Während Deutschland seine letzten Atomkraftwerke bald abschalten will, plant Tschechien gerade das Gegenteil. Für das Nachbarland ist das der Weg aus der Krise. "In Tschechien ist die Debatte durch den Angriff von Russland auf die Ukraine beeinflusst. Seit Beginn des Krieges ist sie nüchterner geworden", sagt Tschechiens Europaminister Mikuláš Bek im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers.
"Man ist sich jetzt einig, dass man mehr erneuerbare Quellen in Tschechien braucht. Aber weil wir keinen Zutritt zur Meerküste haben und die Kapazität der möglichen erneuerbaren Quellen nicht ausreicht, rechnen wir immer mit einem Anteil von Kernenergie im Mix. Das ist die Strategie, die sich grundsätzlich nicht ändert." Mikuláš Bek, Tschechischer Europaminister
Trotz Kritik: Bek hält Atomkraft für sicher und ökonomisch sinnvoll
Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung in Deutschland sieht die Pläne Tschechiens allerdings skeptisch. In einer sicherheitstechnischen Analyse heißt es, die Mini-Kernkraftwerke seien zu langsam, zu unsicher und zu teuer. Damit könne man weder den Klimawandel bekämpfen noch eine sichere Energieversorgung gewährleisten. Mikuláš Bek schätzt das anders ein. "Ich denke, es gibt sehr wenige Risiken", sagt er.
"Wir sind nicht der Meinung, dass die nuklearen Quellen unter den heutigen Umständen auf dem Markt zu teuer sind. Die Energiepreise werden nicht zu den Preisen vor dem Krieg zurückkehren, das ist unwahrscheinlich. Ökonomisch wird es sich also lohnen, in die Kernenergie zu investieren." Mikuláš Bek, Tschechischer Europaminister
Laut Bek muss man aber auch die Sicherheit sehr ernst nehmen - das habe bei der tschechischen Regierung höchste Priorität. Auf die Sorgen der bayerischen Nachbarn entgegnet er: "Wir haben in der Geschichte eine heiße Debatte mit unseren österreichischen Nachbarn gehabt. Damals war es wirklich konfliktreich, wir hoffen, dass wir es diesmal friedlicher machen könnten."
Endlager wohl weit von Bayern entfernt
Eine der großen ungeklärten Fragen bleibt das Problem der Endlager. In Niederbayern befürchtet man, dass etwa der Bayerische Wald ins Visier genommen werden könnte. "Das ist eine wichtige Frage, die noch nicht gelöst wurde", räumt der tschechische Europaminister ein. Es gebe mehrere Lokalitäten, die geeignet seien, aber noch debattiere man mit den lokalen Verwaltungen und Gemeinden über die Bedingungen. Bayern sei allerdings davon wohl nicht betroffen, so Bek im Kontrovers-Interview. "Ich denke, die Lokalitäten sind alle ziemlich weit von der Bayerischen Grenze."
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