabischen Emirate setzen weiterhin auf den Verkauf von Öl und Gas.

Positiv: Bayerische Kommunen aktiv für Klimaschutz

EU-weit sieht der Augsburger Meteorologe und Regionalklima-Experte Harald Kunstmann einen deutlichen Rückgang des CO₂-Ausstoßes. Forderungen wie die des Bayerischen Städtetages, Klimaschutz als Pflichtaufgabe der Kommunen festzuschreiben, gehen aus seiner Sicht in die richtige Richtung. Damit könne vom Bund das notwendige Geld für bessere Maßnahmen fließen.

Vor Ort in den Regionen werde ohnehin schon viel getan, lobt Kunstmann, "zum Beispiel die Energiewende Oberland, die also die Landkreise Tölz, Miesbach, Weilheim und Garmisch-Partenkirchen umfasst. Das sind Initiativen, die auch in ihren Kommunen versuchen zu unterstützen und Klimaneutralität am besten sogar bis 2035 zu erreichen, das macht Mut", so Kunstmann.

Hoffnung für die Tanne

Auf politischer Ebene erwartet Kunstmann von der Weltklimakonferenz in Dubai eher überschaubare Entscheidungen: "Es läuft immer auf einen ganz schwachen Kompromiss hinaus, wenn fast 200 Länder am Schluss miteinander verhandeln", ist seine Prognose. Kunstmann sieht deshalb die Bürgerinnen und Bürger in der Pflicht, Druck zu machen, wenn sie mehr Klimaschutz wollen.

Was bedeutet das nun alles für die Tanne, dem deutschen Weihnachtssymbol schlechthin? Ihre Lage ist noch nicht völlig aussichtslos, sagt Waldexperte Hans Kornprobst vom BUND Naturschutz in Bayern. "Die Hoffnung ruht auf dem Nachwuchs. Dass die Nachverjüngung auch im Alpengebiet groß genug ist, auch wenn die Alttannen sterben." Dafür braucht es weniger Verbiss durch Rotwild und deutlich mehr Klimaschutz, damit es nicht nur an Weihnachten heißt: O Tannenbaum, o Tannenbaum – wie schön sind deine Blätter!

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