Der 21-jährige Julian Reger aus München hat Zerebralparese. Seit seiner Geburt ist er von der Hüfte ab gelähmt, seine Muskeln verkrampfen. Doch unter Wasser fühlt er sich frei, weil dort Bewegungen funktionieren, die an Land nicht gehen. "Das Wasser trägt mich, und das ist ein Supergefühl", sagt Julian.
Ehrenamt Tauchlehrer: "Es erfüllt mich"
Manfred van Appeldorn taucht seit Jahrzehnten. Als er bei einem Tauchurlaub einen Menschen im Rollstuhl beobachtet, wie dieser im Rollstuhl zum Tauchgang fährt und ins Wasser geht, war das für ihn ein Novum. "Dass Menschen mit so einem Handicap das können und sich auch trauen, das war mir nicht bewusst. Und hat mich angespornt, das auch zu machen" erzählt er.
Tauchschein trotz Handicap
Daheim in München informiert er sich, lässt sich schulen, und beginnt, ehrenamtlich als Tauchlehrer in der Pfennigparade in München, einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung, zu arbeiten. Seit über zehn Jahren gibt er dort Tauchunterricht, einer seiner ersten Schüler ist der damals elfjährige Julian. "Ich weiß noch genau, als Julian mit diesem breiten Grinsen aufgetaucht ist nach dem ersten Tauchgang. Da war mir klar: Tauchen ist definitiv eine Art Therapie."
Mittlerweile ist Julian 21 Jahre alt und hat sogar den Tauchschein gemacht. Da gelten die Regeln wie für alle anderen Anwärter auch: Er muss vom Arzt als tauchtauglich geprüft werden. Dabei unterstützt haben ihn auch seine Eltern, Tina und Michael. "Wir haben Julian immer versucht zu vermitteln: Geht nicht, gibt's nicht", sagt Tina Reger. Und weil sie spüren, dass das Tauchen ihrem Sohn guttut, machen sie sogar selbst auch den Tauchschein.
Gegenseitiges Vertrauen unter Wasser
Manfred van Appeldorn und Julian sind unter Wasser mittlerweile ein eingespieltes Team. Und trotzdem ist für beide das Tauchen auch Vertrauenssache: "Die Kommunikation unter Wasser ist sehr eingeschränkt, ich bin auf ein paar Zeichen reduziert. Und ich bin von Julian genauso abhängig, wie er von mir. Er muss mir vertrauen, dass ich alles richtig mache. Und ich muss ihm vertrauen, dass er mir rechtzeitig signalisiert, wenn etwas nicht stimmt", erzählt Manfred.
"Ich versuche, mein Handicap als Aufgabe zu sehen"
Vertrauen ins Leben - das haben Julian auch seine Eltern Tina und Michael mitgegeben. "Wir haben ihm immer gesagt: Alles, was andere können, kannst du auch. Auch wenn es schwieriger sein wird. Aber es ist alles irgendwie machbar."
Und Julian nimmt es an. Aber für ihn kommt seine Stärke auch von oben. Ein Gottvertrauen, das ihm hilft, sein Handicap anzunehmen, erzählt er: "Ich versuche, mein Handicap als Aufgabe zu sehen. Ich denke: Ein Handicap können nur Menschen bewältigen, die auch die Kraft dazu haben. Ich denke halt, dass er mich ausgewählt hat, weil er mir diese Aufgabe zutraut."
Julian traut sich auch selbst Vieles zu. Nach seinem Schulabschluss in der Pfennigparade hat er eine Ausbildung auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden. Er will Bürokaufmann in der Gemeinde Neuried bei München werden. Dort kann er sogar mit dem Handbike selbst hinfahren.
Mehr zum Thema "Vom Mut, zu vertrauen" in der Sendung STATIONEN in der ARD Mediathek.
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