Annalena Baerbock und Robert Habeck, umringt von applaudierenden Delegierten.
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Die Grünen stehen geschlossen hinter Robert Habeck und ziehen mit ihm an der Spitze in den Wahlkampf.

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Im grünen Wohlfühlbecken: Robert Habecks Parteitag

Im grünen Wohlfühlbecken: Robert Habecks Parteitag

Die Grünen stehen geschlossen hinter Robert Habeck und ziehen mit ihm an der Spitze in den Wahlkampf. Den Parteitag dominiert eine grüne Wohlfühlatmosphäre – doch in der Bevölkerung weht Gegenwind. Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Die Grünen halten eigentlich nichts von One-Man-Shows. Nach dem Ampel-Aus scheint alles anders: Der dreitägige Parteitag der Grünen am Wochenende in Wiesbaden ist auf Robert Habeck zugeschnitten. T-Shirts mit dem Aufdruck "Habeck for Kanzler" oder Kanzler-Armbändchen in Anlehnung an Pop-Ikone Taylor Swift, wie sie auch Habeck vor kurzem in einem Social-Video trug: Am Parteitag dominiert der Personenkult rund um Habeck.

Er ist das Gesicht der Partei – und die Grünen folgen ihm. Mit 96,48 Prozent wird Habeck zum Kanzlerkandidaten gekürt. Auch wenn er selbst mit dem Begriff fremdelt, offiziell von "Kandidat für die Menschen in Deutschland" spricht. Denn er und die Grünen wissen: Die Umfragewerte für die Partei sind mit derzeit 11 Prozent schlecht, die Chance auf den Sprung ins Kanzleramt gering.

Habeck: "Gebäudeenergiegesetz schwebt wie Damoklesschwert über Wahlkampf"

Auch ist den Grünen bewusst: Robert Habeck polarisiert in der Bevölkerung, ist umstritten – das verkorkste Heizungsgesetz wird mit ihm verbunden. "Das Gebäudeenergiegesetz schwebt wie ein Damoklesschwert über dem ganzen Wahlkampf", weiß auch Habeck selbst.

Warum aber tritt er dann an? "Bin ich der Richtige?", diese Frage hat sich Habeck selbst gestellt, wie er in seiner Bewerbungsrede am Parteitag erzählt. Er spricht über 60 Minuten lang frei auf der Bühne, braucht kein Manuskript, keinen Teleprompter. Es folgt ein Ritt durch die grünen Themen: mehr Geld für Klimaschutz, eine Reform der Schuldenbremse, billiger Strom. Dafür schätzen die Grünen Habeck, wie Sebastian Damm aus Deggendorf am Parteitag im BR24-Interview sagt: "Er hat aus meiner Sicht wieder die wichtigen Punkte angesprochen, die das Land jetzt braucht für die Veränderung."

Habeck will "jetzt nicht kneifen", wie er auf der Bühne sagt, Lehren aus Fehlern ziehen, Verantwortung übernehmen. Und: Entscheidend für seine Kandidatur soll ein Erlebnis mit seinem Sohn gewesen sein. Im Schwimmbad habe Habeck ihm gesagt: "Du musst dich bewegen, sonst gehst du unter."

Keine Alternative zu Habeck als Kanzlerkandidaten

Bei den Grünen bewegt sich Habeck, steigt auf – der Parteitag scheint dieses Mal ein Wohlfühlbecken zu sein: keine Streits, keine Debatten. Habecks Nominierung zum Kanzlerkandidaten zeigt: In Wahlkampfzeiten stehen die Grünen zusammen. Auch wenn es Skeptiker gibt, vor allem in der Grünen Jugend, kann Habeck sie hinter sich versammeln. Ein weiter Grund aber für die Nominierung: Die Grünen haben keine andere Alternative zu Habeck und die Zeit drängt – keine 100 Tage mehr, dann wird im Februar gewählt.

Bundestagswahl: Grüne wollen wieder regieren

Zeit, um das Ampel-Aus aufzuarbeiten, bleibt an diesem Wochenende nicht. Ein Gefühl der Erleichterung schwebt aber über den Reihen der Delegierten: Sie wollen das Ampel-Aus für ihren Wahlkampf nutzen, keine Ampel-Kompromisse mehr verteidigen müssen, sondern mit Klimaschutz auf Grün pur setzen. Nach dem Ampel-Aus setzt der neu gewählte Co-Chef der Grünen, Felix Banaszak, darauf, "weiter Zukunft zu machen, weiter zu regieren."

Er führt gemeinsam mit Franziska Brantner jetzt die Grünen als Partei-Chef an. Sie sollen den von den Grünen ausgerufenen "Neustart" symbolisieren. Ihre Aufgabe: Habeck den Rücken freihalten, die Partei zusammenhalten und den Blitz-Wahlkampf im Winter organisieren.

Wahlkampf mit Gegenwind für Grüne

In diesen zieht Habeck mit Rückenwind aus der eigenen Partei. Doch sie alle verlassen jetzt die grüne und geeinte Blase des Parteitags, gehen raus in den Wahlkampf. In der Bevölkerung müssen die Grünen mit Gegenwind rechnen. Das haben die desaströsen Wahlergebnisse für die Partei bei den letzten Wahlen im Osten gezeigt: In Thüringen und Brandenburg ist die Partei ganz aus den Landtagen geflogen.

Geht es nach den Grünen, wollen sie für die Bundestagswahl im Februar den Spagat meistern, einerseits die Stammwähler mit grünen Kernthemen wie Klimaschutz zu erreichen, aber auch konservative Wähler mit dem ausgerufenen bürgerlichen Mitte-Kurs gewinnen. Ob das grünes Wunschdenken bleibt, entscheiden die nächsten 100 Tage – außerhalb der geeinten Blase.

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