Kanzlerkandidat Robert Habeck in Übergröße auf grünem Hintergrund, hell erleuchtet an der Fassade des Münchner Siegestors: Diese Projektion sorgte vergangenen Freitag für Aufsehen – und im Netz für reichlich Kritik. Jetzt hat sich das Münchner Kreisverwaltungsreferat (KVR) zu Wort gemeldet: In einer schriftlichen Stellungnahme betonte das Referat, dass es die Grünen-Wahlkampfaktion nicht genehmigt habe.
Im Gegenteil: Das KVR habe von der Aktion aus den Medien erfahren. "Wahlwerbung auf Denkmälern ist grundsätzlich nicht genehmigungsfähig", so das KVR in der Stellungnahme. Denn für Wahlwerbung gälten strenge Regeln, konkretisierte eine Referatssprecherin auf BR-Anfrage: "Ein historisches Gebäude im Wahlkampf einfach anzustrahlen, das ist nicht machbar."
Bußgeldverfahren nach Wahlwerbung an Siegestor
Die Polizei habe bereits ein Bußgeldverfahren gegen die Einzelperson eingeleitet, die am Freitag vor Ort war, so die Sprecherin weiter. Die Stadt wolle das Verfahren nun weiterführen. Im Raum stehen demnach mehrere Tatbestände, darunter der Verstoß gegen die Plakatierungsverordnung und den Denkmalschutz.
Das werde sich auf die Höhe des Bußgelds auswirken, so das Referat. "Das KVR will damit auch verdeutlichen, dass weitere derartige oder ähnliche Aktionen im Wahlkampf nicht tolerieren werden." Informationen des KVR zufolge stand der Projektor in einem geparkten Auto in der Nähe. Da die Verantwortlichen vor Ort – nach BR-Informationen die Firma Jung von Matt – keine Genehmigung der Stadt vorweisen konnten, ließ die Polizei die Projektion nach rund 45 Minuten wieder abschalten.
Kritik von SPD, CSU, aber auch aus den eigenen Reihen
Kritik an der Aktion kam heute von SPD und CSU, aber auch aus den Reihen der Grünen: Dominik Krause, zweiter Bürgermeister der Stadt München, nannte die Wahlkampfaktion seiner eigenen Partei "alles andere als gelungen". In einem Statement schreibt der Grünen-Politiker, historische Gebäude in München sollten nicht für den Wahlkampf zweckentfremdet werden.
Hans Theiss, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von CSU und Freien Wählern im Münchner Stadtrat, nannte die Wahlkampfaktion größenwahnsinnig. "Das fehlende Geschichtsbewusstsein des Philosophen Robert Habeck ist schon erstaunlich", kommentierte Klaus Holetschek, CSU-Fraktionsvorsitzender im Bayerischen Landtag.
Reiter findet Aktion "erschreckend"
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hatte die Nachricht zunächst für Fake News gehalten. Er habe nicht glauben können, "dass die Grünen tatsächlich so geschichtsvergessen sind, dass sie ausgerechnet am Siegestor Wahlwerbung mit Herrn Habeck in Überlebensgröße projizieren", sagte er BR24. Reiter erwarte von den Münchner Grünen "ein klares Statement, dass so etwas nie wieder vorkommen wird".
Siegestor: Auch von den Nazis instrumentalisiert
Das Siegestor zwischen der Münchner Leopold- und Ludwigstraße wurde zwischen 1843 und 1850 erbaut als Symbol für den Sieg Bayerns über Napoleon. Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Bau auch von den Nationalsozialisten instrumentalisiert.
"Hauptschauplatz für die Nazis war natürlich die Feldherrnhalle am Odeonsplatz", erklärt Andreas Wirsching, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte. "Die Prachtmeile zwischen Odeonsplatz und Siegestor hatte aber schon auch eine wichtige Funktion für die damalige 'Hauptstadt der Bewegung'" – ein nationalsozialistischer Propagandabegriff für die Stadt München. Es gäbe Zeitdokumente, die bewiesen, dass Nazi-Aufmärsche auch durch das Siegestor stattfanden, so Wirsching.
Historiker Wirsching: "Insgesamt vielleicht nicht so dramatisch"
Im Zweiten Weltkrieg wurde der Bau zerstört und im Anschluss wiederaufgebaut. Die heutige Inschrift "Dem Sieg geweiht, vom Krieg zerstört, zum Frieden mahnend" soll die Umdeutung des Denkmals zum Friedensmahnmal untermauern. Historiker Wirsching warnte gegenüber dem BR aber davor, in der aktuellen Diskussion die historische Bedeutung des Siegestors zu stark zu betonen: "Ich finde die Vergangenheit und die deutsche Geschichte, die nun wirklich gerade in München sehr komplex ist, sollte nicht allzu schnell für solche Wahlkampfauseinandersetzungen genutzt werden."
Man könne geteilter Meinung darüber sein, ob das Siegestor der richtige Ort für die Wahlwerbung der Grünen ist – genauso könne man aber auch geteilter Meinung über die harten Reaktionen der CSU sein. "Insgesamt ist es vielleicht nicht so dramatisch, wie es in den sozialen Netzwerken gemacht wird."
Bundesgeschäftsstelle der Grünen wohl verantwortlich
Wie der bayerische Landesverband der Grünen auf BR-Anfrage mitteilte, geht die Wahlwerbung auf eine Initiative der Bundesgeschäftsstelle der Grünen zurück. Marion Mo Lüttig von der Münchner Stadtratsfraktion "Die Grünen – Rosa Liste" sagte dem BR, der Grünen-Ortsverband Schwabing/Maxvorstadt/Freimann habe erst rund zwei Stunden vor der Aktion Bescheid bekommen.*
Lüttig bewertet die Aktion aber als gelungen: "Wenn man nach dem Lehrbuch Marketing geht, war das gut gemacht." Man müsse sich der Kontroverse bewusst sein, die man mit "Guerilla Marketing" provoziere, aber die Aktion habe für Sichtbarkeit gesorgt, so Lüttig.
*Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version des Artikels stand, die Stadtratsfraktion hätte erst rund zwei Stunden vor der Aktion Bescheid bekommen; außerdem wurde Marion Mo Lüttig als Bundesvorstandsmitglied bezeichnet. Diese Fehler haben wir korrigiert.
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