Roger Waters darf wie geplant am 21. Mai in München auftreten. Die Stadt München wollte das Konzert eigentlich verhindern, sieht nun aber keine rechtliche Möglichkeit, die Veranstaltung zu verbieten und den Vertrag mit dem Veranstalter zu kündigen. Nicht nur Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) findet es "unsäglich" und "unerträglich", dass man das Konzert gestatten müsse, obwohl dort mit ziemlicher Sicherheit "antisemitische Parolen gedroschen" würden.
Waters hingegen hatte kürzlich mitgeteilt, geplante Konzertverbote seien verfassungswidrig, ungerechtfertigt und beruhten auf der falschen Anschuldigung, er sei antisemitisch. Er habe seine Anwälte angewiesen, dagegen vorzugehen.
Der Stadtrat von München beschloss daraufhin, den Olympiapark darum zu bitten, am 21. Mai ein deutliches "Zeichen für Völkerverständigung und internationale Solidarität, gegen Antisemitismus sowie für das Existenzrecht des Staates Israel und die Souveränität der Ukraine zu setzen". Das soll etwa über eine entsprechende Beflaggung geschehen.
Antisemitismus-Vorwürfe gegen Waters
Waters ist der frühere Frontmann von "Pink Floyd" und wird immer wieder wegen seiner Nähe zur teilweise antisemitischen Israel-Boykott-Bewegung BDS und zuletzt auch wegen seiner Äußerungen zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine kritisiert. Ursprünglich wollte der Stadtrat deshalb eigentlich Oberbürgermeister Reiter per Beschluss auffordern, gegenüber der Olympiapark München GmbH eine Gesellschafterweisung auszusprechen und so eine Kündigung der Verträge zu erreichen. Allerdings war von Anfang an unklar, ob das rechtlich auch zulässig ist. Eben das hat die Regierung von Oberbayern mittlerweile verneint.
Rechtliche Lage: Keine Befugnis für Konzert-Absagen
Die Behörde verwies dabei auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH), das auch vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bestätigt worden ist. Demnach ist München – wie auch andere Kommunen - nicht befugt, Bewerbern den Zugang zu ihren öffentlichen Räumen "allein wegen zu erwartender unerwünschter Meinungsäußerungen zu verwehren", wenn die Veranstaltung der Widmung des Veranstaltungsorts entspricht. Andernfalls würde sie das Grundrecht der Meinungsfreiheit verletzen.
Die Olympiahalle ist definitiv für Konzerte gedacht und so kann nun auch Roger Waters erneut dort auftreten. Zuletzt war er 2018 in der Halle zu Gast. Auch hier hatte Münchens Oberbürgermeister Reiter im Vorfeld laut über eine mögliche Absage wegen Waters antisemitischer Äußerungen nachgedacht. Damals musste er das ebenfalls verwerfen, und auch für die aktuelle Diskussion über Roger Waters resümiert er: "Ich will ihn hier nicht haben, aber wir müssen es jetzt ertragen."
Stadt will für die Zukunft gesetzliche Lage hinterfragen
Um eine Wiederholung solcher Diskussionen nun zu vermeiden, will die Stadt abklären, wie künftig Auftritte von Künstlern mit antisemitischen, verschwörungsmythischen oder Reichsbürger-Bezügen im Olympiapark verhindert werden können. Dabei geht es ihr auch um mehr Informationen schon vor Vertragsabschlüssen. Reiter kündigte zudem Gespräche mit dem Freistaat an, inwieweit man Städten doch gesetzliche Möglichkeiten an die Hand geben könnte, um solche Veranstaltungen zu verbieten.
Antisemitismusbeauftragter Spaenle ruft zu Boykott auf
Bedauern über das Ausbleiben der Konzertabsage äußerte auch der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben Ludwig Spaenle im Interview mit BR24. Die rechtlichen Rahmenbedingungen seien "nun mal zu akzeptieren", erklärte Spaenle: "Der Auftritt von Roger Waters ist deshalb inhaltlich nicht weniger abzulehnen, und es bleibt eigentlich nur übrig, hier dann zu einem öffentlichen Boykott aufzurufen. Dies halte ich für zwingend geboten. Wer sich so drastisch antisemitisch und über Israel in einer Weise äußert, die die Grundsätze der staatlichen Existenz infrage stellen - von den völlig kruden Aussagen zum Krieg in der Ukraine ganz abgesehen - so jemand darf nicht ohne Widerspruch in München auftreten."
Knobloch: "Schlag ins Gesicht für die jüdische Gemeinschaft"
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch nannte die Entscheidung, das Konzert nicht abzusagen, einen "Schlag ins Gesicht für die jüdische Gemeinschaft und für alle, die sich für ein respektvolles und tolerantes Zusammenleben einsetzen".
Knobloch erklärte weiter: "Wenn selbst jemand wie Waters nicht daran gehindert werden kann, seinen Israel- und Judenhass öffentlich zu verbreiten, dann werden viele in der jüdischen Gemeinschaft sich fragen, ob das Recht den Schutz für Antisemitismus höher gewichtet als den Schutz vor Antisemitismus."
❗❗ Mitdiskutieren lohnt sich: Die folgenden Passagen hat die Redaktion aufgrund von User-Kommentaren, unter anderem von "Hellsmikel", "KG", "Froschhaarpinsel" und "Bergwanderer", im Rahmen des BR24 Projekts "Dein Argument" ergänzt.
Roger Waters hat stets bestritten, ein Antisemit zu sein und in seinem Facebook-Account auf seine jüdische Schwiegertochter verwiesen, die ihm demnach wohl auch jüdische Enkel beschert habe, "wie ihm erklärt" worden sei.
Den Vorwurf, er habe bei Konzerten "fliegende Schweine" mit einem Davidstern aufsteigen lassen, versuchte Waters am 17. März 2023 in einem "Spiegel"-Gespräch damit zu entkräften, auf den Ballons seien auch die Firmenlogos von Shell und McDonald's zu sehen gewesen. Dort sagte er auch: "Jeder weiß, dass Israel keine Demokratie ist. Eine Demokratie garantiert gleiche Rechte für alle Bürger. Und Israel tut das nicht. Es ist ein Staat, in dem eine bestimmte Gruppe, das jüdische Volk, die Vorherrschaft hat und jüdische Bürger Rechte genießen, die ihren Mitbürgern vorenthalten sind."
Roger Waters: "Wir wissen was Antisemitismus ist"
Gleichzeitig schrieb Waters am 8. Februar 2021 in einem Tweet: "Lasst die Israel-Lobby nicht unsere Wörterbücher mit McCarthy-artigem, rassistischem Geschwätz umschreiben. Wir wissen, was Antisemitismus ist - und gegen die israelische Apartheidspolitik zu sein ist nicht Teil davon."
Am 11. März 2011 teilte Waters per Kommentar im britischen "Guardian" mit, er sei Mitglied in der antiisraelischen BDS-Bewegung geworden: "Das ist kein Angriff auf das Volk von Israel. Das ist jedoch ein Appell an meine Kolleginnen und Kollegen in der Musikbranche, aber auch an Künstlerinnen und Künstler anderer Disziplinen, sich diesem Kulturboykott anzuschließen."
Auf Einladung Russlands hielt Waters am 8. Februar 2023 eine Rede vor dem UNO-Sicherheitsrat und verteilte dort die Verantwortung für den Angriffskrieg auf die Ukraine gleichermaßen auf Kiew wie auf Moskau: "Die Invasion der Ukraine durch die Russische Föderation war illegal. Ich verurteile sie auf das Schärfste. Außerdem war die russische Invasion in der Ukraine nicht 'ohne Provokation', also verurteile ich auch die Provokateure aufs Schärfste." Die gesamte Rede Waters gibt es hier zum Nachlesen.
Auszüge von Waters Rede vor dem UN-Sicherheitsrat im Video:
Am 25. September hatte sich Waters in einem persönlichen Brief an Putin gewandt: "Ich weiß, ich weiß, die USA und die Nato marschieren im Handumdrehen oder für ein paar Barrel Öl in andere souveräne Länder ein, aber das bedeutet nicht, dass Sie das tun sollten, Ihre Invasion in der Ukraine hat mich völlig überrascht war ein abscheulicher Angriffskrieg, provoziert oder nicht."
Zuvor hatte Waters in einem CNN-Interview über US-Präsident Joe Biden gesagt: "Nun, er heizt den Krieg in der Ukraine an. Das ist ein großes Verbrechen." Auf den Einwand, China versuche gerade, Taiwan "einzukreisen", antwortete er: "Sie umkreisen Taiwan nicht! Taiwan gehört zu China. Und das wird seit 1948 von der gesamten internationalen Gemeinschaft absolut akzeptiert, und wenn Sie das nicht wissen, lesen Sie nicht genug. Gehen Sie und lesen Sie was darüber." Im Nachhinein behauptete Waters, das Gespräch sei zu seinem Nachteil "manipuliert" worden. ❗❗
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