Spaziergänger, die im Wald bei Trischlberg im Landkreis Regensburg ein Grunzen hören, müssen sich nicht unbedingt auf eine Begegnung mit einem Wildschwein einstellen. Es kann nämlich gut sein, dass das Geräusch von einem zahmen Hausschwein von Rupert Stäbler stammt. Er hält in seinem über 140.000 Quadratmeter großen Wald etwas mehr als 100 Hausschweine.
Hausschweine zeigen Verhalten von Wildschweinen
Ursprünglich waren die Waldschweine für Stäbler Forschungsobjekte. Der Agrarwissenschaftler sollte für eine Studie herausfinden, wie sich Hausschweine im Wald verhalten. Das Ergebnis: Sie wühlen mindestens ein Viertel des Tages, tragen Zweige durch die Gegend, üben für den Nestbau. "Sie machen eigentlich alles wie ein Wildschwein – wenn sie die Möglichkeit dazu haben", erklärt Stäbler.
Nach der Studie hat er den Wald behalten. Neben dem in Trischlberg besitzt er noch zwei weitere Flächen bei Rosenheim und vermarktet dort das Waldschweinefleisch. Damit gehört er in Bayern zu ein paar wenigen Hutewald-Besitzern. Als Hutewälder werden Waldflächen bezeichnet, auf denen Nutztiere gehalten werden. "Man nennt sie deswegen auch Waldweide", so Dario Wolbeck. Er forscht an der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt zur Verbreitung historischer Hutewälder in Deutschland.
Hutewälder früher weit verbreitet
Tiere im Wald zu halten, war früher weit verbreitet. Bis zum Beginn der Industrialisierung spielten Hutewälder eine wichtige Rolle bei der Fleischproduktion. "Das war früher die Hauptnutzungsart des Waldes", erklärt Wolbeck. "Man hat nicht hauptsächlich Holz rausgeholt." Auch andere Tiere, wie zum Beispiel Rinder oder Schafe, wurden so gehalten. Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurden Wald- und Landwirtschaftsflächen dann getrennt. Heute gibt es nur noch wenige Wälder in Deutschland, in denen Nutztiere leben.
Großer ökologischer Nutzen
Dabei hätten Hutewälder auch aus ökologischer Sicht Vorteile, so Wolbeck. Gerade in historischen Hutwäldern, also Wäldern, die früher beweidet waren, sei eine Vielzahl an wilden Arten zu finden. Denn Nutztiere haben dafür gesorgt, dass der Baumbestand lückig ist und mehr Sonnenstrahlen den Boden erreichen. Das wirke sich auf die Biodiversität aus. "Dieses Licht und die Wärme, die dann an den Boden kommen, sind wichtig für Arten, die man in den kühleren, dunkleren Wäldern heute nicht mehr findet", erklärt Wolbeck. "Etwa bestimmte Käferarten oder Schmetterlinge. Aber auch Fledermäuse, die diesen offenen Raum zwischen den Bäumen brauchen."
Waldschweine machen viel Arbeit
Hutewälder könnten also auch für den Artenschutz Vorteile bieten. Doch aktuell ist diese Form der Nutztierhaltung mit viel Aufwand für die Landwirte verbunden. Dazu kommen rechtliche Hürden, weil Wald nicht ohne weiteres für Tierhaltung genutzt werden darf. Rupert Stäbler hat eine Genehmigung bekommen. Dafür musste er aber die gesamte Fläche mit einem doppelten Elektrozaun ausstatten. Über drei Kilometer hat er so eingezäunt.
Grund dafür ist die Afrikanische Schweinepest: Eine hochansteckende Krankheit, die von Wildschweinen übertragen werden kann und für Schweine meist tödlich endet. Wäre eines der Tiere betroffen, müssten sie notgeschlachtet werden. Der Kontakt zwischen Stäblers Tieren und möglicherweise infizierten Wildschweinen muss deswegen unbedingt vermieden werden. Da die Hausschweine aber gerne Äste umhertragen und wühlen, kommt es immer wieder zu Schäden am Zaun. Stäbler muss ihn deshalb regelmäßig kontrollieren und reparieren.
Fleisch teurer als normales Biofleisch
Das ist teuer und aufwändig – was das Waldschwein-Fleisch etwa 20 Prozent teurer als Biofleisch von Schweinen im Stall macht. Stäbler vermarktet es überwiegend direkt in seiner 200 Kilometer entfernten Heimat bei Rosenheim. Das sei rentabel, so der Schweinehalter. Aber: "Man muss schon Herzblut reinstecken. Ich glaube, nur aus kommerziellen Interessen fängt man so etwas nicht an."
Für ihn steht hochwertiges Fleisch und das Tierwohl im Vordergrund. Für viele Landwirte ist dieser Aufwand aber kaum umsetzbar. Auch wenn Hutewälder für Tiere und Natur Vorteile bieten – ein großes Comeback wird es in Bayern wohl erstmal nicht geben.
Im Video ein Bericht aus dem BR-Archiv: Schweine auf der Weide (2015)
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